Fünf Jahre Agenda 2030: EU gibt sich Illusionen hin
Einem Monitoringbericht von NGOs zufolge erzählt die EU nicht die ganze Wahrheit, wenn es um die Beurteilung des Fortschritts bei der Umsetzung der 17 Nachhaltigkeitsziele (SDGs) geht. Auch im Bereich nachhaltiger Finanzen besteht großer Handlungsbedarf.
Eine Illusion von Nachhaltigkeit
Die zivilgesellschaftlichen Netzwerke SDG Watch Europe und Make Europe Sustainable For All haben in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Umweltbüro (EEB) und Solidar am vergangenen Freitag einen alternativen Monitoringbericht über die UN-Nachhaltigkeitsziele als Antwort auf den im Juni erschienenen Bericht der europäischen Statistikbehörde Eurostat herausgegeben (EU-News vom 23.06.2020).
Der Bericht kritisiert, dass die von Eurostat herangezogenen Messindikatoren „zentrale Nachhaltigkeitsherausforderungen“ ignorierten. So nehme kein Indikator globale Lieferketten in den Blick, die in Verbindung mit Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen sowie mit Umweltzerstörung stünden. Ebenso wenig würden negative Spillover-Effekte der EU-Politik im globalen Kontext berücksichtigt, etwa Waffenexporte und Steuervermeidung. Somit gebe sich die EU der Illusion hin, die SDGs würden EU-weit angemessen umgesetzt.
Folglich empfiehlt der Bericht, dass die EU eine neue, übergreifende Strategie für nachhaltige Entwicklung entwickeln müsse. Auf deren Grundlage solle ein inklusiver und transparenter Monitoringprozess etabliert werden. Außerdem solle die EU-Kommission die SDGs im Europäischen Semester verankern, um die EU-Mitgliedstaaten bei der Umsetzung stärker in die Pflicht zu nehmen.
Neue Datenbank für SDG 12
Die Berliner Denkfabrik adelphi hat diese Online-Datenbank im Rahmen eines Vorhabens („Monitoring des SDG 12“) im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) und des Umweltbundesamts (UBA) erstellt. Das Ziel 12, „Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen“, zielt auf die notwendige Veränderung der Lebensstile und Wirtschaftsweise des Globalen Nordens ab. Die Datenbank bezieht sich auf Projekte und Initiativen, die von Akteuren der Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene in Deutschland ebenso wie von NGOs, Wirtschaft und Wissenschaft gesteuert werden.
Nachhaltige Finanzen: Handlungsbedarf bei Unternehmen
Am Montag tauschten sich Vertreter*innen aus Finanzwirtschaft, Industrie, Realwirtschaft, Zivilgesellschaft und Politik über die Finanzierung nachhaltigen Wachstums auf EU- und nationaler Ebene aus. Auf dem Europäischen Gipfel zu nachhaltigen Finanzen (European Sustainable Finance Summit) wurde der erste European Sustainable Finance Survey vorgestellt. Die Umfrage unter den rund 400 größten börsennotierten Unternehmen Europas ergab, dass die im EuroStoxx 50 vertretenen Unternehmen Umsätze aufweisen, die zu rund 20 Prozent relevant für eine EU-weite Taxonomie für nachhaltige Finanzprodukte seien. Aber nur zwei Prozent der aktuellen Umsätze seien tatsächlich konform mit der Taxonomie. Das liege in erster Linie daran, dass die Wirtschaftsaktivitäten der Unternehmen den Klimaschutzanforderungen der noch in Entwicklung befindlichen Taxonomie nicht entsprechen, so der Bericht.
Vor dem Gipfel hatten die Umweltschutzorganisationen BUND, Deutsche Umwelthilfe (DUH), NABU, WWF und Germanwatch sowie der Umweltdachverband Deutscher Naturschutzring (DNR) ein umfangreiches Forderungspapier zu nachhaltigen Finanzen veröffentlicht. Darin fordern sie unter anderem, dass sich eine vollwertige Taxonomie auf alle klima- und umweltrelevanten wirtschaftlichen Aktivitäten erstrecken müsse. Die Taxonomie müsse zudem mit dem im Europäischen Green Deal verankerten Prinzip „do no harm“ verzahnt sein. Das bedeutet, dass neben der Atomkraft auch fossile Energien einschließlich fossilem Gas sowie Abfallverbrennung von der „grünen Liste“ ausgeschlossen werden müssen. Gleiches treffe auf Bioenergie aus Holzresten zu: Dies sei keine nachhaltige Investition und gehöre deshalb nicht auf die „grüne Liste“.
Die EU-Kommission will voraussichtlich noch in diesem Jahr eine Strategie für ein nachhaltiges Finanzwesen im Rahmen des Green Deal veröffentlichen. [aw]
Online-Datenbank zu SDG 12: nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen
Forderungspapier der Verbände: Finanzierung des nachhaltigen Wandels
Neues EU-Berater*innengremium vorgestellt
01.10.2020 - Die EU Kommission hat eine Liste der 50 Mitglieder ihrer neuen Plattform für ein nachhaltiges Finanzwesen veröffentlicht. Die Mitglieder sollen die Kommission dabei unterstützen, technische Evaluierungskriterien zu erarbeiten, um die erste „grüne Liste“ für nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten („Taxonomie“) über sogenannte „delegierte Rechtsakte“ weiterzuentwickeln.
Kommission stellt Beratungsgremium für nachhaltige Finanzen vor