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Renaturierung: Wald, Moor, Fluss, global
EU-News | 18.06.2021
#Wald #BiodiversitÀt und Naturschutz

Renaturierung: Wald, Moor, Fluss, global

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c. Pixabay

Ende 2021 will die EuropĂ€ische Kommission ihr Naturwiederherstellungsgesetz veröffentlichen - mit verbindlichen Renaturierungszielen. Derzeit laufen hinter den Kulissen Konsultationen mit Expert*innen aus MitgliedslĂ€ndern, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Die Gemeinsame Forschungsstelle der EU (JRC) hatte im Mai die Ergebnisse bisheriger Forschungen fĂŒr die Politik zusammengetragen (EU-News 25.05.2021). Renaturierungsziele werden unterschiedliche LebensrĂ€ume umfassen. Hier einige Informationen ĂŒber WĂ€lder, Moore und FließgewĂ€sser. Die Weltnaturschutzunion wiederum fragt, was eine hochqualitative Ökosystemrenaturierung eigentlich ausmacht.

Beispiel WĂ€lder: Keine Ziele fĂŒr bewirtschaftete WĂ€lder?

Nach Informationen der Waldschutzorganisation FERN erwĂ€gt die EU auch Initiativen zur Wiederherstellung europĂ€ischer WĂ€lder. Nichtregierungsorganisationen seien besorgt, dass die darin enthaltenen Ziele nicht ehrgeizig genug sein könnten und nur geschĂŒtzte WĂ€lder berĂŒcksichtigen und BiodiversitĂ€tsziele fĂŒr bewirtschaftete WĂ€lder ausblenden. Denn die EU-Kommission sage, sie brauche mehr Zeit, um solche Ziele festzulegen. Dabei, so FERN, existierten entsprechende Daten bereits auf der Ebene der Mitgliedstaaten, so dass die Kommission diese fĂŒr das Wiederherstellungsgesetz nur anfordern mĂŒsse.

Das EU-Parlament bzw. der Umweltausschuss hatte fĂŒr die europĂ€ischen WĂ€lder aus Sicht von FERN klare Handlungsaufforderungen geĂ€ußert (EU-News 09.06.2021 und 28.05.2021):

  • Die EU muss einen EU-Naturwiederherstellungsplan aufstellen und ein ehrgeiziges Ziel fĂŒr den Kohlenstoffabbau im Einklang mit den BiodiversitĂ€tszielen beschließen;
  • Die EU muss ein spezifisches und verbindliches Ziel fĂŒr die Wiederherstellung und den Schutz von Waldökosystemen beschließen, einschließlich der Sicherstellung eines strikten Schutzes der wenigen verbleibenden PrimĂ€r- und AltwĂ€lder;
  • Die EU muss Klima-, BiodiversitĂ€tsschutz und Wiederherstellung in die neue EU-Waldstrategie integrieren [voraussichtliche Veröffentlichung der Waldstrategie am 20. Juli 2021];
  • Die EU muss die EU-Vorschriften zur energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen der Erneuerbare-Energien-Richtlinie und der Taxonomierichtlinie ĂŒberarbeiten und angleichen;
  • Die Mitgliedsstaaten mĂŒssen die Gesetzgebung gegen illegalen Holzeinschlag verschĂ€rfen.

Solche Aufrufe stĂŒnden in direktem Zusammenhang mit der bevorstehenden Gesetzgebung ĂŒber rechtlich verbindliche Ziele zur Wiederherstellung der Natur, die fĂŒr Ende dieses Jahres erwartet wird. Beim letzten geschlossenen Workshop Ende Mai hĂ€tten die Kommissionsbeamt*innen ihre aktuellen Ideen zu den Waldwiederherstellungszielen mitgeteilt, die FERN aber "zögerlich und wenig ehrgeizig" erschienen.

Statt breiter Ziele, die alle Ökosysteme in den EU-WĂ€ldern abdecken, habe die Kommission nur fĂŒr einen kleinen Prozentsatz der unter der Habitat-Richtlinie geschĂŒtzten Ökosysteme, die etwa ein Viertel der EU-WĂ€lder ausmachen, spezifische Ziele formuliert. Dieser zaghafte Schritt sei mit einer abwartenden Strategie fĂŒr andere WĂ€lder kombiniert worden, die dringend der Wiederherstellung bedĂŒrften. FĂŒr diese bewirtschafteten WĂ€lder hĂ€tten die Kommissionsbediensteten vorgeschlagen, dass ein Prozess entwickelt werden könnte, um ein Monitoring einzurichten, Indikatoren zu entwickeln, um ein Ziel zu verfolgen (Totholz- oder Baumkronendeckung), und Basislinien zu entwickeln (Menge an Totholz und BĂ€umen in einem bestimmten Gebiet). Die meisten dieser Informationen wĂŒrden aber bereits von den Mitgliedsstaaten erfasst, die EU mĂŒsse sie lediglich zusammenstellen. FERN forderte, dass die EU-Kommission die Auffassung des Parlaments ernster nehmen mĂŒsse.
Im Dezember 2021 soll darĂŒber hinaus ein Weißbuch veröffentlicht werden, das Überlegungen zur Kohlenstoffbewirtschaftung und zur Zertifizierung des Kohlenstoffabbaus enthĂ€lt.

Wie die Wiederherstellung von Moorgebieten helfen kann, den Klimawandel zu besiegen

Im Kampf gegen den Klimawandel spielen Moore eine entscheidende Rolle, heißt es in einem Fachartikel auf der Seite von BirdLife Europa. Torf besteht aus teilweise zersetzter Vegetation, die ein wenig wie Erde aussieht. Torfgebiete nehmen auf natĂŒrliche Weise Kohlenstoff aus der AtmosphĂ€re auf und speichern ihn. Obwohl Torfgebiete nur drei Prozent der LandflĂ€che der Welt bedecken, enthalten sie ein Drittel des weltweiten Bodenkohlenstoffs. Doch Torfmoore werden entwĂ€ssert und durch intensive Landwirtschaft und schlecht durchdachte Baumplantagen ersetzt. Dabei ist die Wiederherstellung von Mooren doppelt so effizient wie das Pflanzen von BĂ€umen. Weltweit ist die Zerstörung von Torfgebieten fĂŒr etwa fĂŒnf Prozent des in die AtmosphĂ€re abgegebenen Kohlenstoffs verantwortlich - doppelt so viel wie der Flugverkehr.

Am Beispiel des Care-Peat-Projektes erlĂ€utert die Biologin Katrien Wijns von der niederlĂ€ndischen Organisation Natuurpunt, wie torfhaltige Feuchtgebiete und Moore wiederhergestellt werden können. Das noch bis 2022 laufende Projekt erstreckt sich ĂŒber fĂŒnf LĂ€nder: Belgien, Frankreich, Irland, die Niederlande und das Vereinigte Königreich. Neun Organisationen arbeiten zusammen, um die KohlenstoffspeicherkapazitĂ€t verschiedener Arten von Torfgebieten in Nordwesteuropa wiederherzustellen und die Kohlenstoffemissionen zu reduzieren. WiedervernĂ€ssung, das Pflanzen von Torfmoorpfropfen oder das Anlegen von TorfdĂ€mmen oder Torfgruben bringen - so die Projekterfahrungen - nach relativ kurzer Zeit die Natur zurĂŒck.
 
In ganz Europa mĂŒssten Moorgebiete dringend wiederhergestellt werden, so Wijns. Das durch das europĂ€ische Interreg-Programm geförderte Care-Peat-Projekt könne anderenorts wiederholt werden. "Wir stecken in einer Klimakrise, die Wiederherstellung von Mooren sollte eine SelbstverstĂ€ndlichkeit sein!" Dies sei nicht nur gut fĂŒr das Klima, sondern auch fĂŒr die Artenvielfalt, den Hochwasserschutz und helfe sogar, die Gefahr von WaldbrĂ€nden zu verringern, sagte die Biologin. Jedoch mĂŒsse die EU-Politik konsistent sein, europĂ€ische Klimapolitik und die Agrarpolitik sollten sich nicht widersprechen. Stattdessen sollte die Gemeinsame Agrarpolitik genutzt werden, um den Schutz und die Wiederherstellung von landwirtschaftlich genutzten Torfgebieten sicherzustellen, forderte Wijns. Nicht zuletzt sollte von den Verbraucher*innen grundsĂ€tzlich nur torffreie Blumenerde verwendet werden.
 

25.000 Kilometer frei fließende FlĂŒsse – ein Ziel der EU-BiodiversitĂ€tsstrategie

Auch das in der EU-BiodiversitĂ€tsstrategie 2030 (EU-News 20.05.2020) vorgeschlagene Ziel, bis 2030 mindestens 25.000 Flusskilometer zu renaturieren, mĂŒsste vom geplanten Gesetzesvorschlag fĂŒr Naturwiederherstellung abgedeckt werden. Die Hauptelemente des kĂŒnftigen Rechtsaktes – Definitionen, ĂŒbergreifende Ziele fĂŒr Ökosystemwiederherstellung, spezifische Ziele fĂŒr mit ausreichend Datenmaterial ausgestattete Ökosysteme, eine Methodologie und ein Monitoringsystem fĂŒr die bisher unzureichend mit Daten bekannten Ökosysteme sowie Durchsetzung, Hilfe zur Umsetzung und Vorgaben fĂŒr nationale PlĂ€ne – gilt es auch im Hinblick auf FließgewĂ€sser zu erarbeiten. Auch binnenlĂ€ndische und KĂŒstenfeuchtgebiete wĂ€ren ebenso wie Seen, Schwemmgebiete (alluviale LebensrĂ€ume) und marine LebensrĂ€ume entsprechend mit spezifischen Zielen auszustattende Habitate.

Es scheint jetzt schon klar zu sein, dass das geplante Gesetz in naher Zukunft einer Revision bedarf, um in einem ersten Schritt entsprechende Daten aus allen Mitgliedstaaten zu sammeln und daraus fĂŒr die bisher noch wenig erfassten Ökosysteme in einem zweiten entsprechende Renaturierungsziele festzulegen. Laut Auskunft von BrĂŒsseler Nichtregierungsorganisationen erarbeitet die EU-Kommission derzeit Leitlinien fĂŒr Flussrenaturierung – ein Entwurf kann noch bis Ende August auf Expert*innenebene kommentiert werden.

Vereinte Nationen lÀuten Dekade der Renaturierung ein

Die Weltnaturschutzunion (IUCN) hat vor Beginn des offiziellen Starts der UN-Dekade zur Wiederherstellung von Ökosystemen (2021-2030) Expert*innen zusammengetrommelt, um herauszuarbeiten, was eine hochqualitative Renaturierung eigentlich ausmacht. Wesentliche Elemente, die fĂŒr eine qualitativ hochwertige Wiederherstellung von Ökosystemen erforderlich sind, seien unter anderem folgende:

  • Wirksame Wiederherstellungsmaßnahmen mĂŒssen identifizieren, wie, wann und wem/welchem Bereich die Vorteile der Wiederherstellung zugute kommen.
  • Wichtige Vorbedingungen, die eine Wiederherstellung ermöglichen, entscheiden ĂŒber den Erfolg.
  • FĂŒr eine effektive Wiederherstellung von Ökosystemen muss die Planung partizipativ und inklusiv sein und die PrioritĂ€ten und Kompromisse, die sich aus den spezifischen BedĂŒrfnissen der Interessengruppen ergeben, abwĂ€gen.
  • Um mehr Finanzmittel zu mobilisieren, ist es notwendig, den Fokus nicht nur auf die finanziellen ErtrĂ€ge zu richten, sondern finanzielle, ökologische und soziale Vorteile in Kombination zu berĂŒcksichtigen.
  • Nicht zuletzt mĂŒssten die Erfolge kontrolliert (Monitoring) und Ereignisse vorausschauend betrachtet und angegangen werden (adaptives Management), damit die Wiederherstellung wirksam und langfristig ist.

Es mĂŒssten vor allem auch die Vorteile auf den unterschiedlichen Ebenen – von der lokalen Versorgung mit Wasser, Nahrung und Medikamenten bis hin zur Regulierung unseres Klimas auf globaler Ebene – herausgestellt werden, damit alle mitmachen. Denn realistisch betrachtet könnten nicht ĂŒberall alle Perspektiven (ökologisch und sozial) gleichzeitig maximal verfolgt werden, es dĂŒrfte eine Reihe kritischer Kompromisse geben. Die Wiederherstellung von Ökosystemen mĂŒsse kosteneffizient, optimiert, fair und nachhaltig sein – was ĂŒber eine reine Umweltthematik hinausgeht, da systemweite Transformationen gefragt seien. Nicht zuletzt mĂŒsse das ganze solide finanziert werden. Laut IUCN belĂ€uft sich eine aktuelle SchĂ€tzung der FinanzierungslĂŒcke fĂŒr Wiederherstellung und Schutz auf 824 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Es brauche eine Kombination aus öffentlichen und privaten KapitalflĂŒssen, um die Wiederherstellung in grĂ¶ĂŸerem Umfang zu ermöglichen.

Die wissenschaftliche Arbeitsgruppe will ihre Ergebnisse auch auf dem Weltnaturschutzkongress im französischen Marseille im September vorstellen. [jg]

FERN: Restoring Nature, protecting Biodiversity: We cannot wait until itÂŽs all over
FERN/waldpolitischer Überblick: What to expest when you`re forest Campaigning: Upcoming EU forest policy Developments

Birdlife: How restoring peatlands can help us beat climate change

EuropĂ€isches UmweltbĂŒro, Arbeitsgruppe Wasser

IUCN: What is high quality ecosystem restoration?

RENATURIERUNG: BEISPIEL DEUTSCHLAND"Mehr als 20 Prozent der FlÀche Deutschlands sind besonders geeignet, durch Renaturierung erheblich zum Klimaschutz und zur Steigerung der BiodiversitÀt beizutragen."
NABU-Studie zu Renaturierungspotenzialen in Deutschland

"Deutschland hat Potenzial": NABU-Studie zeigt RĂ€ume fĂŒr Renaturierung auf

Moore, Flussauen, WĂ€lder und GrĂŒnland: Intakte Ökosysteme bieten LebensrĂ€ume fĂŒr viele Arten, binden langfristig Kohlenstoff und können DĂŒrren oder Hochwasser abmildern. Mehr als 20 Prozent FlĂ€che verteilt in ganz Deutschland stĂŒnden fĂŒr Renaturierungsmaßnahmen zur VerfĂŒgung, wobei ĂŒber die HĂ€lfte dieser FlĂ€chen WĂ€lder seien, hat eine Studie im Auftrag des NABU ergeben. [jg]

Pressemitteilung NABU und Studie der Gesellschaft fĂŒr Freilandökologie und Naturschutzplanung

Entscheidung zur EU-BiodiversitÀtsstrategie im Umweltausschuss

Noch in dieser Woche wird der Umweltausschuss im EU-Parlament (ENVI) eine Entscheidung zur von der EU vorgelegten EU-BiodiversitĂ€tsstrategie 2030 fĂ€llen. Die ÄnderungsantrĂ€ge sollen am Donnerstag abgestimmt werden, die Endabstimmung folgt am Freitag.

UmweltverbĂ€nde fordern auch angesichts der sich nĂ€hernden UN-Konferenz ĂŒber biologische Vielfalt im Oktober, dass die EU mit gutem Beispiel vorangeht, um das Artensterben zu stoppen. In der letzten Woche hatte eine Studie gezeigt, dass neun von zehn (93 Prozent) EU-BĂŒrger*innen den Verlust der biologischen Vielfalt fĂŒr ein "ernstes" oder "sehr ernstes" Problem halten (EU-News 19.05.2021). [jg]

JRC-Handbuch: World Bee Day: New handbook to support the development of European nature restoration targets

EU-Kommission - Übersichtsseite zur Bewertung und Kartierung von Ökosystemen

Moor & Klima

Die Michael Succow Stiftung hat, um sich fĂŒr die Bedeutung der Moore auch in Politik und Praxis stark machen zu können, gemeinsam mit der UniversitĂ€t Greifswald und dem Verein Dauerhaft Umweltgerechte Entwicklung von NaturrĂ€umen der Erde (DUENE e.V.) das Greifswald Moor Centrum gegrĂŒndet. Es ist die Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Politik und Praxis in allen Moorfragen - lokal und weltweit - mit 50 Moorkundigen aller Art an einem Standort. Weiterlesen

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