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Rund um Europas Flüsse: Renaturierung, Hochwasser, Ausbaupläne
EU-News | 01.09.2021
#Wasser und Meere #Landwirtschaft und Gentechnik

Rund um Europas Flüsse: Renaturierung, Hochwasser, Ausbaupläne

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c. pixabay

Ein neuer WWF-Bericht plädiert für Flussrenaturierung, naturbasierte Lösungen und verbesserte Resilienz. Das Gemeinsame Forschungszentrum hat zu desaströsen Hochwassern geforscht. DNR und BDEW fordern gewässerpolitische Konsequenzen aus der Flutkatastrophe in Deutschland. Neues von Oder, Rhein und Elbe. Lesen Sie hier einen kleinen gewässerpolitischen Rückblick auf die letzten Wochen.

WWF: Renaturierung von Flüssen steigert kostengünstig Resilienz gegen Hochwasser

Die Wiederherstellung der natürlichen Eigenschaften und der Dynamik von Flüssen erhöht die Widerstandsfähigkeit gegen Überschwemmungen nachhaltiger und kosteneffizienter als traditionelle technische Lösungen. Das ist das Fazit eines vom WWF-Europabüro in Auftrag gegebenen Berichts von Deltares, der während der Weltwasserwoche (13.–27.08.2021) präsentiert wurde. Während Deutschland, Belgien und die Türkei noch mit den Folgen der diesjährigen Überschwemmungen kämpften, zeige der Bericht auf, wie naturbasierte Lösungen dazu beitragen können, die Auswirkungen solcher Katastrophen in ganz Europa zu verringern. Groß angelegte Auen- und Flussrenaturierungen hätten nicht nur Vorteile für die Wasserqualität, die Nährstoffrückhaltung und die Verringerung des Hochwasserrisikos, sie seien auch wirtschaftlich attraktiver.

Überschwemmungsgebiete seien in den vergangenen Jahrzehnten erheblich verkleinert worden, sodass Hochwasserereignisse zunehmend lebensbedrohlichere Auswirkungen hätten. Rhein und Maas beispielsweise hätten keinerlei natürliche Zonen mehr, die Raum für Hochwasser böten. "Die Lösung der Klimakrise und die Rettung der Artenvielfalt gehen Hand in Hand. Wenn man die Zunahme von massiven Überschwemmungen aufgrund des Klimawandels und den drastischen Rückgang von Überschwemmungsgebieten zu deren Abschwächung zusammennimmt, erhält man einen tödlichen Cocktail für die Menschheit", sagte Andreas Baumüller, Leiter des Bereichs Natürliche Ressourcen im WWF-Europabüro. Nach Schätzungen des jüngsten IPCC-Berichts des Weltklimarates dürften sich mit zunehmender Erderwärmung Starkniederschläge und damit verbundene Überschwemmungen in den meisten Regionen des Kontinents verstärken und häufiger auftreten (EU-News 19.08.2021).

Der NABU zeigte im August am Beispiel der Havel, wie die Widerstandskraft gegen Klimafolgen gestärkt werden kann. Das europaweit größte Projekt zur Renaturierung eines Flusses und seiner Aue Untere Havelniederung soll bis spätestens 2033 renaturiert und wieder in ein Naturparadies verwandelt sein. Altarme und Hochflutrinnen würden wieder angeschlossen und Auenwälder angepflanzt. Deichabschnitte würden zurückgebaut und so Überflutungsflächen für den Hochwasserschutz gewonnen.

Studie zur besseren Einschätzung von Hochwasserereignissen: Ursachen, Einflüsse, Folgen

Die Gemeinsamen Forschungsstelle (JRC) der EU hat an einer neuen Hochwasserstudie mitgewirkt, in der die natürlichen und sozioökonomischen Faktoren untersucht werden, die darüber entscheiden, ob hohe Flusspegel katastrophale Folgen haben oder nicht. Die in der Fachzeitschrift Nature Reviews veröffentlichte Studie analysiert auch die bessere Einschätzung von Risiken und die Entwicklung geeigneter Maßnahmen zur Risikominderung sowie Hochwassertrends unter heutigen und künftigen Bedingungen. Um katastrophale Flussüberschwemmungen einzudämmen, müsse das Risikomanagement Unsicherheiten, Überraschungspotenziale und katastrophale Folgen berücksichtigen. Dabei reichten Routinen wie die Einführung von Gesetzen oder Vorschriften nicht aus, es müssten unter anderem auch unerwartete Entwicklungen einbezogen werden. Die Bewertung des Risikos erfordere ein Verständnis der besonderen Entstehungsprozesse und Unterscheidungsmerkmale gegenüber "normalen" Überschwemmungen sowie den Austausch zwischen Natur-, Ingenieurs- und Sozialwissenschaften. Die Studie empfiehlt, historische katastrophale Hochwasserereignisse - sowie historische Hochwasser, die sich zu Katastrophen hätten entwickeln können, dies aber nicht taten - bestmöglich zu nutzen und die Ursachen im Detail zu untersuchen. Ein hohes Maß an Hochwasserschutz, Vorsorge und Bewältigungskapazitäten könne selbst bei extremen Hochwasserständen katastrophale Folgen verhindern.

DNR und BDEW fordern gewässerpolitischen Konsequenzen der Hochwasserkatastrophe

Der Umweltdachverband Deutscher Naturschutzring (DNR) und der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) haben als Konsequenz aus den verheerenden Hochwasserereignissen an Ahr, Erft und anderen Gewässern Mitte August neue Strategien im Umgang mit Extremwetterereignissen gefordert und ein gemeinsames Thesenpapier vorgelegt. Im Vordergrund steht dabei, den Wasserrückhalt in der Fläche zu verbessern, die Flächenversiegelung zu stoppen und den Flüssen wieder mehr Raum zu geben. Zu diesem Zweck seien vorhandene Drainagen und Entwässerungsgräben möglichst zurückzubauen und die Flüsse wieder mit den Auenflächen zu verbinden.

"Eine naturnahe Aue nimmt in Hochwasserperioden Wasser wie ein Schwamm auf und gibt es bei niedrigeren Wasserständen langsam an den Fluss zurück. Durch die Wiedervernetzung der Flüsse mit der Flussaue wird im Fall eines Hochwassers zudem der Eintrag von Nähr- und Schadstoffen in nachfolgende Gewässer gesenkt", sagte DNR-Geschäftsführer Florian Schöne. Außerdem müssten Gefahrgüter und Schadstoffquellen wie Ölheizungen in Hochwasserrisikogebieten beschleunigt ausgetauscht und Hochwasserrisikokartierungen auch an kleinen Gewässern vorgenommen werden. "Eine vollständige Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinie unter Einbeziehung der vorzulegenden Hochwassermanagementpläne ist zum Schutz von Bevölkerung und Umwelt dringend erforderlich", betonte Martin Weyand, BDEW-Hauptgeschäftsführer Wasser/Abwasser.

Neues von Oder, Rhein und Elbe

Umweltorganisationen fordern Stopp des Oder-Ausbaus

Anlässlich des deutsch-polnischen Umweltrats am 27. August haben Umweltorganisationen aus Tschechien, Polen und Deutschland an ihre Regierungen appelliert, den geplanten Ausbau der Grenzoder zu stoppen. "Die Oder ist einer der letzten naturnahen Ströme Mitteleuropas, entspringt in Tschechien und fließt über 500 Kilometer ohne jegliche Barrieren in die Ostsee. Das deutsche Verkehrsministerium will einen Ausbau der deutsch-polnischen Grenzoder vorgeblich für Eisbrecher, während Polen und Tschechien eine riesige Binnenwasserstraße mitten durch Europa bauen wollen", sagt Florian Schöne, Geschäftsführer des Umweltdachverbands Deutscher Naturschutzring (DNR). Die Wasserstraße E30 würde sich von Świnoujście an der Ostsee über den geplanten Donau-Oder-Elbe-Kanal bis nach Přerov in Tschechien erstrecken. Von dort soll zum einen über die Elbe die Nordsee, zum anderen über die March und die Donau das Schwarze Meer für große Binnenschiffe erreichbar werden. Auch für diese drei Flüsse sei ein Ausbau vorgesehen. Der Ausbau der Grenzoder und der Bau der E30-Wasserstraße würde ein Ausbaggern, Aufstauen, Begradigen und Vertiefen der naturnahen Oder erfordern. Dies zerstöre große Auen und Feuchtgebiete, in denen zahlreiche geschützte Tier- und Pflanzenarten leben, kritisierten die Organisationen. Weiterlesen

Rheinexpedition der Surfrider Foundation: künstliche Intelligenz und Bürgerengagement gegen Plastikverschmutzung

Um die Verschmutzung des Rheins mit Hilfe der mobilen Anwendung "Plastic Origins" zu kartieren, hat das Team der Meeresschutzorganisation Surfrider Foundation Europe am 21. August eine Expedition auf dem Rhein gestartet. Die sechs Etappen von der Quelle bis zur Mündung durch die Schweiz, Deutschland, Frankreich und die Niederlande sollen am 5. September am Rheindelta enden. Freizeitsportler*innen und wissenschaftlich Interessierte sollen mit Hilfe künstlicher Intelligenz dabei helfen, die Flussverschmutzung zu untersuchen und genaue Daten zu liefern, damit daraus Lösungen zum Schutz des Gewässers entwickelt werden können. Weiterlesen

Elbe: Deutsch-tschechisches Abkommen in der Kritik

Ende Juli haben Deutschland und Tschechien "im Bewusstsein, dass die Elbe eine internationale Wasserstraße (...), die Bestandteil des Transeuropäischen Verkehrsnetzes TEN-T ist" ein Abkommen über die Unterhaltung und Entwicklung der internationalen Binnenwasserstraße Elbe abgeschlossen. Hauptsächlich geht es dabei um die Schiffbarkeit des Flusses. Deutschland will eine Fahrrinnentiefe von 140 Zentimetern, Tschechien von 230 Zentimetern sicherstellen. Dagegen haben die EU-Abgeordneten Sven Giegold (Grüne/EFA) und Mikuláš Peksa (tschechische Piratenpartei) protestiert. Giegold: "Der Ausbau der Elbe widerspricht europäischem Recht. Mit der EU-Wasserrahmenrichtlinie hat sich Europa im Jahr 2000 darauf geeinigt, alle Flüsse in einen guten natürlichen Zustand zu bringen. Wer die wertvollen Ökosysteme gefährdet, setzt die Elbe und ihre Bewohner unnötigen Risiken aus. Deshalb dürfen für diese Projekte keine EU-Mittel verwendet werden." Auch der geplante Donau-Oder-Elbe-Kanal zur Verbindung von Schwarzem Meer zur Nord- und Ostsee führe zu erheblichen Eingriffen in die Natur. Es müssten mehrere hundert Kilometer künstliche Wasserstraßen und 70 Staustufen gebaut werden. Peksa: "(...) unsensible Eingriffe in die natürlichen Flussbette werden sicherlich nicht helfen. Wir haben das natürliche Gleichgewicht bereits zu sehr verändert, und deshalb befinden wir uns mitten in einer Klimakrise. Weitere Eingriffe in den natürlichen Flusslauf werden nur zu Katastrophen führen, wie wir sie in den letzten Wochen in vielen Gebieten Europas erlebt haben." Weiterlesen

Redaktionell bearbeitet von Juliane Grüning

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Ökologischer Gewässerzustand

Der DNR-Newsletter vom Juli widmet sich dem Thema Wasser

Panta rhei – alles fließt: Der Aphorismus aus dem Griechischen bedeutet, dass die Welt nicht stillsteht, sondern ständig in Bewegung ist und sich dabei permanent verändert. Der antike Philosoph Heraklit vergleicht dabei die Realität mit einem Fluss, der sinnbildlich für Werden und Vergehen steht. Auch die Interviewpartner*innen dieses Newsletters sind fasziniert von fließenden Gewässern, die einem „steten Wandel unterliegen“ und deren Wassertropfen viele Länder durchqueren. Im Schwerpunkt der Juliausgabe geht es um Flüsse, Seen, Auen und deren ökologischen Zustand. Unsere Autor*innen werfen einen kritischen Blick auf die Wasserrahmenrichtlinie der EU, auf den geplanten Ausbau der Oder, den Schutz des Bodensees und beantworten Fragen zur aquatischen Biodiversität. Weiterlesen

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