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Anti-Entwaldung, Renaturierung und weitere Naturschutzthemen
EU-News | 11.11.2021
#Landwirtschaft und Gentechnik #Klima und Energie #Wald #Biodiversität und Naturschutz

Anti-Entwaldung, Renaturierung und weitere Naturschutzthemen

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c. pixabay/geralt

Trübes Licht fällt bei näherer Betrachtung auf geplante EU-Gesetze. Jedenfalls empfinden das zahlreiche Organisationen so, die eine Verwässerung des Anti-Entwaldungsgesetzes fürchten. EU-Abgeordnete aus allen Parteien setzen sich in einem offenen Brief gegen schwache Vorgaben bei der Renaturierung ein. Außerdem: Good und Bad News im europäischen Naturschutz.

#Together4Forests: Geplantes Anti-Entwaldungsgesetz der EU darf nicht schwächeln

Mehr als 56 Organisationen der #Together4Forests-Kampagne haben die EU-Kommission aufgefordert, das für den 17. November geplante EU-Gesetz zur Verminderung der Entwaldung bei importierten Produkten nicht zu verwässern. Der Lobbydruck ist groß (EU-News 04.11.2021, 23.09.2021 und 16.09.2021) es gibt Vorschläge, mehr Ausnahmen von der Sorgfaltspflicht für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zu ermöglichen, viel weniger strenge Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit von Produkten bis zu ihrem Produktionsort oder eine abgeschwächte Definition dessen, was eine „Waldschädigung“ ist, einzuführen. Auch Zertifizierungssysteme könnten geschwächt werden. Sollten diese Änderungen in den Vorschlag aufgenommen werden, würde das die Potenziale der EU, den Klimawandel und den Verlust der biologischen Vielfalt zu bekämpfen, „drastisch beeinträchtigen“, befürchten die Nichtregierungsorganisationen.

Die für Waldpolitik zuständige WWF Europa-Sprecherin Anke Schulmeister-Oldenhove sagte, die EU-Kommission müsse zeigen, dass sie es ernst meint mit dem ökologischen Fußabdruck der EU, „sie muss einen guten Start hinlegen“. Die EU-Kommission müsse die Stimmen von Nichtregierungsorganisationen und 1,1 Millionen EU-Bürger*innen, die sich an der öffentlichen Konsultation vor einem Jahr nachdrücklich für weitreichende Rechtsvorschriften ausgesprochen haben, umsetzen. Das Gesetz müsse von Anfang an so weitreichend wie möglich sein, indem es nicht nur Wälder, sondern auch andere Ökosysteme wie Savannen schützt und alle relevanten Produkte und Waren abdeckt, die mit der Naturzerstörung in Verbindung stehen. „Und natürlich muss dieses Gesetz sicherstellen, dass das, was wir in Europa konsumieren, nicht auf Kosten der Menschenrechte lokaler Gemeinschaften und indigener Völker geht“, so Schulmeister-Oldenhove. Auch das EU-Parlament hatte im Oktober eine starke Vorlage der EU-Kommission gefordert (Tweet mit Verweis auf offenen Brief).

Greenpeace warnte im Vorfeld der Veröffentlichung vor potenziell tiefen Löchern in dem Gesetzesvorschlag. Die EU mit ihren Konsum- und Produktionsmustern sei für 17 Prozent der Abholzung von Tropenwäldern im Zusammenhang mit international gehandelten Waren wie Fleisch, Palmöl oder Soja verantwortlich. Auch die eigenen Wälder der EU litten, da sie zunehmend zersplittert seien und an Artenvielfalt verlören. Die Zerstörung von Ökosystemen zur Erschließung natürlicher Ressourcen, zum Anbau von Feldfrüchten und zum Weiden von Tieren gehe häufig mit der Verletzung der Rechte indigener Völker oder anderen Menschenrechtsverletzungen einher. Im Jahr 2020 habe Global Witness 227 tödliche Angriffe auf Umweltschützer verzeichnet, von denen sich 70 Prozent für den Schutz der Wälder vor der Zerstörung einsetzten. Indigene Völker seien auch mit Gewalt, Landraub, Drohungen und Schikanen konfrontiert, weil sie Naturgebiete vor Ausbeutung schützten. Sini Eräjää, Kampagnenleiterin von Greenpeace EU für Landwirtschaft und Wälder, sagte: „Die Menschen in Europa sollten die Garantie haben, dass nichts in ihrem Einkaufskorb sie an der Naturzerstörung mitschuldig macht. Das neue EU-Gesetz gegen Abholzung muss Unternehmen dazu verpflichten, nachzuweisen, dass ihre Produkte keine Abholzung, Zerstörung von Ökosystemen oder Menschenrechtsverletzungen verursacht haben, wenn sie auf dem EU-Markt verkaufen wollen. Ein Flickenteppich von Gesetzen, der viele Naturgebiete ungeschützt lässt und Schlupflöcher für zerstörerische Industrien bietet, ist nicht gut genug.“

Der auf dem UN-Klimagipfel erfolgte und von der EU unterstützte Beschluss, erst bis 2030 etwas gegen die Entwaldung zu tun, sei jedenfalls nicht genug, kommentierte Greenpeace International. Was den Schutz der Wälder angeht, hat die EU mit der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (RED II) eine weitere Baustelle: Um die Natur und das Klima wirklich zu schützen, müsse die Behandlung der Bioenergie in der RED-II-Richtlinie dringend reformiert werden, forderte die Waldschutzorganisation FERN mit anderen Organisationen.

EU-Abgeordnete fordern zielgerichtete und direkt umsetzbare Ziele im EU-Naturwiederherstellungsgesetz

Weil sie lasche Ziele und eine zu geringe Deckung bei den Lebensräumen befürchten, haben sich parteiübergreifend knapp 30 Mitglieder des Europäischen Parlaments (MdEP) in einem offenen Brief an die EU-Kommission gewandt. Mit dem für den 14. Dezember geplanten EU-Naturwiederherstellungsgesetz sollte die EU-Kommission „substanzielle Vorschläge zur Behebung der Defizite der Vergangenheit“ ausarbeiten, es sei die erste echte Naturschutzgesetzgebung seit mehr als zwei Jahrzehnten. Das Gesetz müsse „zielgerichtet und direkt umsetzbar“ sein sowie Moore, Feuchtgebiete, Wälder, Grünland, Meeres- und Küstengebiete und andere Ökosysteme, die entweder für die Vernetzung von Natura 2000 oder für den Klimaschutz relevant sind, umfassen, forderten die MdEPs. Es brauche scharfe Flächenziele in den genannten Schlüsselökosystemen, 30 Prozent der Landes- und Meeresflächen müssten wiederhergestellt werden – eine alleinige Konzentration auf 10 Prozent von im Anhang aufgeführten Lebensräumen reiche nicht – und die Maßnahmen sollten zusätzlich zu schon vereinbarten Zielen sein. Vor allem müsse es angesichts der Klima- und Biodiversitätskrise schnell gehen mit der Umsetzung, die die EU-Kommission auch kontrollieren müsse.

Good & Bad News: Geld für Grünes Band, alte Wälder in der Slowakei, EU-Gelder-Verschwendung in Ungarn

Die EU-Kommission will vier Jahre lang ein Pilotprojekt am Grünen Band Europa finanzieren und stellt für konkrete Projekte entlang des Grünen Bandes von Finnland bis Albanien und Bulgarien 1,5 Millionen Euro bereit. Es werden Initiativen gefördert, die die biologische Vielfalt am ehemaligen Eisernen Vorhang erhalten und vielversprechende Ansätze zur nachhaltigen Regionalentwicklung umsetzen, berichtet der offizielle Vertragspartner des Projektes, die Organisation EuroNatur. Es könnten Anträge für kleinere Naturschutzprojekte von bis zu 40.000 Euro Fördersumme gestellt werden. „Dieser Impuls des Europäischen Parlaments ist nicht nur sehr erfreulich, er kommt genau zum richtigen Zeitpunkt“, sagte EuroNatur-Geschäftsführer Gabriel Schwaderer. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit werde dadurch gestärkt.

Die slowakische Regierung hat am 3. November ein neues Naturschutzgebiet genehmigt. Die „Old Growth Forests of Slovakia“ soll derzeit gar nicht oder unzureichend geschützte alte Wälder und Naturwälder an 76 Standorten mit einer Fläche von fast 6.500 Hektar umfassen. Die Einrichtung des neuen Schutzgebiets ist das Ergebnis der langjährigen Bemühungen des WWF Slowakei und der slowakischen Organisation OZ Prales.

Der Präsident der Clean Air Action Group hat „die tragischen Folgen der EU-Finanzierung für die Umwelt in Ungarn“ untersucht und fordert einen Stopp der Geldvergabe an das Land. „Um weitere Umweltschäden durch die Verwendung von EU-Geldern zu vermeiden, sollte die Europäische Kommission die Finanzierung an die ungarischen Regierung aussetzen“, schreibt András Lukács in einem Kommentar für die Heinrich-Böll-Stiftung. Investitionen, die größtenteils mit EU-Geldern und von Unternehmen, die sich an EU-Geldern bereichert hätten, finanziert würden, setzten das Balaton-Ökosystem, den größten mitteleuropäischen See, unter enormem Druck. Auch der zweitgrößte natürliche See, der Fertő-tó (Neusiedler See), werde durch Bauprojekte zerstört, ebenso wie der Tata-See, ein Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung im Sinne der Ramsar-Konvention. Dies sei auch ein Zeichen „systemischer Probleme“ der EU-Finanzierung.

WWF et al.: EU deforestation law cannot afford to lower level of ambition sowie der Offene Brief von über 50 Organisationen

Greenpeace-Briefing: EU anti-deforestation law could have serious holes

Offener Brief der MdEPs an die EU-Kommission

Berichterstattung ENDS (kostenpflichtig): MEPs fear Commission could backpedal on nature restoration targets
FERN et al. Positionpapier: „To protect nature and the climate, we must reform how bioenergy is treated in the EU’s Renewable Energy Directive"

Euronatur: EU-Pilotprojekt stärkt Naturschutz am Grünen Band Europa
 
WWF Zentral- und Osteuropa: Old Growth Forests in Slovakia to be protected in new nature reserve proposed by WWF Slovakia and Prales

The tragic consequences of EU funding on the environment in Hungary

[redaktionell bearbeitet von Juliane Grüning]

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