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Bundestagswahl: Spitzenpolitiker*innen stellen sich unseren Klimafragen
News | 26.08.2021
#Klima und Energie #Politik und Gesellschaft

Bundestagswahl: Spitzenpolitiker*innen stellen sich unseren Klimafragen

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© Odenthal Design / VIRTUAL CONFERENCES, Berlin

„Wir haben noch eine Wahl! Wie stoppen die Parteien die Klimakrise?“ Das war der Titel der gemeinsamen Veranstaltung der Klima Allianz Deutschland und des Umweltdachverbands Deutscher Naturschutzring einen Monat vor der Bundestagswahl am 24. August. Die Livediskussion mit

  • Annalena Baerbock, Kanzlerkandidatin und Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen
  • Andreas Jung, Stellv. Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
  • Olaf Scholz, Kanzlerkandidat der SPD
  • Volker Wissing, Generalsekretär der FDP  
  • Janine Wissler, Parteivorsitzende der LINKEN

war gut besucht. Die Moderatorin Angela Elis konnte in der knappen Stunde drei Themenkomplexe ansprechen, auch wenn sich ihre Hoffnung, klare Ja- oder Nein-Antworten aus der Spitzenpolitik zu bekommen, nur bedingt erfüllte.

Themenkomplex Energie

"Werden wir 2034 noch ein Braunkohlekraftwerk haben?", lautete die erste Frage zur Energieerzeugung.

Darauf antwortete Olaf Scholz sinngemäß: Das hängt davon ab, wie schnell wir ausreichend Strom aus erneuerbaren Energien erzeugen können und ob wir im ersten Jahr der Legislaturperiode entsprechend höhere Ausbauziele beschließen können. "Ich will es schaffen und dann wären wir früher fertig [als 2038]", sagte der Kanzlerkandidat der SPD.

Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion Andreas Jung, der für den terminlich verhinderten Armin Laschet eingesprungen war, sagte, dass er davon ausgehe, beim Ausbau der Erneuerbaren schnell voranzukommen. Der jetzt ambitionierter ausgestaltete europäische Rahmen und der Europäische Emissionshandel dürften dafür sorgen, dass der Kohleausstieg früher stattfinden werde.

Volker Wissing, Generalsekretär der FDP, der Christian Lindner vertrat, sagte: "Das Ziel muss sein (...) das Klima zu schützen." Mit Kohlekraftwerken könne man Energie nicht nachhaltig erzeugen, weshalb massiv die Planung beschleunigt und der Ausbau Erneuerbarer vorangetrieben werden müssten, um das Ziel früher zu erreichen.

Annalena Baerbock, Kanzlerkandidatin von Bündnis 90/ Die Grünen, antwortete: "Ich trete an für einen Kohleausstieg 2030, das bedeutet: 2034 keine Braunkohlekraftwerke mehr."

Janine Wissler, Parteivorsitzende der LINKEN, sagte auf die Frage, ob 2034 noch ein Braunkohlekraftwerk laufen werde: "Nein, wir wollen den Kohleausstieg beschleunigen, wir wollen raus aus der Kohle, ab jetzt, sofort, bis 2030. Und dafür müssen wir den Ausbau Erneuerbarer forcieren."

Es folgten noch einige vertiefende Fragen zur Energiepolitik. So betonte Olaf Scholz, dass es einen Beschluss gebe, aus der Kohleverstromung auszusteigen mit einem Enddatum 2038, dass im Beschluss aber stehe, dies regelmäßig zu überprüfen. Er wolle sich im ersten Jahr der nächsten Legislaturperiode dafür einsetzen, dass die Ausbauziele für Erneuerbare bis 2045 festgeschrieben werden. Die "eigentliche Herausforderung" bei dem Erreichen der Klimaneutralität sei, dass es 2050 einen erhöhten Strombedarf gebe – beispielsweise dürfte die Chemieindustrie bis dahin so viel Strom brauchen, wie Deutschland insgesamt zurzeit – deshalb müsse es Planungsbeschleunigung geben. Er wolle dafür sorgen, dass die Planung eines Windrads künftig sechs Monate dauere und nicht sechs Jahre. Man dürfe sich nicht "vor der eigentlichen Aufgabe drücken", was durchaus "Mut und Tapferkeit" verlange, so der Kanzlerkandidat der SPD.

Annalena Baerbock verwies darauf, dass CDU und SPD seit Jahren bekannte Tatsachen, die den Ausbau hemmten, nicht beachtet hätten. Wenn diese "GroKo-Politik" so weiterlaufe, bedeute das für die Bundesländer, dass sie nicht deutlich mehr Windkraft ausbauen könnten. "Die Hoheit der zentralen Weichenstellungen beim Erneuerbaren-Energien-Gesetz liegt auf der Bundesebene und deshalb braucht es da einen Richtungswechsel", sagte die Kanzlerkandidatin der Grünen. Anders könnten 100 Prozent Erneuerbare nicht erreicht werden.

Der FDP-Generalsekretär Volker Wissing sprach sich für eine Abschaffung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) aus: "Die Kosten sind zu hoch und die Akzeptanz-Problematik der erneuerbaren Energien müssen wir auch im Blick behalten". Erneuerbare müssten auch bezahlbar bleiben. Die FDP wolle stattdessen die erwirtschaftete Dividende aus dem CO2-Zertifikatehandel in den Ausbau stecken, der aber die Industrie, die mittelständische Wirtschaft und Arbeitsplätze nicht gefährden dürfe und sozialverträglich sein müsse.

Janine Wissler betonte, dass es sehr viel teurer sei, keinen Klimaschutz zu betreiben und die Folgen des Klimawandels zu tragen, als Geld für wirksamen Klimaschutz in die Hand zu nehmen. Wenn man über Arbeitsplätze spreche, dürfe man nicht vergessen, dass in den letzten Jahren wegen der Verschlechterung beim EEG auch Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien abgebaut worden seien. Für sie seien drei Punkte entscheidend: Energieeffizienz und Stromeinsparung, dezentraler Ausbau/Anpassung von Netzstrukturen und die Weiterentwicklung von Speichertechnologien. Zur Steigerung der Akzeptanz plädierte Wissler dafür, an Ort und Stelle aufzuklären, wie wichtig und sinnvoll der Ausbau Erneuerbarer sei. Zudem sei die eine oder andere Bürgerinitiative gegen Windkraft auch von CDU oder FDP unterstützt worden.

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Themenkomplex Mobilität

Die nächste Schnellfragerunde betraf das Thema Mobilität. "Die EU-Kommission schlägt vor, die Neuzulassung von Benzinern und Dieselmotoren ab 2035 zu beenden. Sind Sie dafür oder dagegen beziehungsweise wollen Sie das schneller oder langsamer erreichen?", fragte Angela Elis.

Andreas Jung (CDU/CSU): "Ich bin nicht für die Festlegung eines politischen Enddatums, sondern für die Deckelung von CO2-Emissionen – technologieoffen."

Volker Wissing (FDP) sinngemäß: keine staatliche Regelung der Technologie, aber Erreichen international vereinbarter Reduktionsziele bei den Emissionen. Elektromobilität bringe viele Vorteile, aber auch einige Probleme mit sich, so könnte sie die Mobillität im ländlichen Raum verteuern. Es sollten Gelder und Steueranreize für Innovation, technischen Fortschritt und andere Alternativen zur Verfügung stehen.

Annalena Baerbock (Grüne): "Wenn wir immer nur über Klimaschutz reden, findet keiner statt. Wir müssen endlich ins Machen kommen." Politik brauche eine klare Haltung, sonst ändere sie keine Gesetze. "Ich trete dafür an, dass wir deutlich vor 2035 in Europa und auch in Deutschland nur noch saubere Autos zulassen."

Olaf Scholz (SPD): "Die EU-Ziele zur CO2-Reduktion sind sehr ehrgeizig, ich glaube aber, dass die deutsche Autoindustrie diese Ziele früher erreicht, ohne dass es einer neuen Gesetzesregelung bedarf." Parallel müsse ein europaweiter Markt entstehen, damit die Autos auch Käufer fänden. Dafür müsse die Ladeinfrastruktur ausgebaut werden, denn nur mit Elektromobilität sei das Ziel zu erreichen.

Janine Wissler (LINKE): "Ja. Schneller." Weil die Fahrzeuge viele Jahre auf den Straßen führen, sei es notwendig, schnell zu handeln. Entschiedene Schritte in Richtung Klimaschutz seien nötig, aber auch in Richtung Luftqualität. Dass die Gesundheit vieler Menschen wegen der vielen Schadstoffe an stark befahrenen Straßen beeinträchtigt werde, dürfe auch nicht vergessen werden. Kein festes Datum zu setzen, mache es für die Industrie eher schwieriger. "Wir wollen die Industrie nachhaltig und zukunftssicher umbauen", dafür brauche es klare Etappenvorgaben und Ziele.

In der vertieften Fragerunde nahm Volker Wissing Stellung zur von der FDP geforderten Abschaffung der Luftverkehrssteuer ("Der Preis des Flugtickets spart kein CO2 ein"), Andreas Jung zum von CDU/CSU geforderten Ausbau von Straßen und Autobahnen ("Wir wollen aber auch Schiene und ÖPNV fördern") und Annalena Baerbock zu Lastenfahrrädern ("Das ist ja wirklich nur ein kleiner Teil von nachhaltiger Mobilität - wir müssen die Weichen in allen Bereichen – Industrie, Verkehr, Energieerzeugung, Landwirtschaft – in Richtung Klimaneutralität stellen"). Die Linke lehnte die Kaufprämie für E-Autos ab. Janine Wissler will Deutschland zum Bahnland machen ("Es reicht nicht, das eine durch das andere auszutauschen, es geht um Art und Weise des Verkehrs. Die Schweiz gibt 440 Euro pro Jahr und Kopf für Bahn aus, Deutschland nur 88"). Auf die Frage, wo sich die SPD bei der Abwägung zwischen Autoindustrie und Bahn sehe, erkannte Olaf Scholz ein Sowohl-als-auch ("Elektrifizierung des Verkehrs beginnen, Bahnverkehr ausbauen, in Zukunft 2 Milliarden Euro für Ausbau von S- und Regionalbahnstrecken"). Außerdem bekundeten alle Politikerinnen und Politiker, sich zu bemühen, die Mobilität auch im ländlichen Raum nicht außer Acht zu lassen, Stichworte: Streckenreaktivierung, Pendellösungen, bezahlbare ÖPNV-Verbindungen.

Themenkomplex Gebäude und Wärme

Hier ging es um Fragen wie ein mögliches Verbot von Ölheizungen früher als im anvisierten Jahr 2026, die Bezahlung energetischer Sanierung durch Mieter oder Vermieter und die Kostenverteilung von CO2-Bepreisung. [jg]

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