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Klimapolitik jenseits der Überschriften: Auf konkrete Maßnahmen kommt es an
News | 12.05.2021
#Klima und Energie

Klimapolitik jenseits der Überschriften: Auf konkrete Maßnahmen kommt es an

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c. pixabay/geralt

Am 29. April hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe entschieden, dass das 2019 beschlossene Klimaschutzgesetz in Teilen verfassungswidrig ist und der Gesetzgeber eine Neufassung bis spätestens 2022 vorlegen muss.

Der politische Schwung nach dem Urteil des BVerfG sowie die breite öffentliche und mediale Unterstützung für mehr Klimaschutz müssen nun in politisches Handeln umgesetzt werden. Die bisherigen Vorschläge der Bundesregierung springen hierbei zu kurz.

Kurzfristig ist es zwar richtig und wichtig, dass die Bundesumweltministerin noch einmal das Klimaschutzgesetz anpackt. Schon das Treibhausgasreduktionsziel für 2020 wurde nur wegen des wirtschaftlichen Einbruchs der Corona-Krise erreicht. Diese Einmaleffekte werden durch die wirtschaftliche Erholung der kommenden Jahre wieder kompensiert werden. Dennoch: Das mittelfristige Minderungsziel der Bundesregierung bis 2030 ist völlig unzureichend und muss auf 70 Prozent angehoben werden, um dann – bis zum Jahr 2040 – das Ziel der Treibhausgasneutralität zu erreichen. Nur dann kann Deutschland im Rahmen des vom Bundesverfassungsgericht herangezogenen Budgetansatzes seinen Beitrag zur globalen Begrenzung der Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad noch erbringen.

„Das mittelfristige Minderungsziel der Bundesregierung (muss) bis 2030 auf 70 Prozent angehoben werden, um bis zum Jahr 2040 das Ziel der Treibhausgasneutralität zu erreichen.“
Sascha Müller-Kraenner, DUH

Neben dem globalen Minderungsziel müssen die Sektorziele so angepasst werden, dass auch der Verkehr und der Gebäudebereich möglichst schnell auf einen zielgenauen Pfad zur Treibhausgasneutralität gelangen. Das Reduktionsziel bis 2030 darf also nicht zum überwiegenden Teil durch den Energiesektor erbracht werden. Strukturelle Reformen im Verkehrs- und Gebäudesektor müssen umgehend angegangen werden.

Ziele ohne Maßnahmen sind jedoch lediglich Überschriften und verändern in der Erdatmosphäre erst einmal nichts. Die aktuelle Bundesregierung versucht geeignete Maßnahmen an ihre Nachfolgeregierung abzugeben. Dies ist nichts weiter als ein politisch durchschaubares Wahlkampfmanöver und wird der vom Bundesverfassungsgericht artikulierten Dringlichkeit nicht gerecht.

Denn: Zahlreiche Entscheidungen können noch in den verbleibenden Sitzungswochen durch das parlamentarische Verfahren gebracht oder durch exekutive Entscheidung getroffen werden. Dazu gehört die Anhebung der Ausbauziele für erneuerbare Energien, indem die nötige Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes an das Gesetzgebungsverfahren zum Energiewirtschaftsgesetz angedockt wird. Auch das Gebäudeenergiegesetz muss noch einmal angepackt werden. Die im ursprünglichen Gesetzgebungsverfahren vom Bundesumweltministerium vorgeschlagenen verbesserten Effizienzwerte können auch nachträglich eingefügt werden – ohne große strukturelle Veränderungen. Außerdem muss Bundesbauminister Seehofer bis Mitte Juli ohnehin ein Sofortprogramm für den Gebäudebereich vorlegen, da das Sektorziel 2020 hier trotz Coronaeffekten verfehlt wurde. Dieses Programm muss gleich Maßnahmen für ein ambitioniertes 2030-Ziel mitenthalten.

Im Verkehrssektor muss als sofort umsetzbare Maßnahme mit unmittelbar spürbarem CO2-Einsparungseffekt ein Tempolimit für Autobahnen, Landstraßen sowie innerorts eingeführt werden. Der Kohleausstieg muss auf spätestens 2030 vorgezogen werden. Wichtigster Hebel dafür wäre der sofortige Anstieg des CO2-Mindestpreises auf 60 Euro pro Tonnen. Außerdem sollte die Bundesregierung allen neuen fossilen Großprojekten umgehend ihre politische Unterstützung entziehen. Dazu gehören Nord Stream 2 (mit insgesamt 97 Millionen Tonnen zusätzlicher CO2-Emissionen bei voller Kapazität), die an der norddeutschen Küste geplanten Frackinggas-Terminals und die neuen Bundesfernstraßenprojekte.

Der Bundestag tritt noch in vier Sitzungswochen zusammen, Gesetzgebungsverfahren können im Notfall auch noch durch Sondersitzungen im September abgeschlossen werden. Die Bundesregierung kann also schon in dieser Legislaturperiode handeln, wenn sie es denn will. Allerdings ist auch wahr: Die grundlegenden strukturellen Veränderungen, die wir sowohl in der Energie-, als auch in der Verkehrs-, Bau- und Landwirtschaftspolitik benötigen, müssen in der nächsten Legislaturperiode angeschoben werden, wenn wir als Gesellschaft unseren deutschen Beitrag zum 1,5-Grad-Ziel noch erbringen wollen. In den kommenden Wochen ist es deshalb unsere Aufgabe als Umweltbewegung, das 1,5-Grad-Ziel sowie konkrete Maßnahmen, mit denen dieses Ziel auch erreicht werden kann, in den Wahlprogrammen aller demokratischen Parteien zu verankern. Der Ideenwettbewerb für mehr Klimaschutz ist also eröffnet.

Sascha_Mueller-Kraenner-aktuell

Der Autor

Sascha Müller-Kraenner ist seit 2015 Bundesgeschäftsführer der DUH. Der Diplombiologe war von 1991 bis 1998 beim DNR verantwortlich für das europäische und internationale Referat des Umweltdachverbands.

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