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Meeresschutz: EU-Staaten untätig?
EU-News | 03.12.2020
#Wasser und Meere #Landwirtschaft und Gentechnik

Meeresschutz: EU-Staaten untätig?

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c. Pixabay

Die Meeresschutzorganisation Oceana beklagt eine ungenügende Umsetzung der EU-Mittelmeer-Fischereiverordnung, eindeutige Verstöße und eine mangelhafte Durchsetzung durch die EU-Kommission. Besonders Italien habe ungehindert Grundschleppnetzfischerei betrieben. Ein Bündnis von Meeresschutzorganisationen warnt zum wiederholten Mal vor dem tausendfachen Tod von Delfinen als Beifang französischer und spanischer Fischereiflotten im Golf von Biskaya in der Wintersaison.

Oceana: Grundschleppnetzverbot ausdehnen, kontrollieren und Schutzgebiete wirklich schützen

Nach dem verheerenden Audit des Europäischen Rechnungshofes zur EU-Meerespolitik (EU-News 26.11.2020, siehe auch Marginalspalte) hat Oceana eine umfassende Überprüfung der EU-Mittelmeer-Fischereiverordnung (1967/2006) vorgelegt. Das Ergebnis: eine insgesamt schwache Umsetzung, eindeutige Verstöße der EU-Mitgliedstaaten und eine mangelhafte Durchsetzung durch die Europäische Kommission.

Die Ocena-Analyse konzentrierte sich besonders auf den Schutz der Lebensräume von Seegras, Korallen und Kalkalgenbänken. Insgesamt gab es allein im Jahr 2019 rund 7.600 Stunden Schleppnetzfischerei in diesen Lebensräumen, wobei Italien zwei Drittel davon zu verantworten hat, gefolgt von Malta. Die Daten, auf die Oceana zugriff, zeigten auch, dass trotz der gesetzlichen Bestimmungen nur sehr wenige Fischereischutzgebiete (FPAs) eingerichtet wurden. Und selbst wenn es Fischereischutzgebiete gibt, werde dort illegalerweise Schleppnetzfischerei betrieben. Die Organisation fordert eine Ausweitung des Schleppnetzverbotes und besonders in den Küstengebieten großflächige schleppnetzfreie Gebiete, die sowohl dem Naturschutz als auch kleinen Fischereibetrieben und der Klimaresilienz zugute kommen würden.

Das Mittelmeer gilt als das am stärksten überfischte Meer der Welt. "Wir empfehlen, das aktuelle Schleppnetzverbot von der derzeitigen 3 nm/50 m-Isobathe (die 77,6 Prozent der Lebensräume schützt) auf 10 nm/150-Isobathe auszudehnen, was fast die Gesamtheit dieser Lebensräume schützen würde. Wir fordern die Europäische Kommission außerdem auf, die Wirksamkeit der FPAs zu bewerten und rechtliche Schritte gegen EU-Mitgliedstaaten einzuleiten, die keine FPAs ausgewiesen haben oder die es versäumen, die Managementregeln innerhalb der FPAs durchzusetzen", so Oceana.

Protest gegen in Kauf genommenen Delfintod

Zu Beginn der Saison am 1. Dezember haben Meeresumweltorganisationen ihre Bestürzung über die anhaltende Untätigkeit der Europäischen Kommission, Frankreichs und Spaniens angesichts des zu erwarteten Todes von Tausenden von Delfinen in Fischernetzen im Golf von Biskaya in diesem Winter zum Ausdruck gebracht. Schon Ende Oktober hatten sich die Verbände an die EU-Kommission gewandt (EU-News 30.10.2020) und einen vorübergehenden Stopp der Fischerei vom 01.12.2020 bis 31.03.2021 gefordert. Trotz einer Mahnung der EU-kommission an Frankreich und Spanien sei nichts weiter geschehen, kritisierten ClientEarth, Seas At Risk, Whale and Dolphin Conservation, France Nature Environnement, International Fund for Animal Welfare, WWF, Ecologistas en Acción und Sea Shepherd France. Nun müsse die EU-Kommission Notfallmaßnahmen einleiten, die Fischereien schließen und den Betrieben Entschädigungen zukommen lassen.

Im Golf von Biskaya sterben jedes Jahr Tausende von Gewöhnlichen Delfinen (Delphinus delphis) an den Folgen des Beifangs. Allein im Winter 2018-2019 wurden schätzungsweise 11.300 Delfine in Fischernetzen getötet.

Eine Online-Petition an EU-Umweltkomissar Virginijus Sinkevičius wurde bereits von über 300.000 EU-Bürger*innen unterschrieben. [jg]

Pressemitteilung Oceana: weak implementation of EU Mediterranean fisheries law leaves sensitive habitats unprotected

Pressemitteilung Seas At Risk: Thousands of dolphin deaths likely in Spain and France as EU fails to act

Kommentar zum Rechnungshofbericht

NABU: "Das Ziel, einen guten Zustand der Meere zu erreichen, wurde 2020 krachend verfehlt."

In seinem jüngsten Sonderbericht zur Meeresumwelt kritisiert der Europäische Rechnungshof (EuRH) verfehlte Meeresschutzziele und fordert von den EU-Mitgliedstaaten mehr Engagement und Finanzmittel für den Schutz mariner Arten und Lebensräume. NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger sagte, dass der EuRH "den Finger in die Wunde" gelegt habe. Die EU habe zwar gute Schutzvorschriften für die Meere, aber die Umsetzung sei mangelhaft. "Das Ziel, einen guten Zustand der Meere zu erreichen, wurde 2020 krachend verfehlt", so Krüger. Der Bericht benenne insbesondere zwei Stellschrauben, deren Relevanz auch der NABU immer wieder betone: Eine bessere, wirkungsvollere Fischereipolitik und der wirksame Schutz in Schutzgebieten. "In der Gemeinsamen Fischereipolitik der EU hat sich besonders Artikel 11 nicht bewährt, mit dem gemeinsame Fischereiregulierungen in Meeresschutzgebieten festgelegt werden. Das Verfahren ist zu kompliziert und zu langwierig. Zu häufig werden Schutzmaßnahmen von einzelnen Staaten blockiert. Aus dem Topf des Europäischen Meeres- und Fischereifonds fließen gerade einmal sechs Prozent in Erhaltungsmaßnahmen. Das ist zu wenig, um die Meere zu retten, die Fischerei zu reformieren und Wiederherstellungsmaßnahmen zu fördern", so Krüger. Der NABU fordert gemeinsam mit seinem Dachverband Birdlife International mindestens 25 Prozent des zukünftigen Meeres- und Fischereifonds für den Naturschutz zu reservieren. Weiterlesen

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