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Industrieallianzen als Allheilmittel für Transformation der europäischen Wirtschaft?
EU-News | 06.05.2021
#Wirtschaft

Industrieallianzen als Allheilmittel für Transformation der europäischen Wirtschaft?

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c. Pixabay

Die EU-Kommission hat am Mittwoch ihre aktualisierte Industriestrategie veröffentlicht, mit der sie auf die Auswirkungen der Coronakrise reagieren will. Umweltorganisationen vermissen eine klare Strategie für den nachhaltigen Umbau der Wirtschaft und kritisieren den umfassenden Einfluss neu geschaffener Industrieallianzen.

Brüssels aktualisierte Industriestrategie

Die weltweite Pandemie habe gezeigt, wie abhängig die EU von Technologien und Rohstoffen aus Drittstaaten ist und Schwachstellen des Binnenmarkts aufgezeigt. Sie habe außerdem den „doppelten Übergang“ zu einer ökologischeren und digitaleren Wirtschaft „drastisch“ beeinflusst. Die EU-Kommission kündigte nun an, Unternehmen stärker bei diesem Übergang zu begleiten und einen „kohärenten Rechtsrahmen“ zu schaffen, um die Klimaziele der EU zu erreichen.

Um strategische Abhängigkeiten bei Rohstoffen, Batterien, pharmazeutischen Wirkstoffen, Wasserstoff und weiteren Technologien zu schwächen, will die EU-Kommission internationale Lieferketten diversifizieren. Von der EU geförderte Industrieallianzen sollen Innovationen und Arbeitsplatzentwicklung in strategisch wichtigen Bereichen beschleunigen. Die Resilienz des Binnenmarkts möchte Brüssel mithilfe eines Notfallinstruments erhöhen, das den freien Personen-, Waren- und Dienstleistungsverkehr im Krisenfall sicherstellt. Außerdem sollen die Dienstleistungsrichtlinie und Marktüberwachung von Produkten besser umgesetzt werden.

Die Abgeordneten des EU-Parlaments hatten die EU-Kommission im November 2020 aufgefordert, ihre Industriestrategie aufgrund der Erfahrungen der Coronakrise anzupassen (siehe EU-News vom 25.11.2020). Die Strategie war im März 2020, einen Tag bevor die Weltgesundheitsorganisation den Ausbruch einer Pandemie erklärte, veröffentlicht worden (siehe EU-News vom 11.03.2020).

Umweltverbände: kein großer Wurf

Der europäische Umweltdachverband Europäisches Umweltbüro (EEB), das EU-Büro des WWF und die Klimaschutzorganisation Climate Action Network (CAN) Europe wiesen darauf hin, dass die Pläne aus Brüssel nicht ausreichten, um den Ressourcenverbrauch und die Auswirkungen der europäischen Wirtschaft auf Ökosysteme und das Klima tatsächlich zu verringern. Sie kritisierten zudem den starken Fokus auf Industrieallianzen, die transparenten und demokratischen Prozessen sowie einer Beteiligung aller betroffenen Interessensträger*innen im Weg stünden.

Davide Sabbadin, Referent des EEB für Klima und Kreislaufwirtschaft, forderte eine absolute Reduzierung des Ressourcenverbrauchs, ansonsten sei der Übergang der EU zu einer Kreislaufwirtschaft „kaum mehr als ein Hirngespinst.“ Zudem fehle eine Verknüpfung der Industriestrategie mit der Überprüfung der Industrieemissionsrichtlinie (IED). Die IED sollte Mindestanforderungen für die Dekarbonisierung und Verringerung von Schadstoffen von Industrieprozessen festlegen, so das EEB. Es reiche nicht, „daran zu erinnern, wie wichtig es ist, dass die EU bei der Standardsetzung führend ist, ohne zu sagen, was das konkret bedeutet“, erklärte Christian Schaible, EEB-Referent für industrielle Produktion.

Laut Doreen Fedrigo, Koordinatorin für Klima- und Industriepolitik bei CAN Europe, könne die EU-Kommission sich nicht auf Versprechen zukünftiger Technologien verlassen: „Die am einfachsten zu beseitigenden Emissionen sind die, die wir nicht produzieren. Wir müssen die Emissionen sowohl durch Kreislaufwirtschaft als auch durch Brennstoffwechsel senken und dürfen uns nicht auf End-of-Pipe-Lösungen wie die Abscheidung von Kohlenstoff konzentrieren", erklärte Fedrigo.

Imke Lübbeke, Leiterin des Bereichs Klima und Energie im EU-Büro des WWF, zeigte sich besorgt darüber, dass unklar bleibe, welche Akteure bei der ökologischen Transformation der Industrie „den Stift in der Hand halten.“ Die Förderung von Industriallianzen, wie in der Strategie angekündigt, reiche dafür nicht: „Die EU hat ein Klimaneutralitätsziel: Die Kommission sollte sich dieses Ziel zu eigen machen und die Industrie dazu anleiten, ihren Teil zum Erreichen dieses Ziels beizutragen - durch politische Rahmenbedingungen und finanzielle Unterstützung, die in den Aufbau sauberer Märkte fließt“, so Lübbeke.

Industrieallianzen nicht das Feld überlassen

Auch Friends of the Earth Europe (FoEE) kritisierten den starken Fokus auf Industrieallianzen. Eine vergangene Woche veröffentlichte FoEE-Analyse der bisher bestehenden vier Allianzen zeige, dass diese intransparenten Zusammenschlüsse „ein unregulierter Ad-hoc-Raum sind, in dem Großunternehmen ihre eigenen Interessen über öffentliche Interessen stellen können“, so FoEE.

Myriam Douo, Campaignerin bei FoEE, kommt auf Grundlage ihrer Analyse zu dem Schluss, dass die EU-Kommission sich ihrer Verantwortung entziehe - „sie lagert die Aufgabe, die Industrie zu regulieren und öffentliche Gelder auszugeben, an große Unternehmen aus. Wenn es dem Großkapital erlaubt wird, seine eigenen Hausaufgaben zu machen und zu kontrollieren, werden die Öffentlichkeit und der Planet darunter leiden“, so Duou. [km]

Pressemitteilung EU-Kommission: Aktualisierung der Industriestrategie von 2020: hin zu einem stärkeren Binnenmarkt für die Erholung Europas

Mitteilung "Updating the 2020 New Industrial Strategy: Building a stronger Single Market for Europe’s recovery"

Pressemitteilung EEB

Pressemitteilung WWF EU

Pressemitteilung CAN Europe

Pressemitteilung Friends of the Earth Europe

Bericht Friends of the Earth Europe: The EU‘ industry alliances: The new corporate capture that threatens democracy and the environment

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