Chemikalienstrategie: Endlich Gruppenregulierung und Berücksichtigung von Cocktail-Effekten?
Die EU-Kommission scheint in ihrer mit Spannung erwarteten Chemikalienstrategie Kombinationseffekte berücksichtigen und die gruppenbasierte Bewertung von Stoffen vorschlagen zu wollen. Das lässt ein in dieser Woche geleakter Entwurf vermuten.
Wie der Umweltinformationsdienst Ends Europe mit Verweis auf einen ihm vorliegenden Entwurf der Strategie berichtet, soll ein „Null-Toleranz“-Regulierungsansatz die Risiken von sogenannten Cocktail-Effekten berücksichtigen. Um die „unendliche Anzahl möglicher Kombinationen“ von Stoffen regulieren zu können, schlage die EU-Kommission demnach vor, der REACH-Verordnung einen Bewertungsfaktor für die Mischung von Chemikalien hinzuzufügen. Wissenschaftler*innen weisen bereits seit vielen Jahren darauf hin, dass eine Mischung verschiedener Chemikalien die Gefahr einzelner Substanzen erhöhen kann. Entsprechend ungeeignet sei die derzeitige Art der Bewertung in der EU, die jeweils nur eine Chemikalie in den Blick nimmt.
Zudem solle der Bewertungsprozess beschleunigt werden, indem die bisher durchgeführte Einzel- durch eine „Gruppenbewertung von Chemikalien mit ähnlichen Gefahren, Risiken oder Funktionen“ ersetzt werde, so Ends Europe. Für den Regulierungs- und Verbotsprozess sei ein solcher Gruppenansatz jedoch nicht vorgesehen. Dies wird von Umwelt- und Gesundheitsorganisationen gefordert, da Unternehmen einen von der Europäischen Chemikalienagentur verbotenen Stoff häufig durch eine ähnliche Substanz der gleichen Stoffgruppe ersetzen und das Risiko dadurch nicht reduziert wird.
Der Entwurf zur Chemikalienstrategie, deren Veröffentlichung für das dritte Quartal 2020 angekündigt ist, sehe auch einen „umfassenden Aktionsplan zur Behandlung von PFAS“ vor. Die Stoffgruppe der PFAS (per- und polyfluorierte Alkylverbindungen) umfasst mehr als 4.700 Chemikalien, die sich im Boden und im Grundwasser anreichern und schwerwiegende gesundheitliche Schäden verursachen können.
Um den Regulierungsprozess von Chemikalien zu vereinfachen, wolle die EU-Kommission außerdem eine doppelte Bewertung von Substanzen im Rahmen unterschiedlicher EU-Rechtsvorschriften vermeiden. Dies solle durch den Ansatz „eine Substanz – eine Bewertung“ geschehen.
Auch sollen für die Risikoanalyse eines Stoffes in Zukunft zusätzliche Kriterien wie die hormonelle Wirksamkeit oder ihre Wirkung als Immun- oder Nervengifte oder Atemwegssensibilisatoren eine Rolle spielen. Diese Berücksichtigung wird bereits seit Langem von zivilgesellschaftlichen Akteuren gefordert.
Die Chemikalienstrategie der EU-Kommission ist Teil des Green Deals. [km]