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Europas Meere in bedauernswertem Zustand
EU-News | 25.06.2020
#Wasser und Meere #Landwirtschaft und Gentechnik

Europas Meere in bedauernswertem Zustand

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c. Pixabay

Die Europäische Umweltagentur (EEA) hat einen aufrüttelnden Bericht über die Meere Europas veröffentlicht. Und die EU-Kommission stellt "mit Bedauern" fest, dass die Mitgliedstaaten den gesetzlich vorgeschriebenen guten Zustand in allen Meeresgewässern 2020 nicht erreichen werden. Der WWF fordert eine bessere Kontrolle der Fischereiaktivitäten und wenn es nach dem niedersächsischen Umweltminister Olaf Lies geht, fahren Containerschiffe in Zukunft möglichst weit weg von der Küste.

Europas Meere stehen vor einer ungewissen Zukunft, wenn nicht sofort aufeinander abgestimmte Maßnahmen ergriffen werden - das ist der Tenor des am heutigen Donnerstag veröffentlichten Berichtes der Europäischen Umweltagentur (EEA). Die Zeit drängt, denn ansonsten könnte der Prozess der Zerstörung und Überfischung kaum noch aufgehalten werden.

Die historische und gegenwärtige Nutzung unserer Meere - von der Ostsee bis zum Mittelmeer - fordere ihren Tribut und führe zu Veränderungen in der Zusammensetzung der Meeresarten und -lebensräume bis hin zu Veränderungen in der allgemeinen physikalischen und chemischen Zusammensetzung der Meere, heißt es in dem Meeresbotschaften-Bericht ("Marine Messages II"). Zu diesen ohnehin schon komplexen Problemen komme der Klimawandel hinzu, der die Auswirkungen der anderen Bedrohungen noch verschärfe. Die kombinierten Auswirkungen könnten die Meeresökosysteme irreversibel schädigen. Es gebe jedoch Anzeichen für eine Erholung der Lebensräume in einigen Gebieten: als Ergebnis erheblicher, oft jahrzehntelanger Bemühungen, bestimmte - durch Schadstoffe, Eutrophierung und Überfischung verursachte - Auswirkungen zu verringern, so der Bericht.

Der EEA-Exekutivdirektor Hans Bruyninckx warnte: „Unsere Meere und Meeresökosysteme leiden unter der jahrelangen dramatischen Überfischung und Vernachlässigung. Bald könnten die Schäden unumkehrbar sein. Wie unser Bericht jedoch bestätigt, haben wir noch die Chance, unsere Meeresökosysteme wiederherzustellen, wenn wir entschlossen und kohärent handeln und ein nachhaltiges Gleichgewicht zwischen der Nutzung der Meere und den Auswirkungen auf die Meeresumwelt erreichen. In diesem Zusammenhang müssen die neue EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 und andere Elemente des europäischen Grünen Deals die Grundlage für sofortige und konsequente Maßnahmen zum Schutz und zur Wiederherstellung bilden.“

Die EU-Kommission hat parallel ihren wenig erfreulichen Bericht zur Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MS-RL) veröffentlicht. Kurz und knapp: "Europa muss seine Meere und Ozeane besser schützen". Zwar gehöre der EU-Rechtsrahmen zum Schutz der Meere zu den umfassendsten und ehrgeizigsten der Welt, so die EU-Kommission. Aber übermäßige Nährstoffbelastung, Unterwasserlärm, Kunststoffabfälle und nicht nachhaltige Fischereimethoden gefährdeten die Meeresumwelt weiterhin. EU-Kommissar Virginijus Sinkevičius‚ zuständig für Umwelt, Meere und Fischerei, sagte: "Ich stelle mit Bedauern fest, dass die EU-Mitgliedstaaten den gesetzlich vorgeschriebenen guten Umweltzustand in allen ihren Meeresgewässern bis 2020 nicht erreichen werden, und dass für manche Meeresregionen noch große Anstrengungen notwendig sind." Er kündigte eine Überprüfung der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie an, um ihre Erfolge und Schwachstellen herauszuarbeiten.

Fast die Hälfte der europäischen Küstengewässer sei von starker Eutrophierung betroffen, ist im Bericht der EU-Kommission zu lesen. Die EU-Vorschriften über Chemikalien hätten zwar zu einer Verringerung von Schadstoffen geführt, dafür sei bei den meisten Meeresarten jedoch eine Zunahme von Kunststoffresten und chemischen Kunststoffrückständen festgestellt worden. Während einige Arten sich langsam wieder erholten, habe sich die Lage bei anderen Arten extrem verschlechtert. Der Druck durch die Fischerei habe im Nordostatlantik und der Ostsee abgenommen, doch der Meeresboden an der Küste sei in ganz Europa immer noch erheblichen physischen Störungen ausgesetzt.

Ein neuer Bericht des WWF zeigt derweil, dass illegale Fischereipraktiken die grenzüberschreitende Sicherheit untergraben, indem sie Ressourcen, die aufgrund der Klima- und Naturkrisen bereits begrenzt sind, noch knapper machen. Die EU müsse die wichtigsten Mängel in der globalen Fischereiindustrie und vor allem illegale, nicht gemeldete und unregulierte Fischereitätigkeiten (IUU-Fischerei) angehen. Diese gefährdeten die Erholung und Widerstandsfähigkeit vieler der weltweit wichtigen Fischbestände und bedrohten die Ernährungssicherheit der Küstengemeinden. Weltweit stammt schätzungsweise jeder sechste Fisch auf unseren Tellern aus illegaler, nicht gemeldeter, unregulierter (IUU)-Fischerei. Der WWF fordert die EU auf, ihre derzeit in Überarbeitnug befindliche Fischereiaufsichtsverordnung entsprechend zu ändern, damit eine bessere Rückverfolgbarkeit von Fischen und Meeresfrüchten gewährleistet ist.

In Niedersachsen forderte Umweltminister Olaf Lies den bundesdeutschen Verkehrsminister Andreas Scheuer zum Handeln auf: "Containerschiffe müssen weg von der Nordseeküste!". Hintergrund ist der Abschlussbericht zur Havarie der MCS Zoe, die am 2. Januar 2019 nahe Borkum in Seenot geriet und 342 Container verlor, die teils bis heute nicht geborgen werden konnten. Das Abschlussgutachten der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) konnte keine eindeutige Einzelursache für die Havarie benennen, allerdings seien Warnmeldungen für die Beladung nicht beachtet worden. Lies forderte: "Es muss überprüft werden, ob die Containerriesen, die heute doppelt so groß sind wie noch vor 15 Jahren, ganz anders gebaut werden müssen." Neue Schiffe zu bauen dauere aber Jahre. "Und so viel Zeit haben wir nicht. Wir müssen jetzt unsere Küsten bestmöglich schützen und brauchen im Havariefall ausreichend Zeit, um reagieren zu können. Darum: Containerschiffe müssen möglichst weit weg von der Nordseeküste gelotst werden – und dafür muss der Bund sorgen", so Lies.

Im Januar starteten über 100 Nichtregierungorganisationen mit ihrem "Blauen Manifest" einen Rettungsplan für die Meere (EU-News 28.01.2020). Und im März hatte ein breites Bündnis von Umwelt- und Meeresschutzorganisationen eine Meeresoffensive 2020 gefordert (EU-News 16.03.2020). [jg]

EEA-Report Marine Messages II

Pressemitteilung der EU-Kommission

Bericht über die Implementierung der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie [COM(2020)259 final]

WWF-Pressemitteilung zu IUU-Bericht

Pressemitteilung Niedersächsisches Umweltministerium

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