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Fangquotendebatte in der Brexit-Verlängerung
EU-News | 27.01.2021
#Wasser und Meere #Landwirtschaft und Gentechnik

Fangquotendebatte in der Brexit-Verlängerung

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c. Pixabay

Der EU-Fischereirat hat der EU-Kommission am Montag die weiteren Fangquotenverhandlungen mit dem Ex-EU-Mitgliedstaat Großbritannien übertragen. Transparent soll es dabei zugehen und die Gemeinsame Fischereipolitik respektierend, fordern die Minister*innen. Ein Fischereiauditbericht indes zeigt, dass in britischen Meeresgebieten bereits jetzt zwei Drittel der Bestände überfischt sind, warnt die Meeresschutzorganisation Oceana.

"Historische Verhandlungen" im Fischereistreit zwischen EU und UK beginnen

So kurz sind Pressekonferenzen nach EU-Räten selten: Es gibt noch nichts zu berichten, weil die Verhandlungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich (UK) noch laufen, vermittelten Fischereiminister Ricardo Serrão Santos für die portugiesische Ratspräsidentschaft und EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius. Die Fischereiminister*innen haben der EU-Kommission die mühsamen "formellen bilateralen Konsultationen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich zur Festlegung der endgültigen Fangmöglichkeiten für die gemeinsam bewirtschafteten Bestände für 2021 (und für die gemeinsam bewirtschafteten Tiefseebestände für 2021 und 2022)" übertragen.

Während es den Fischereiminister*innen mehrheitlich wichtig war, möglichst schnell Sicherheit für die Fischereiwirtschaft zu erreichen, soll die EU-Kommission aber doch "auf allen Ebenen umfassend informieren" und "transparent verhandeln". Und irgendwie natürlich auch die Ziele der Gemeinsamen Fischereipolitik beachten, die der eine oder andere Mitgliedstaat selbst nicht immer so ernst nimmt. Der portugiesische Fischereiminister Ricardo Serrão Santos nannte die Verhandlungen einen "historischen Vorgang" und hoffte auf ein zeitnahes Ergebnis, da die zurzeit geltenden Quoten nur bis Ende März vereinbart wurden. Und auch mit Norwegen ist noch nicht alles in trockenen Tüchern, haben doch die Norweger kürzlich einseitige Quotenentscheidungen für gemeinsam befischte Gewässer getroffen.

Der auch für Fischereipolitik zuständig EU-Umweltkommissar Sinkevičius betonte, die EU-Kommission wolle zunächst eine "freundliche Arbeitsatmosphäre" schaffen. Die EU-Kommission wolle sich aber auch an wissenschaftliche Empfehlungen des Internationalen Rates für Meeresforschung ICES halten, das Vorsorgeprinzip und die Fischereikontrollen ernst nehmen. Ob Sinkevičius das nur in britische Richtung oder auch an die eigenen Reihen richtete, können vermutlich nur Insider interpretieren.

Die Fischereiminister*innen hatten sich Mitte Dezember auf vorläufig bis Ende März 2021 gültige Fangquoten für den Atlantik, die Nordsee, das Mittel- und das Schwarze Meer sowie im Fall der Tiefsee für 2021 und 2022 geeinigt (EU-News 17.12.2020). Die Festlegung war vorläufig, weil es noch keine Einigung zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich (UK) für die Zeit nach dem Brexit gibt. Die Meeresschutzorganisation Oceana befürchtete einen "Überfischungswettlauf" zwischen der EU und dem UK. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) warnte, der Streit über Fischereirechte zwischen UK und EU gehe zu Lasten von Kabeljau, Hering & Co. Auch die EU-Kommission hatte sich eher verhalten gefreut.

Von zehn kommerziellen Fischbeständen in Großbritannien sind sechs überfischt oder auf kritischem Niveau

Bereits in der vergangenen Woche hatte sich die Meeresschutzorganisation Oceana zu Wort gemeldet: Ihr Fischereiaudit für Großbritannien zeichnet ein beunruhigendes Bild vom Zustand der britischen Fischbestände. Nur 36 Prozent der 104 geprüften Bestände wurden als gesund in Bezug auf die Bestandsgröße und nur 38 Prozent als nachhaltig befischt eingestuft. Oceana forderte die britische Regierung auf, die Überfischung zu stoppen und eine Vorreiterrolle in der nachhaltigen Fischerei einzunehmen, indem sie Fangbeschränkungen im Einklang mit der Wissenschaft festlegt.

Von den zehn wirtschaftlich wichtigsten Fischbeständen für Großbritannien seien sechs überfischt oder ihre Bestandsbiomasse befinde sich auf einem kritischen Niveau: Nordseekabeljau, Nordseehering, Südliche Nordseekrabbe, Jakobsmuscheln im östlichen Ärmelkanal, Blauer Wittling im Nordostatlantik und Nordseewittling. Darüber hinaus gebe es nicht genügend Daten, um Referenzpunkte für Nordsee-Seefische zu definieren. Daher seien nur drei der zehn wichtigsten Bestände, auf die die britische Fischereiindustrie angewiesen ist, sowohl als gesund als auch nachhaltig befischt einzustufen: Nordostatlantische Makrele, Nordsee-Schellfisch und Westschottischer Kaisergranat. Dies beweise, welche positiven Auswirkungen es habe, wenn die Fangbeschränkungen auf oder unter den empfohlenen nachhaltigen Grenzwerten festgelegt werden, so die Organisation. [jg]

Pressemitteilung Fischereirat

Videoübertragung/Ergebnisse Fischereirat

Pressemitteilung Oceana: 6 out of 10 UK fish are being overfished or are in a “critical” state

"Mehr Fische im Meer?"

Das EU-Parlament hat am 21. Januar einen Initiativbericht mit dem Namen „Mehr Fische im Meer? Maßnahmen zur Förderung der Wiederaufstockung der Bestände über den höchstmöglichen Dauerertrag hinaus, darunter Bestandsauffüllungsgebiete und geschützte Meeresgebiete“ beschlossen. Darin fordern die EU-Abgeordneten ein besseres Fischereimanagement zur Beendigung von Überfischung. Das EU-Parlament fordert die Kommission außerdem mit Nachdruck auf, die Umsetzung des ökosystembasierten Ansatzes im Fischereimanagement zu stärken und gegebenenfalls die Gemeinsame Fischereipolitik nach ihrer Bewertung bis 2022 anzupassen. Weiterlesen: P9_TA(2021)0017

NGO-Sicht auf Fangquoten

Positionspapiere von Oceana mit Empfehlungen für die Fangquoten, die Gemeinsame Fischereipolitik und das EU-UK-Abkommen nach dem Brexit:

Nordostatlantik: NGO recommendations for the European Commission and the EU Council on the setting of Northeast Atlantic fishing opportunities for 2021
Tiefseeartenbefischung 2021-2022: NGO recommendations for deep-sea fishing limits 2021-2022
Konsultation GFP und Fangquoten 2021: NGO reply to European Commission consultation on CFP progress and fishing opportunities for 2021
Abkommen mit Großbritannien: Oceana's recommendations for the EU-UK Fisheries Agreement

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