Menü
Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzorganisationen
Startseite
Aktuelles & Termine
Aktuelles & EU-News
Klima und Energie kompakt vom 03.12.2020
EU-News | 03.12.2020
#Klima und Energie

Klima und Energie kompakt vom 03.12.2020

Alle_Rubriken_Save_our_Earth_c.Pixabay_berlin-wall-50730_1280
c. Pixabay

Weltwetterorganisation: Hitzerekorde 2020, EU-weite Treibhausgasemissionen 2019, EU-Anpassungsstrategie an den Klimawandel im EU-Parlament, Aufbau- und Resilienzpläne von acht EU-Ländern wenig überzeugend, Klimaklagen gegen 33 Staaten am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und gegen Shell in den Niederlanden, Diskussion um Abschaffung der Lastenteilung, Konferenzen über Batteriezellenfertigung in Europa und kontroverse Farbenspiele beim Thema Wasserstoff.

Erderhitzung auch 2020 ungebremst

Laut der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) ist das Jahr 2020 auf dem besten Weg, eines der drei wärmsten Jahre seit Beginn der modernen Wetteraufzeichnungen im Jahr 1850 zu werden. Die globale Durchschnittstemperatur von Januar bis Oktober 2020 lag etwa 1,2 Grad Celsius über dem Referenzwert von 1850-1900, der als Annäherung an das vorindustrielle Niveau gilt. Zudem wird der WMO zufolge der Zeitraum 2011 bis 2020 sehr wahrscheinlich das wärmste Jahrzehnt seit Beginn der Aufzeichnungen, mit den wärmsten sechs Jahren seit 2015.

Insbesondere die Ozeane erwärmen sich rasant. Mehr als 80 Prozent der Ozeane erlebten 2020 mindestens eine Hitzewelle – mit weitreichenden Auswirkungen auf die Meeresökosysteme, die aufgrund der Absorption von Kohlendioxid unter Versauerung leiden. Das geht aus dem vorläufigen WMO-Bericht über den Zustand des globalen Klimas 2020 hervor.

WMO: 2020 on track to be one of three warmest years on record  

EU-Bericht zum Klimaschutz: große Unterschiede zwischen den Sektoren

Die Treibhausgasemissionen in den 27 EU-Mitgliedstaaten sind im Vergleich zum Vorjahr durchschnittlich um 3,7 Prozent zurückgegangen, während das Bruttoinlandsprodukt um 1,5 Prozent gewachsen ist. Gegenüber 1990 wurden die Emissionen um 24 Prozent reduziert.

Am meisten hat sich 2019 im Energiebereich getan: Dessen Treibhausgasemissionen sanken um rund 15 Prozent im Vergleich zu 2018. Hauptgrund dafür sei, dass die Stromerzeugung aus Kohle zunehmend durch erneuerbare Energien und Gas ersetzt werde. Die Industrie verzeichnete einen Rückgang von fast zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dagegen nahmen die klimaschädlichen Emissionen des innereuropäischen Flugverkehrs zu – um ein Prozent oder 0,7 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent verglichen mit 2018. Damit verringerten sich die Emissionen, die vom europäischen Emissionshandelssystem (EU ETS) abgedeckt werden, im Jahr 2019 insgesamt um 9,1 Prozent. Dies entspricht rund 152 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent.

Bei den Emissionen, die nicht unter das EU ETS fallen – also Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft und Abfallwirtschaft –, ist laut Kommissionsbericht „keine nennenswerte Veränderung zu verzeichnen.“ So stagnierten die Emissionen beim Verkehr und in der Landwirtschaft seit 2005 auf etwa gleichbleibendem Niveau.

EU-Kommission: Treibhausgasemissionen in der EU 2019 auf niedrigstem Niveau seit drei Jahrzehnten    

2020-Klimaziele und Fluorkohlenwasserstoffe

In ihrem Bericht „Trends and Projections in Europe 2020“ kommt die Europäische Umweltagentur (EEA) zu dem Schluss, dass die EU sehr wahrscheinlich ihre 2020-Klimaziele für die Verringerung der Treibhausgasemissionen (minus 20 Prozent gegenüber 1990) sowie für den Ausbau erneuerbarer Energien (20 Prozent an der Energieerzeugung) erreichen wird. Beim dritten Ziel, den Energieverbrauch um 20 Prozent zu senken, hege die Agentur hingegen Zweifel. Nur neun Mitgliedstaaten (Finnland, Griechenland, Italien, Lettland, die Niederland, Portugal, Rumänien, Slowenien und Spanien) seien derzeit auf dem Weg, ihr jeweiliges nationales Einsparziel 2020 zu erfüllen. Alle übrigen Länder müssten weitere Anstrengungen unternehmen. Zusätzlich wies die EEA warnend darauf hin, dass die Mitgliedstaaten deutlich mehr tun müssten, um die langfristigen Klimaziele 2030 und 2050 zu erreichen.

Ein weiterer Bericht der EEA zeigt auf, dass die europäische Industrie immer weniger fluorierte Kohlenwasserstoffe (HFKW) einsetzt. Solche F-Gase sind synthetische Chemikalien, die in Kühlschränken, Wärmepumpen und Klimaanlagen sowie als Lösungsmittel und Treibmittel für Schäume verwendet werden. Aufgrund ihrer enormen klimaschädlichen Wirkung sollen sie schrittweise durch klimafreundliche Alternativen ersetzt werden. Vereinbarungen auf EU- und internationaler Ebene (Kigali-Änderung des Montrealer Protokolls) sind zu diesem Zweck in Kraft.

EEA: EU on track to meet greenhouse gas emissions and renewable energy 2020 targets, progress in 2019 shows more ambitious long-term objectives are reachable

EEA: Report 15/2020 Fluorinated greenhouse gases 2020 

Mehr Geld für Anpassung an den Klimawandel

Die Mitglieder des Umweltausschusses (ENVI) im EU-Parlament haben am Dienstag eine Entschließung zur geplanten Strategie zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels angenommen. Die Abgeordneten fordern darin eine bessere Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen auf EU-, nationaler und regionaler Ebene sowie als Anreiz für öffentliche und private Investitionen. Außerdem solle das Verursacherprinzip gestärkt werden und Finanzmittel nur in Projekte fließen, die im Vorhinein auf ihre Klimaverträglichkeit geprüft worden sind.

Das Parlament stimmt voraussichtlich auf seiner Plenarsitzung vom 14. bis 17. Dezember über die rechtlich unverbindliche Entschließung ab. Die EU-Kommission legt ihren Vorschlag für eine neue Anpassungsstrategie voraussichtlich Anfang 2021 vor.

EU-Parlament: Climate change: the EU needs to be better prepared so it can better adapt 

Aufbau- und Resilienzpläne osteuropäischer Länder lassen zu wünschen übrig

Die Nichtregierungsorganisation CEE Bankwatch Network übt Kritik an den Entwürfen für die Aufbau- und Resilienzpläne von Bulgarien, Estland, Lettland, Polen, Rumänien, Tschechien, der Slowakei und Ungarn. Weder Bürger*innen noch Interessenvertreter*innen seien in die Ausarbeitung dieser Pläne einbezogen worden, was gegen das Partnerschaftsprinzip der EU verstoße, das die Staaten verpflichtet, die Öffentlichkeit bei der Formulierung solcher Strategien zu konsultieren. Da sich die Regierungen weigern, diese Pläne zur Konsultation zu öffnen, spiegeln die meisten Beiträge nur die einer begrenzten Anzahl von staatlichen Akteuren wider, heißt es in einer am Montag veröffentlichten Analyse.

Außerdem vermisst CEE Bankwatch in den Plänen den nötigen Ehrgeiz, um die Klima- und Energieziele der EU für 2030 zu erreichen, was eigentlich einen wichtigen Meilenstein des Europäischen Green Deal darstellt.

Alle EU-Mitgliedstaaten sind aufgerufen, bei der EU-Kommission Pläne einzureichen, wie sie die ihnen zugewiesenen EU-Hilfen aus der Aufbau- und Resilienzfazilität (Recovery and Resilience Facility, RRF) als zentralen Bestandteil des Corona-Wiederaufbauprogramms ausgeben wollen.

CEE Bankwatch Network: Shadowy spending of pandemic funds could dash EU hopes for a green recovery

Klimaklage gegen 33 Staaten nimmt erste Hürde

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verkündete am Montag, der beispiellosen Klimaklage von sechs Kindern und jungen Erwachsenen aus Portugal gegen 33 Staaten, darunter Deutschland, stattzugeben. Dies sei ein wichtiger Etappensieg, da die meisten Klagen üblicherweise abgewiesen würden, erklärte die Nichtregierungsorganisation „Global Legal Action Network“, die die Kläger*innen unterstützt. Der EGMR werde überdies der Beschwerde wegen der Wichtigkeit und Dringlichkeit der aufgeworfenen Fragen Priorität einräumen.

Die Klage gründet sich in der zunehmenden Bedrohung, die der Klimawandel für das Leben der sechs jungen Kläger*innen und für ihr körperliches und geistiges Wohlbefinden darstellt. Im Erfolgsfall wären die beklagten Länder rechtlich dazu verpflichtet, nicht nur ihre nationalen Emissionen stärker zu senken, sondern auch Verantwortung für jene Emissionen zu übernehmen, die aufgrund ihrer Wirtschaftsaktivitäten im Ausland entstehen.

Die betroffenen Länder haben nun bis Ende Februar 2021 Zeit, um sich zu den Vorwürfen zu äußern.

Glan: Unprecedented climate case clears major hurdle as European court recognises “importance and urgency”

Youth 4 Climate Justice

Gerichtsverfahren gegen Ölkonzern Shell beginnt

Wie die Umweltschutzorganisation Friends of the Earth Europe (FoEE) am Montag informierte, laufen seit dem 1. Dezember die öffentlichen Anhörungen im Gerichtsverfahren der niederländischen Umweltorganisation Milieudefensie (und von mehr als 17.000 Nebenkläger*innen) gegen den Ölmulti Shell in Den Haag. Ziel ist es, den Konzern gerichtlich dazu zu zwingen, seinen CO2-Ausstoß bis 2030 um 45 Prozent zu verringern.

FoEE: Taking Shell to court: groundbreaking Dutch climate litigation case begins

NGOs: Lastenteilung muss bleiben

Als Reaktion auf eine Ankündigung der EU-Kommission, die Lastenteilungsverordnung (Effort Sharing Regulation, ESR) möglicherweise auslaufen zu lassen, plädierten die Umwelt- und Klimaschutzorganisationen Birdlife, CAN Europe, Carbon Market Watch, Europäisches Umweltbüro, Greenpeace, Transport & Environment und der WWF in einem Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für deren Beibehaltung. Die NGOs befürchten, dass die EU-Mitgliedstaaten andernfalls kaum noch Anreize hätten, die Treibhausgasemissionen im Straßenverkehr, bei Gebäuden (Heizen und Kühlen) und in der Abfallbehandlung zu senken, wenn diese Sektoren in das Emissionshandelssystem einbezogen würden. Die Bürger*innen in der EU müssten dann durch höhere CO2-Preise mehr für Sprit und Heizen bezahlen. Haushalte mit geringerem Einkommen, die es sich nicht leisten können, ihre Fahrzeuge aufzurüsten und ihre Häuser nachzurüsten, wären am härtesten betroffen.

T&E et al.: EU risks missing 2030 climate target and shifting burden onto the poor, green NGOs warn von der Leyen

Batteriezellen made in EU

Auf der virtuellen Europäischen Konferenz zur Batteriezellfertigung, die in der vergangenen Woche stattfand, loteten Vertreter*innen aus Politik, Wirtschaft und Forschung die Möglichkeiten einer europäischen Batteriezellenproduktion aus.

Laut Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier ist das Ziel, in Europa eine geschlossene Wertschöpfungskette für Batteriezellen zu schaffen: von der Aufbereitung der Rohstoffe über die Batteriezellfertigung bis zum Recycling.

Der für interinstitutionelle Beziehungen und die strategische Vorausschau zuständige Vizepräsident der EU-Kommission Maroš Šefčovič äußerte sich zuversichtlich, dass die EU ab 2025 ausreichend Batteriezellen produzieren werde, um den eigenen Bedarf für Elektromobilität vollständig zu decken. Er bezog sich auf die 15 zurzeit im Bau befindlichen „Giga-Fabriken“ zur Batteriezellfertigung in mehreren EU-Mitgliedstaaten. So berichtete es die Online-Nachrichtenplattform Euractiv.

Voraussichtlich am 9. Dezember stellt die EU-Kommission ihre Strategie für die nachhaltige Batteriezellenproduktion als Teil des Europäischen Green Deal vor.

Deutsche Ratspräsidentschaft: Europa schreitet bei der Batteriezellfertigung voran: Europäische Vernetzungskonferenz zur Batteriezellfertigung eröffnet

Euractiv: EU says it could be self-sufficient in electric vehicle batteries by 2025

Grüner, blauer, violetter Wasserstoff: EU-Länder sind uneins

Ebenfalls in der vergangenen Woche trafen Interessenvertreter*innen auf dem virtuellen Europäischen Wasserstoffforum zusammen. Dem Online-Nachrichtenmagazin Euractiv zufolge erklärte EU-Energiekommissarin Kadri Simson während der Veranstaltung: „Was wir vorschlagen, ist ein globaler, regelbasierter Markt für Wasserstoff und – im Herzen dieses Marktes – harmonisierte Sicherheits- und Umweltstandards.“ Zudem sehe die EU-Kommission großes Potenzial für den Euro als Leitwährung im internationalen Handel mit nachhaltiger Energie.

Derweil scheinen die EU-Mitgliedstaaten uneins darüber zu sein, welche Art(en) von Wasserstoff – aus erneuerbaren Energien (grün), aus fossilem Gas (grau/blau) und aus Atomenergie (violett) – gefördert werden soll(en). Euractiv liegt ein Entwurf über Schlussfolgerungen zum Wasserstoffmarkt vor, die die EU-Energieminister*innen unter deutschem Ratsvorsitz auf ihrer Sitzung am 14. Dezember verabschieden wollen. Im Text werde die Vorrangstellung für grünen Wasserstoff erheblich geschwächt – zugunsten von blauem und violettem Wasserstoff. Im Rat formieren sich laut Euractiv anscheinend zwei Lager: Finnland, Frankreich, die Niederlande, Polen, Rumänien, Tschechien und Ungarn als Befürworter von Blau und Violett auf der einen Seite; Dänemark, Irland, Lettland, Luxemburg, Österreich, Portugal und Spanien als Verfechter von Grün auf der anderen Seite.
Eine anonyme Quelle erklärte Euractiv gegenüber, dass im gesamten Text die Worte 'sicherer und nachhaltiger Wasserstoff' hinzugefügt worden seien, dieser Ausdruck jedoch nicht definiert sei und somit die Tür für Subventionen für Wasserstoff aus Atom- und Gasenergie öffne, anstatt sich ausschließlich auf erneuerbare Energien zu konzentrieren.

Euractiv: Renewable or ‘low-carbon’? EU countries face off over hydrogen

Euractiv: EU Commission backs global hydrogen market with euro as its key currency

Wenn Sie es bis hierhin geschafft haben, gibt's viel Applaus und quasi zwei Bonustracks:

Eine Sonderausgabe des Production Gap Report, erstellt und herausgebracht von mehreren Forschungseinrichtungen und der UN, zeigt auf, dass die internationale Staatengemeinschaft die Produktion fossiler Brennstoffe zwischen 2020 und 2030 um etwa 6 Prozent pro Jahr senken muss, um einen Weg zu verfolgen, der mit dem 1,5-Grad-Ziel vereinbar ist.

Das Buildings Performance Institute Europe (BPIE) hat eine neue Analyse zu den notwendigen Treibhausgaseinsparungen des Gebäudesektors veröffentlicht, um ein höheres EU-Klimaziel 2030 zu erreichen. Erforderlich seien ein schneller Umbau des Sektors und der Wertschöpfungskette sowie eine jährliche Sanierungsrate von mindestens 3 Prozent.

Ihre Redakteurin Ann Wehmeyer

Das könnte Sie interessieren

Weckerzifferblatt am wolkenverhangenen Himmel
EU-News | 15.03.2024

#Klima und Energie

Studie zu Klimarisiken: Aufwachen, Europa!

Die EU muss zügig und drastisch handeln, um Klimarisiken abzuwehren, zeigt eine Studie der Europäischen Umweltagentur. Umweltorganisationen kritisieren die mangelnde Ambition der EU-Kommission in diesem Punkt. ...