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Die neue EU-Bodenschutzstrategie
EU-News | 17.11.2021
#Landwirtschaft und Gentechnik #Bodenschutz #Biodiversität und Naturschutz

Die neue EU-Bodenschutzstrategie

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c. pixabay

Die EU-Kommission hat am Mittwoch im Rahmen des europäischen Green Deal EU-weite Regeln für das Umweltmedium Boden vorgeschlagen. Die neue EU-Bodenstrategie soll bei der Bewältigung der doppelten Krise von Klima und Natur helfen und den Zustand der Böden verbessern. 70 Prozent der Böden in der EU befinden sich in keinem guten Zustand.

Die Bodenstrategie besteht aus zwei Teilen:

Was steckt drin?

Die Strategie enthält Maßnahmen für Schutz, Wiederherstellung und nachhaltige Nutzung der Böden und schlägt eine Reihe freiwilliger sowie rechtsverbindlicher Maßnahmen vor. Die Strategie soll helfen, den Gehalt an organischem Kohlenstoff in landwirtschaftlich genutzten Böden zu erhöhen, die Wüstenbildung zu bekämpfen, geschädigte Flächen und Böden zu sanieren und bis 2050 dafür sorgen, dass alle Bodenökosysteme einen gesunden Zustand erreichen. Sie baut dabei auf den Maßnahmen auf, die im Rahmen der Chemikalienstrategie und des Null-Schadstoff-Aktionsplans bereits vorgeschlagen worden sind.

Das ist auch notwendig, denn Land- und Bodenverschlechterung verursachen laut EU-Kommission Kosten in Höhe von 50 Milliarden Euro pro Jahr für die EU. Die Bodenerosion schlägt in Europa allein durch landwirtschaftliche Produktivitätseinbußen mit 1,25 Milliarden Euro pro Jahr zu Buche. Dabei hänge die Produktion von 95 Prozent aller Lebensmittel von gesunden Böden ab.

  • Die Böden in der EU sollen künftig ebenso geschützt werden wie Wasser, Meeresumwelt und Luft. Hierzu soll bis 2023 im Anschluss an eine Folgenabschätzung und eine Konsultation von Interessenträgern und Mitgliedstaaten ein Vorschlag für ein neues Bodengesundheitsgesetz vorliegen.
  • Bis 2023 wird die Kommission einen Rechtsrahmen für ein nachhaltiges EU-Lebensmittelsystem vorschlagen.
  • Die Kommission wird eine sogenannte „Carbon Farming“-Initiative für eine klimaeffiziente Landwirtschaft auf den Weg bringen und sich der globalen Initiative „4 per 1000“ anschließen, um den Gehalt an organischem Kohlenstoff in landwirtschaftlich genutzten Böden zu erhöhen.
  • Die Kommission will die Ströme von in der EU erzeugtem, behandeltem und wiederverwendetem Bodenaushub untersuchen und die Marktsituation in den Mitgliedstaaten bis 2023 analysieren. Ferner wird die Kommission wird im Rahmen der Abfassung des Bodengesundheitsgesetzes den Bedarf an einem bindend vorgeschriebenen „Bodenaushub-Pass“ und dessen Potenzial bewerten und Leitlinien für die Einführung eines solchen Passes vorlegen.
  • Um das EU-Ziel des „Netto-Null-Flächenverbrauchs“ bis 2050 zu erreichen, sollten sich die Mitgliedstaaten bis 2023 eigene ehrgeizige nationale, regionale und lokale Ziele für die Verringerung des Netto-Flächenverbrauchs für 2030 stecken und die Flächenverbrauchshierarchie „vermeiden – wiederverwenden – minimieren – ausgleichen“ anwenden, anstatt weitere Natur- oder Agrarflächen zu versiegeln.
  • Die Kommission wird Optionen für Vorschläge bindender Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Registrierung und Sanierung schadstoffbelasteter Flächen prüfen.
  • Außerdem wird die Kommission eine EU-Beobachtungsliste für Bodenschadstoffe erarbeiten, Richtlinien überarbeiten (Industrieemissionen, nachhaltige Verwendung von Pestiziden) oder evaluieren (Umwelthaftung, Klärschlammrichtlinie) sowie die Möglichkeit prüfen, ein Bodengesundheitszertifikat einzuführen, das vorzulegen ist, wenn Land den Besitzer wechselt. Die Verwendung von beispielsweise Mikroplastik oder Perfluoralkylchemikalien (PFAS) soll im Rahmen der REACH-Verordnung beschränkt, Risikobewertungsmethoden verbessert und die Anwendung der Verordnung über Düngeprodukte überprüft werden.
  • Damit Europa bis 2050 klimaneutral wird und bis 2035 Bodendegradationsneutralität erreicht, müssen unbedingt Emissionen aus trockengelegten Torfmooren gestoppt und die Speicherung von CO2 in anderen Böden gefördert werden.

Schließlich enthält die Strategie noch Maßnahmen zur Mobilisierung des erforderlichen gesellschaftlichen Engagements und der benötigten Finanzmittel, fördert Wissensaustausch und nachhaltige Bodenbewirtschaftungsmethoden sowie die Bodenüberwachung. Außerdem unterstützt sie das EU-Engagement für weltweite Bodenschutzmaßnahmen.

Reaktionen

Laut dem Informationsdienst topagrar-online fürchtet der Deutsche Bauernverband (DBV) „unnötige Doppelregelungen“ und hält nichts von einem EU-Bodengesetz. Allerdings sollten landwirtschaftliche Flächen auch aus DBV-Sicht für Ernährungssicherung und Klimaschutz erhalten sowie vor Versiegelung geschützt werden. Die EU habe aber keine Regelungskompetenz dafür.

Der agrarpolitische Sprecher der Grünen im EU-Parlament Martin Häusling nannte die EU-Bodenschutzstrategie „dringend notwendig“ und mahnte: „Im Bereich Landwirtschaft schützt nicht einmal das deutsche Bundes-Bodenschutzgesetz die Funktionen des Bodens ausreichend. Es verhindert weder die Kontamination mit Agrarchemikalien noch den Humusschwund oder die Verdichtung von Böden, denn der § 17 bezieht sich hier nur auf die „gute fachliche Praxis“ und die ist nicht weiter definiert. Auch die aktuelle Agrarreform hat es wieder nicht geschafft, verbindliche wirksame Regelungen zum Bodenschutz in die Auflagen der Konditionalität für einen „guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand“ (GLÖZ) zum Erhalt von Direktzahlungen zu integrieren. Deshalb brauchen wir umso dringender ein europäisches Regelwerk, das dem Bodenschutz die gleiche Aufmerksamkeit und Schutzposition beschert, wie dem Schutz von Luft und Wasser!“

Der Umweltdachverband Deutscher Naturschutzring (DNR) begrüßte die EU-Bodenstrategie und forderte die künftige Bundesregierung zum Handeln auf. „Der überwiegend schlechte Zustand unserer Böden ist alarmierend, die Zeit ist daher reif für einen besseren Bodenschutz. Ob Ernährung, Wasserrückhalt, Kohlenstoffspeicherung oder Artenvielfalt – die Situation der Böden wirkt sich unmittelbar auf unser Wohlergehen und unsere Zukunft aus. Nur gesunde Böden können einen wichtigen Beitrag für die Erreichung der Klimaschutzziele, für die Klimaanpassung und den Stopp des Biodiversitätsverlustes leisten“, sagte DNR-Geschäftsführer Florian Schöne.

Zehn-Länder-Bündnis für Bodenschutz – Deutschland ist nicht dabei

In einem der Redaktion vorliegenden Brief an EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans, den EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius sowie EU-Landwirtschaftskommissar Janusz Wojciechowski hatten sich letzten Freitag zehn Mitgliedstaaten zur Bodenstrategie geäußert.  Probleme sehen sie vor allem in der zunehmenden Bodendegradation, im Rückgang der organischen Substanz und im Erhalt wichtiger Funktionen des Bodens wie die Wasserrückhaltung und die Kohlenstoffspeicherung. Die Böden seien betroffen von Risiken wie Erdrutschen, Überschwemmungen und Dürreperioden. Geeigneter Bodenschutz wiederum könne diese Risiken aber minimieren.

Weil etwa 60 bis 70 Prozent der Böden in der EU nicht gesund seien, müsse ein EU-weiter Rechtsrahmen geschaffen werden, so die Minister*innen aus Belgien, Bulgarien, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowenien, Spanien, Tschechien, Portugal und Zypern. Dies betreffe sowohl die Land- als auch die Forstwirtschaft und andere Bodennutzungen. Zudem müsse es geeignete Indikatoren geben, um den Zustand der Böden zu beschreiben und Fortschritte bei deren Schutz messen zu können.

Bodenschutz als EU-Dauerzankapfel

Am 16. April dieses Jahres hatte der Umweltausschuss im EU-Parlament (ENVI) mit großer Mehrheit für einen EU-weiten Rechtsrahmen für Bodenschutz sowie eine nachhaltige Nutzung der Böden gestimmt (EU-News 16.04.2021). Der Petitionsausschuss (PETI) hatte im April über die Anliegen der abgeschlossenen Europäischen Bürgerinitiative (EBI) People4Soil, die sich für eine verbindliche Bodengesetzgebung einsetzt, positiv beschieden, die weitere Befassung mit dem Thema allerdings an die EU-Kommission und den ENVI-Ausschuss weitergegeben.

Die EU-Kommission hatte bereits ab 2006 einen EU-weiten Rahmen gefordert, musste ihren Vorschlag für eine Bodenschutzrahmenrichtlinie aber 2014 zurückziehen, weil unter anderem Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Österreich und Finnland den Vorstoß jahrelang blockiert hatten (EU-News 15.03.2010, 06.12.2012, 22.05.2014, DNR-Steckbrief zum Europäischen Bodenschutz vom 14.09.2016). Übrig blieben einige vage Vorschläge zum Schutz der Böden im 7. Umweltaktionsprogramm. Dabei zeigen die Studien und Bewertungen zur Bodenqualität und zum Zustand der Böden einen dramatischen Abwärtstrend (EU-News 22.10.2015, 23.05.2018, 26.09.2018, 19.12.2018, 06.08.2020, 07.12.2020). [jg]

Quellen:

Reaktionen:

[redaktionell bearbeitet von Juliane Grüning]

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