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Vor EU-Sondergipfel: EU-Abgeordnete und NGOs drängen auf „grüne“ Finanzmittel
EU-News | 16.07.2020
#Klima und Energie #EU-Umweltpolitik

Vor EU-Sondergipfel: EU-Abgeordnete und NGOs drängen auf „grüne“ Finanzmittel

Am Freitag und Samstag beraten die EU-Staats- und Regierungschef*innen über EU-Langfrist-Haushalt und Aufbaufonds. Doch werden sie sich einigen? EU-Abgeordnete, Klima- und Umweltschutzorganisationen machen vorab Druck.

30 Prozent für Klimaschutz?

Der Präsident des Europäischen Rates Charles Michel legte am vergangenen Freitag einen neuen, überarbeiteten Vorschlag für den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2021-2027 und den Aufbaufonds Next Generation EU (NGEU) 2021-2024 vor. In dieser neuen Verhandlungsbox (negotiating box) stehen 1.074 Milliarden Euro für die nächsten sieben Jahre – und damit 20 Milliarden weniger, wohl um den „Sparsamen Vier“, Österreich, Schweden, Dänemark und die Niederlande, entgegenzukommen.

Zudem schlägt Michel vor, dass mindestens 30 Prozent der Ausgaben in beiden Instrumenten für Klimaschutz bereitgestellt werden sollen – fünf Prozent mehr, als die EU-Kommission veranschlagt. Beide Instrumente sollen zudem mit dem Ziel der Klimaneutralität 2050 in Einklang stehen und zum Erreichen der „neuen Klimaziele 2030“ beitragen. Als „generelles Prinzip“ sollen alle Ausgaben „konsistent mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens“ sein.

Allerdings gehört die Frage, wie ökologisch nachhaltig MFR und NGEU werden, nicht zu den dicksten Brettern, wie das Nachrichtenportal EurActiv am Mittwoch einen EU-Diplomaten zitierte. Umstritten seien nach wie vor das Volumen des MFR, die Höhe der Anteile, die die EU-Mitgliedstaaten in den MFR einzahlen, und das Verhältnis von Darlehen und Zuschüssen im Aufbaufonds, der insgesamt 750 Milliarden Euro umfassen soll. Auch die Frage nach Konditionalitäten, insbesondere mit Blick auf die Einhaltung von Rechtsstaatlichkeit und demokratischen Grundsätzen, erhitze die Gemüter. Ob am Samstag tatsächlich eine Einigung zustande kommt, ist offen.

Forderungen aus dem EU-Parlament

Wie EurActiv zudem berichtete, fordern EU-Abgeordnete verschiedener Fraktionen in einem Brief an Charles Michel, den Aufbaufonds mit den Klimazielen der EU zu verbinden. EU-Mitgliedstaaten dürften nur dann finanzielle Unterstützung erhalten, wenn sie Klimaneutralität verfolgen und das „Do-no-harm“-Prinzip achteten.

Am Mittwoch wies das Parlament in einer Pressemitteilung erneut darauf hin, dass die EU für den nächsten EU-Haushalt neue Einnahmequellen erschließen müsse. Das Parlament schlägt neue Einnahmen in Form von Umwelt- und Finanzabgaben vor. Dazu zählen eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage, eine Digitalsteuer, eine Finanztransaktionssteuer, Einnahmen aus dem Emissionshandelssystem, eine Abgabe auf Grundlage nicht recycelter Plastikverpackungsabfälle sowie ein CO2-Grenzausgleichssystem.

Außerdem sollen nach dem Willen des Parlaments alle Haushaltsrabatte und -korrekturen abgeschafft werden, von denen nur einige wenige EU-Länder profitierten.

Einer aktuellen Umfrage im Auftrag des Parlaments zufolge sind 56 Prozent der Befragten der Meinung, dass die EU für die Bewältigung der Corona-Krise mehr Geld braucht. Damit sollten vor allem die pandemiebedingten Folgen im Gesundheitswesen und in der Wirtschaft abgefedert werden.

Forderungen von Umwelt- und Klimaschutzorganisationen

Die Green 10, der Zusammenschluss der zehn größten Umweltschutzorganisationen auf EU-Ebene, wandten sich bereits vergangene Woche mit einem Brief an Politiker*innen von EU-Parlament, EU-Kommission und Rat der EU. Darin rufen sie dazu auf, den Wiederaufbaufonds an Umwelt- Klimaschutz auszurichten. Tätigkeiten, die Klimawandel und Umweltzerstörung befeuerten, müssten kategorisch von Fördertöpfen ausgeschlossen werden.

Post erhielt der Europäische Rat auch vom europäischen Büro des WWF. Die Umweltschutzorganisation plädiert dafür, dass mindestens 50 Prozent der EU-Finanzmittel ab 2021 für Umwelt- und Klimaschutz reserviert werden. Das „Do-no-harm“-Prinzip müsse sich im Haushalt widerspiegeln. Um dies zu garantieren, solle sich die EU an den Kriterien für nachhaltige Finanzen orientieren. Drittens sollen die Aufbaupläne der EU-Länder „systematisch den grünen Übergang“ fördern, so der WWF.

Am Donnerstag veröffentlichten das Climate Action Network (CAN) Europe und CEE Bankwatch einen Bericht, der Investitionsvorhaben in Klimaschutzmaßnahmen in 14 EU-Ländern im Rahmen ihrer Nationalen Energie- und Klimapläne (NECPs) untersucht hat. Ergebnis: Ausgaben für erneuerbare Energien und Energieeffizienz hätten das größte Potenzial, für eine ökologisch nachhaltige und resiliente Wirtschaft und Gesellschaft zu sorgen. Darum drängen beide Organisationen darauf, sowohl MFR als auch NGEU maßgeblich an den EU-Klimazielen auszurichten.

Das CEE Bankwatch Netzwerk brachte außerdem ein Handbuch heraus, das sich mit der Frage der Finanzierung des Europäischen Green Deals in Bezug auf den MFR befasst. Die EU-Regionalfonds und der Fonds für einen gerechten Übergang werden dafür als zentrale Instrumente betrachtet.

Nächste Schritte

Ob dieser Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschef*innen den Durchbruch in den festgefahrenen Haushaltsverhandlungen bringt, ist unsicher. Der nächste reguläre Europäische Rat ist für den 15. und 16. Oktober geplant. Zeit ist also knapp, wenn am 01. Januar 2021 ein neuer MFR in Kraft treten soll, zumal das EU-Parlament dem Haushaltsentwurf zustimmen muss. [aw]

Europäischer Rat: President Charles Michel presents his proposal for the MFF and the recovery package 

Alle Informationen rund um die Sondertagung des Europäischen Rates, 17./18. Juli 2020 mit Link zum Livestream 

EurActiv: Green budget rules won’t be the hottest potato at EU summit talks 

EurActiv: MEPs raise the pressure on EU recovery green spending rules 

EU-Parlament: EU-Haushalt: Parlament drängt auf neue Einnahmequellen 

EU-Parlament: Umfrage: Für die Bewältigung der Krise braucht die EU mehr Geld 

WWF EU: WWF urges EU leaders: climate spending up, polluters out on green recovery 

Green 10: G10 Letter to EU Lawmakers: Guaranteeing a Green Recovery across Europe in Next Generation EU 

CEE Bankwatch: Financing the European Green Deal – A guide to making EU climate funds work for the people 

CAN Europe, CEE Bankwatch: New report calls on Member States to steer EU regional and recovery funding towards climate neutrality 

Face the Climate Emergency

Offener Brief mit Forderungen an EU- und internationale Spitzenpolitiker*innen, initiiert von Klimaaktivistin Greta Thunberg. Wer mitzeichnen möchte, kann dies hier tun:

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