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Informelle Einigung beim EU-Fördertopf für Meere und Fischerei
EU-News | 07.12.2020
#Wasser und Meere #EU-Umweltpolitik

Informelle Einigung beim EU-Fördertopf für Meere und Fischerei

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c. pixabay

Der EMFF heißt künftig EMFAF - es geht um den maritimen EU-Fördermitteltopf, genauer den Europäischen Meeres-, Fischerei- und Aquakulturfonds (EMFAF). Rat der EU und EU-Parlament haben am 4. Dezember eine informelle Einigung erreicht. Die Meeresschutzorganisation Seas At Risk warnt, dass diese im Widerspruch zur Biodiversitätsstrategie und dem Europäischen Green Deal stehe. Über 130 Wissenschaftler*innen forderten ein Ende umweltschädlicher und zu Überfischung führender Subventionen.

Informelle Einigung zum EMFAF in trockenen Tüchern

Der Text über die 6,108 Milliarden Euro umfassenden Haushaltsmittel, die zwischen 2021 und 2027 zur Verfügung stehen sollen, muss noch rechtlich geprüft und nach seiner Billigung formal von Parlament und Rat angenommen werden. Aber die informelle Einigung steht. In Kraft treten soll der neue EMFAF ab dem 1. Januar 2021.

Der neue EMFAF soll nach Angaben des Rates insbesondere zur Unterstützung der kleinen Küstenfischerei und von Schiffen mit einer Länge von bis zu 24 Metern sowie zur Förderung der Aquakultur eingesetzt werden. Der ausgehandelte Text ziele auch darauf ab, die Prozesse zur Freigabe der Gelder zu vereinfachen sowie die damit zu erzielenden Ergebnisse zu verbessern. Beispielsweise sollen die energieeffiziente Modernisierung von Maschinen, das erste Schiff junger Fischer*innen sowie die europäische Aquakultur gefördert werden. Die EU übernimmt per Kofinanzierung 70 Prozent der Kosten, die nationale Förderung soll den Rest stemmen.

Das EU-Parlament betonte, dass die Finanzierung nicht zu einer Erhöhung der Fangkapazitäten führen dürfe und zur Bekämpfung der illegalen, nicht gemeldeten und unregulierten Fischerei (IUU) beitragen müsse. 5,3 Milliarden Euro würden für die Bewirtschaftung der Meere und Aquakulturen bereitgestellt, während der verbleibende Betrag Maßnahmen wie wissenschaftliche Beratung, Kontrollen und Überwachung, Marktinformationen, Meeresüberwachung und Sicherheit umfassten. Die Mitgliedstaaten müssten mindestens 15 Prozent des Geldes für eine effiziente Fischereikontrolle und -durchsetzung ausgeben, einschließlich der Bekämpfung der IUU-Fischerei. Im Einklang mit dem Green Deal sollen die EMFAF-Maßnahmen zum Gesamtbudgetziel beitragen, 30 Prozent der Mittel für den Klimaschutz bereitzustellen, so das EU-Parlament.

Der zuständige EU-Kommissar Virginijus Sinkevičius begrüßte die Einigung: „Wir haben dafür gesorgt, dass keine Subventionen auf EU-Ebene schädliche Auswirkungen riskieren, die zu Überfischung und Überkapazität führen könnten. Das war der Kommission wichtig. Dieses Abkommen sendet auch ein starkes Signal für die laufenden Verhandlungen über Fischereisubventionen auf WTO-Ebene.“

Reaktionen: "dramatischer Rückschritt", "nicht komaptibel mit globalen Zielen"

"Das ausgehandelte EMFF-Budget läuft der Biodiversitätsstrategie der EU und den WTO-Verhandlungen zuwider", kritisierte die Meeresschutzorganisation Seas At Risk. Die Vereinbarung für den künftigen EMFAF stehe im Widerspruch zu den grünen Versprechungen des europäischen Green Deal und der Biodiversitätsstrategie, sagte Andrea Ripol, Referentin für Fischereipolitik bei Seas At Risk. "Das ausgehandelte Budget stellt einen dramatischen Rückschritt dar. Zu einer Zeit, in der die Welthandelsorganisation (WTO) über ein globales Ende schädlicher Subventionen verhandelt, führt die EU solche Subventionen wieder ein, die unweigerlich den Druck auf die Fischbestände und die marinen Ökosysteme erhöhen werden", so Ripol. Die EU verpasse damit auch die Gelegenheit, endlich mehr Mittel für den Schutz der Ozeane bereitzustellen. Dieses Abkommen werde die Gesundheit der EU-Meere weiter untergraben. Seas At Risk fordert die EU-Institutionen auf, den EMFAF in dieser Form abzulehnen.

Über 130 Wissenschaftler*innen hatten sich im Vorfeld an die EU-Regierungen gewandt, um umweltschädliche Subventionen generell aus dem EMFF bzw. EMFAF auszuschließen - darauf wies die Naturschutzorganisation BirdLife hin. Die Entscheidung darüber, wie die EMFAF-Mittel ausgegeben werden sollen, werde die Position der EU bei der Aushandlung eines globalen Abkommens zur Abschaffung schädlicher Fischereisubventionen in der Welthandelsorganisation (WTO) beeinflussen, so BirdLife. Wenn die EU schädliche Subventionen nicht aus dem EMFAF streiche, werde es nicht zu einer Einigung in der WTO kommen, die mit den Zielen für Nachhaltige Entwicklung (SDGs) übereinstimmten, warnte die Organisation. Meeresschutzexpertin Bruna Campos von Birdlife Europe sagte: "Die Wissenschaft ist laut und deutlich, wir können so nicht weitermachen." Der Rest der Welt sei bereit, die Subventionierung von natruzerstörerischen Praktiken zu beenden, und eine Zeit lang habe die EU bei dieser Vision an vorderster Front gestanden. "Wenn die Staats- und Regierungschefs der EU auch nur erwägen, dieses Subventionsmodell zu Hause fortzusetzen, weichen sie nicht nur zwei Schritte zurück, sondern erklären effektiv, dass sie kein Interesse am Schutz des Ozeans haben, der uns allen dient", kritisierte Campos.

Über den maritimen Fördermitteltopf wird schon das ganze Jahr über diskutiert (EU-News 19.11.2020, EU-News 11.03.2020, 30.06.2020, 24.09.2020). Einer der Knackpunkte sind die umweltschädlichen Subventionen. Während die EU-Institutionen glauben, diese ausgeschlossen zu haben, sind Umweltorganisationen weiter skeptisch. Der Vorgängerfonds EMFF umfasste 6,4 Milliarden Euro für den Zeitraum 2014-2020. [jg]

Pressemitteilung EU-Rat: Informelle Einigung über den Europäischen Meeres- und Fischereifonds für den Zeitraum 2021-2027

Pressemitteilung EU-Parlament: 6.1 billion EUR for sustainable fisheries and safeguarding fishing communities

Reaktion EU-Kommission: Kommissar Sinkevičius begrüßt Einigung über neuen Fischereifonds

Reaktion Seas At Risk: The negotiated EMFF budget runs counter to EU biodiversity strategy and WTO negotiations

Pressemitteilung BirdLife Europe: Over 130 scientists to the EU: Stop funding overfishing

Handbuch: nachhaltige Fischereigrenzen

Wie sind die Grenzen für nachhaltige Fischerei aus wissenschaftlicher und rechtlicher Sicht? ClientEarth hat ein Handbuch für Entscheidungsträger*innen vorgelegt. Jeden Winter legt der EU-Fischereirat die Fangquoten für das kommende Jahr fest - eine Entscheidung, die für die Gewährleistung eines nachhaltigen Fischereimanagements entscheidend ist. Aber trotz der gesetzlichen Frist der EU, die Überfischung bis 2020 zu beenden und die Fischbestände wieder auf ein gesundes und produktives Niveau zu bringen, werden viele Quoten höher als die Empfehlungen der Wissenschaft gesetzt. Ergebnis: Viele Fischbestände sind nach wie vor überfischt. Wie können wir also unseren Weg zu nachhaltigen Grenzen finden? Und warum werden die von Wissenschaft und Recht gesetzten Grenzen so oft nicht eingehalten? Weiterlesen

Fragen & Antworten zu IUU

Die EU-Kommission hat eine Reihe von Fragen zu illegaler, unregulierter und ungemeldeter Fischerei (IUU-Fischerei) beantwortet. Es geht um die Bekämpfung von Aktivitäten, die die EU-Regeln für eine möglichst nachhaltige Fischerei unterlaufen. Die zugehörige Verordnung trat 2010 in Kraft. Nur als legal eingestufte Meeresfrüchte und Fischereiprodukte können in die EU eingeführt oder aus der EU ausgeführt werden. Es gibt eine Liste von IUU-Schiffen und diverse Maßnahmen und Vorwarnstufen. Anfang Dezember hat die EU-Kommission beispielsweise die offizielle Verwarnung ("gelbe Karte") gegen Kiribati zurückgezogen (IP/20/2289). Hätte Kiribati keine Maßnahmen gegen IUU-Fischerei ergriffen, wäre der nächste Schritt eine schwarze Liste gewesen. Questions & Answers - IUU

DUH kritisiert Intransparenz bei Aquakultur

Im Ernst: Wildfisch als Futter für Zuchtfisch?!

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat "versteckte Überfischung" bei der Produktion von Zuchtlachs, Garnelen und anderen Fischereierzeugnissen kritisiert. Fischzucht trage zur weltweiten Überfischung bei, weil jeder sechste Wildfisch für Aquakultur-Futtermittel gefangen wird. Ein Test der DUH zeigte massive Mängel und fehlende Transparenz: Aldi, Lidl, Metro und weitere Unternehmen hätten keine konkreten zeitlichen Ziele, um Wildfisch als Futtermittel aus Aquakultur-Lieferketten auszuschließen. Die Organisation fordert, dass Aquakultur durch den Einsatz pflanzlicher Futtermittel, die Fischöl und -mehl ersetzen, sowie durch Zucht anderer Fischarten nachhaltiger werden muss. Verbraucher*innen könnten nicht erkennen, ob sie mit ihrem Einkauf zur Überfischung der Meere beitragen, wenn sie zu Fischprodukten aus Aquakultur greifen. Weiterlesen

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