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Landwirtschaft kompakt: Nitratrichtlinie, Trilog-Nachspiel, Agrarsektor fit for 55?
EU-News | 08.07.2021
#Landwirtschaft und Gentechnik #Klima und Energie

Landwirtschaft kompakt: Nitratrichtlinie, Trilog-Nachspiel, Agrarsektor fit for 55?

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Foto: Greenpeace

Die EU-Kommission ist unzufrieden mit der Ausweisung belasteter Gebiete in der deutschen Düngeverordnung. EU-Abgeordnete kritisieren das Verhalten des Rats während der Verhandlungen zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Das Europäische Umweltbüro fordert eine klimakompatible EU-Agrarpolitik.

Post aus Brüssel: Kritik an Düngeverordnung

96 Prozent der überdüngten Gebiete in Deutschland seien im Rahmen der Düngeverordnung (DüV) nicht als belastet gekennzeichnet worden, stellte EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius in seinem Schreiben an Bundesumweltministerin Svenja Schulze und Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner Ende Juni fest. Er sei „nicht sicher“, ob die von der Bundesregierung beschlossenen Methoden „zu einer Ausweisung der Gebiete in der von der Nitratrichtlinie geforderten Weise führen würden“. Entsprechend sei die EU-Kommission „nach wie vor besorgt darüber, dass ein sehr großer Teil der verschmutzten Messstationen weit von den ausgewiesenen Gebieten entfernt ist“, heißt es in dem Schreiben.

Sinkevičius stellte zudem fest, dass verschiedene Bundesländer „die Bestimmungen der DüV nicht korrekt anwenden“, weil sie überdüngte, also eutrophe, Gebiete nicht ausweisen. Um einen erneuten Gang vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) und Strafzahlungen zu vermeiden, solle Deutschland die Ausweisung der belasteten Gebiete „überprüfen“ und Ausnahmen „fundiert“ begründen.

Der EuGH hatte 2018 geurteilt, dass Deutschland seinen Verpflichtungen aus der Nitratrichtlinie nicht nachkommt (EU-News vom 21.06.2018). Anschließend kam es zur Überarbeitung der DüV. Im November 2020 hatte die Bundesregierung durch einen Verwaltungsakt festgelegt, wie besonders mit Nitrat belastete Gebiete („rote Gebiete“) von den Bundesländern ausgewiesen werden sollen. Für diese Gebiete gelten nach der EU-Nitratrichtlinie strengere Düngevorschriften.

In seiner Reaktion auf den Brief aus Brüssel verwies das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) auf die Verantwortung der Bundesländer, die nun „in die Pflicht“ genommen und auf die Kritikpunkte der EU-Kommission reagieren müssten.

Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, forderte die Bundesregierung auf, „unverzüglich [zu] handeln und ein Düngerecht vor[zu]geben, das den Schutz des Wassers, unseres wichtigsten Nahrungsmittels, endlich sicherstellt“.

Auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) kommt in einem Gutachten zu dem Schluss, dass die überarbeitete Düngeverordnung die EU-Vorgaben nicht ausreichend umsetzt. Die weiterhin zu hohe Nitratbelastung des deutschen Grundwassers verursache jedes Jahr Schäden in Höhe von drei Milliarden Euro, erklärt der BDEW und fordert, die Nitratrichtlinie „endlich vollumfänglich“ umzusetzen.

GAP-Trilog: Kritik an Rat reißt nicht ab

Vor knapp zwei Wochen einigten sich die Vertreter*innen von Rat, EU-Parlament und EU-Kommission nach langen und intensiven Verhandlungen auf eine Reform der EU-Agrarsubventionen ab 2023 (siehe EU-News vom 29.06.2021). Verschiedene Abgeordnete des EU-Parlaments kritisierten in den vergangenen Tagen das Verhalten der Mitgliedstaaten während der Verhandlungen.

Eric Andrieu (S&D, Frankreich), Berichterstatter für die Verordnung zur Gemeinsamen Marktorganisation, machte unter anderem die rotierende Ratspräsidentschaft für die sehr schwierigen Verhandlungen verantwortlich. Bei einem solch komplexen Thema seien wechselnde Ratsvorsitzende „nicht möglich“, erklärte Andrieu in einem Interview mit dem Nachrichtenportal Euractiv: Während die EU-Abgeordneten jahrelang an einem Dossier arbeiteten, hätten Vertreter*innen des Rats zu wenig Kenntnis von den Themen gehabt. „Auf diese Weise kann man keinen Kompromiss finden“, so Andrieu. Er wies gegenüber Euractiv darauf hin, dass seine Fraktion das Trilogergebnis im Herbst möglicherweise nicht bestätigen wird, „wenn wir sehen, dass der Kampf für die Umwelt und die Achtung der Artenvielfalt die großen Verlierer sind“.

Seine Fraktionskollegin Maria Noichl (Deutschland) kritisierte während einer Diskussion im Agrarausschuss vergangene Woche, dass der Rat das EU-Parlament weiterhin nicht als gleichberechtigten Gesetzgeber ansehe. „Überhaupt nicht akzeptabel“ sei, dass der Rat sich bereits auf Ebene der Staats- und Regierungschef*innen gegen eine Kappung der Zahlungen ausgesprochen habe. Sie forderte den Vorsitzenden des Agrarausschusses auf, dies dem Rat gegenüber anzusprechen: „Eine Vorfestlegung durch eine High-Level-Entscheidung ist undemokratisch. Das darf nie mehr passieren“, betonte Noichl.

Europäisches Umweltbüro: Agrarpolitik fit für 55 machen

Kommende Woche wird die EU-Kommission mit ihrem "Fit-For-55"-Paket vorstellen, mit welchen Maßnahmen das EU-Klimaziel 2030 erreicht werden soll. Ein vorab öffentlich gewordener Entwurf der überarbeiteten Verordnung über Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF) spiegele die Notwendigkeit, Nicht-CO2-Emissionen aus der Landwirtschaft zu senken, nicht ausreichend wider, erklärte Morgan Reille, Landwirtschaftsreferent beim Europäischen Umweltbüro (EEB) in dieser Woche. Die EU-Kommission gebe der Landwirtschaft einen „weiteren Freifahrtschein“: Indem sie die landwirtschaftlichen Emissionen nicht spezifisch anspreche, könnten die Mitgliedstaaten „kreative Buchführung durch unbewiesene 'Kohlenstoffentfernungs'-Methoden“ betreiben, „anstatt ihre Agrarsektoren wirklich nachhaltig zu machen“, so Reille.

In einem Positionspapier formulierte das EEB Empfehlungen für eine klimafreundliche Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion. Der Übergang zur Agrarökologie biete nicht nur die Möglichkeit, „ Netto-Null-Emissionen in der Landwirtschaft zu erreichen, sondern auch unsere alarmierende Biodiversitätskrise anzugehen“, so das EEB. [km]

DUH: Schreiben EU-Kommission an Deutschland zur Umsetzung der Dünge-Verordnung von 24. Juni 2021

DUH: EU-Kommission fordert Nachbesserung der Düngeverordnung: Erneute Klatsche für jahrelange Versäumnisse der Bundesregierung beim Schutz des Grundwassers

BMEL: Presseinformation zum Schreiben von EU-Umweltkommissar Sinkevičius an BMU und BMEL zur Umsetzung der Nitratrichtlinie

BDEW: Überdüngung verursacht Umweltkosten in Milliardenhöhe

Euractiv: MEP: Parliament and Council haven’t listened to each other in CAP talks

AGRI: Webstreaming der Sitzung vom 1. Juli

EEB: Get ‘Fit for 55’ with Agriculture

Hintergrund: DNR-Steckbrief zum LULUCF-Sektor 

Abgeordnete gegen Gen-Soja und -Mais

Auf ihrer Plenarsitzung haben die Abgeordneten des EU-Parlaments sich in dieser Woche gegen die Einfuhrgenehmigung verschiedener gentechnisch veränderter Soja- und Maispflanzen ausgesprochen. Sie kritisierten zum wiederholten Male den Genehmigungsprozess der EU-Kommission, die Importgenehmigungen ohne die Zustimmung einer qualifizierten Mehrheit der Mitgliedstaaten zu erteilen und ihre Kompetenzen damit zu überschreiten. Die Resolutionen des EU-Parlaments sind rechtlich nicht bindend.

Einwände des EU-Parlaments (Punkte 83-86)

Studienvorstellung: Pestizidexporte in Drittstaaten

Am 27. April stellen das Pestizid Aktionsnetzwerk Germany (PAN Germany) und weitere Organisationen die Studie "Doppelstandards und Ackergifte von Bayer und BASF: Ein Blick hinter die Kulissen des internationalen Handels mit Pestizidwirkstoffen" vor. Anschließend laden sie zur Diskussion ein. Die Studie untersucht, wie europäische Firmen Wirkstoffe ins Ausland exportieren, die aufgrund ihrer schädlichen Auswirkungen in der EU verboten sind.

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