Menü
Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzorganisationen
Startseite
Aktuelles & Termine
Aktuelles & EU-News
Mit Wasserstoff und vernetzten Energiesystemen in klimaneutrale Zukunft?
EU-News | 08.07.2020
#Klima und Energie

Mit Wasserstoff und vernetzten Energiesystemen in klimaneutrale Zukunft?

water-4379831_1280_c.mohamed_Hassan_Pixabay
c. Mohamed Hassan | Pixabay

Am Mittwoch hat die EU-Kommission die Wasserstoffstrategie sowie die Strategie zur Integration des Energiesystems vorgestellt. Klima- und Umweltschützer*innen pochen auf Wasserstoff, der mit erneuerbaren Energien erzeugt wird.

Sektoren energieeffizient vernetzen

Mit der Strategie zur Integration des Energiesystems strebt die EU-Kommission an, Energieträger, Infrastrukturen und Sektoren – Industrie, Verkehr, Gebäude – enger miteinander zu verzahnen, um die Energiewende kosteneffizienter zu machen. Die Strategie fußt laut Kommission auf drei Säulen:

Erstens soll ein stärker „kreislauforientiertes“ Energiesystem etabliert werden, wo die Energieeffizienz im Zentrum steht. Großes Potenzial erkennt die Kommission in der Wiederverwendung von Abwärme aus Industrieanlagen, Rechenzentren oder anderen Quellen sowie in der Energiegewinnung aus Bioabfall oder Kläranlagen. Auch die „Renovierungswelle“, um Gebäude im Wärme- und Kältebereich effizienter zu machen, fällt darunter.

Zweitens sollen sogenannte Endverbrauchssektoren stärkerer direkt elektrifiziert werden. Da der Anteil erneuerbarer Energien im Stromsektor am höchsten ist, soll dieser Strom beispielsweise für Wärmepumpen in Gebäuden, Elektrofahrzeuge im Verkehr oder Elektroöfen in bestimmten Industriezweigen genutzt werden. Ein Netz von einer Million Ladestationen für Elektrofahrzeuge wird neben dem Ausbau der Solar- und Windkraft soll hinzukommen.

Drittens sollen in Sektoren, in denen eine Elektrifizierung schwierig ist, „sauberere Brennstoffe“, zum Beispiel grüner Wasserstoff aus erneuerbaren Energien, nachhaltige Biokraftstoffe und Biogas, genutzt werden. Die Kommission will dafür ein neues Klassifizierungs- und Zertifizierungssystem für erneuerbare und CO2-arme Brennstoffe vorschlagen.

H2 für Bereiche, die nur schwer elektrifiziert werden können

Brüssel ist überzeugt: In einem integrierten Energiesystem kann Wasserstoff die Dekarbonisierung von Industrie, Verkehr, Stromerzeugung und Gebäuden in ganz Europa unterstützen. Insbesondere könne Wasserstoff Sektoren mit Energie versorgen, die nicht für die Elektrifizierung geeignet sind – etwa die energieintensive Stahl- und Zementindustrie, aber auch die Luftfahrt und der Schiffsverkehr – und als Energiespeicher dienen. Die Kommission betont auch, dass grüner Wasserstoff, der mit Wind- und Sonnenenergie erzeugt wird, Vorrang haben soll. Aber: „Kurz- und mittelfristig sind andere Formen CO2-armen Wasserstoffs erforderlich, um die Emissionen rasch zu senken und die Entwicklung eines tragfähigen Marktes zu unterstützen.“

Wasserstoff: ja, aber nur grün!

Für den Deutschen Naturschutzring (DNR) sei der Vorstoß einerseits ein Aufbruchssignal, doch es dürfe nur mit Erneuerbaren erzeugter Wasserstoff gefördert werden. Europa brauche außerdem eine Energieeffizienzrevolution.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) vermisst eine eindeutige Absage an fossile Quellen in der Wasserstoffstrategie und warnt, dass die Gaslobby die Umsetzung nicht diktieren dürfe.

Ein ähnliches Bild ergibt sich auf europäischer Ebene: auch das Climate Action Network (CAN) Europe, das Europäische Umweltbüro (EEB), Transport & Environment (T&E) oder der WWF warnen eindringlich davor, blauen Wasserstoff zu nutzen und damit einen Lock-In-Effekt zugunsten von fossilem Erdgas und der dazugehörigen Gasindustrie zu riskieren. Wasserstoff könne wohl eine Zukunftstechnologie für die Dekarbonisierung darstellen, aber nur, wenn er aus erneuerbaren Energien hergestellt wird.

Projektvorschläge gesucht

Die EU-Kommission bittet um Vorschläge für Energieprojekte, die über den neuen Innovationsfonds der EU gefördert werden können. Im Rahmen dieses ersten Aufrufs steht eine Milliarde Euro zur Verfügung. Mit dem Geld soll die Technologieentwicklung unter anderem in den Bereichen erneuerbare Energien, Energiespeicherung sowie Kohlenstoffabscheidung und –speicherung (CCS) unterstützt werden. Anträge können bis zum 29. Oktober 2020 über das EU-Finanzierungs- und Ausschreibungsportal eingereicht werden.

Hintergrund

Die Wasserstoffstrategie und die Strategie zur Integration des Energiesystems sind wichtige Bestandteile des europäischen Green Deal, den die EU-Kommission im Dezember des vergangenen Jahres präsentiert hatte (EU-News vom 12.12.2019). Der Green Deal ist der zentrale Plan, um Wirtschaft und Gesellschaft sozial gerecht, ökologisch nachhaltig, klimaneutral und resilient zu machen. Für die Umsetzung sollen der Ende Mai vorgestellte Wiederaufbauplan „Next Generation EU“ und der nächste mehrjährige Finanzrahmen 2021-2027 dienen. [aw]

EU-Kommission: Förderung einer klimaneutralen Wirtschaft: Kommission legt Pläne für das Energiesystem der Zukunft und sauberen Wasserstoff vor 

Mitteilung zur EU-Wasserstoffstrategie 

Mitteilung zur EU-Strategie zur Integration des Energiesystems 

EU-Kommission: Aufruf für Projektvorschläge im Rahmen des Innovationsfonds 

DNR: Europäische Wasserstoffstrategie: Nicht grün genug für den Green Deal 

DUH: Europäischer Wasserstoffstrategie fehlt klare Linie für den Klimaschutz 

CAN Europe: A carbon-neutral Europe should have fossil-free foundations 

EEB: Europe’s hydrogen strategy “a gift to fossil fuel companies” – NGO response 

T&E: EU is right to prioritise hydrogen for transport which has no alternatives to decarbonise 

WWF EU: Hydrogen must not be code for gas  

Steckbrief der EU-Koordination zum Green Deal  

Das könnte Sie interessieren

Weckerzifferblatt am wolkenverhangenen Himmel
EU-News | 15.03.2024

#Klima und Energie

Studie zu Klimarisiken: Aufwachen, Europa!

Die EU muss zügig und drastisch handeln, um Klimarisiken abzuwehren, zeigt eine Studie der Europäischen Umweltagentur. Umweltorganisationen kritisieren die mangelnde Ambition der EU-Kommission in diesem Punkt. ...