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Verbände kritisieren „ergänzende Vorschläge“ der Bundesregierung zur Düngeverordnung: Nitratbelastung wird nicht sinken – anhaltende Zielverfehlung droht.
Gemeinsame Pressemitteilung | 09.07.2019

Verbände kritisieren „ergänzende Vorschläge“ der Bundesregierung zur Düngeverordnung: Nitratbelastung wird nicht sinken – anhaltende Zielverfehlung droht.

duengeausbringung_pixabay

Mitte Juni 2019 haben sich Umwelt- und Landwirtschaftsministerien der Bundesregierung auf „ergänzende Vorschläge“ zum Düngerecht geeinigt, um drohenden Strafzahlungen von über 850.000 Euro am Tag wegen Nichteinhaltung der Nitratrichtlinie zu entgehen. Dies war unausweichlich geworden, da Deutschland seit 28 Jahren die Umsetzung dieser Richtlinie versäumt und folgerichtig 2018 vom Europäischen Gerichtshof verurteilt wurde, eine wesentliche Verringe-rung der Düngemengen vorzunehmen. Ende Januar 2019 hatte die Bundesregierung Vorschläge zur Einhaltung nach Brüssel geschickt, die jedoch nach Ansicht der Kommission nicht ausreichten, am Mittwoch wird sich die EU-Kommission zu den neuen Vorschlägen äußern.

Der Umweltdachverband Deutscher Naturschutzring (DNR), der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der Naturschutzbund Deutschland (NABU) und der Bundesverband der Ener-gie- und Wasserwirtschaft (BDEW) bewerten die Vorschläge der Bundesregierung als absolut unzu-reichend und fordern die EU-Kommission auf, dies im Sinne von Gewässer- und Trinkwasserschutz so nicht hinzunehmen. Deutschland muss die Forderungen aus der EU- Nitratrichtlinie erfüllen.

„Das Vorgehen der Bundesregierung ist ein Skandal und zeigt, dass im Klöckner-Ministerium immer noch nicht verstanden wurde, wie schlecht es um unser Wasser steht. Die nun bekannt gewordenen Vorschläge aus dem Hause der Landwirtschaftsministerin lösen das Problem der strukturellen Überdüngung der Ackerböden nicht und gefährden unsere Grundwasservorräte, nicht nur in den mit Nitrat schwerbelasteten Gebieten.“
Sebastian Schönauer, Sprecher BUND-Arbeitskreis Wasser und DNR-Präsidiumsmitglied

Scharf kritisieren die Verbände die von Klöckner befürwortete Regelung, wonach die bisher zuge-lassenen Düngemengen zwar in den zu hoch belasteten Gebieten um 20 Prozent verringert wer-den sollen, diese Reduzierung aber nicht mehr für die betroffenen landwirtschaftlichen Flächen, sogenannte Schläge, gilt, sondern sich auf den Durchschnittswert pro landwirtschaftlichen Betrieb bezieht. Dabei soll es möglich sein, auch Flächen, die sich außerhalb der roten Gebiete befinden mit einzuberechnen. Eine solche Regelung lädt geradezu zum Missbrauch ein. Martin Weyand, Haupt-geschäftsführer Wasser/Abwasser des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW): „Eine solche Durchschnittsbetrachtung löst die Probleme der vielerorts zu hohen Nitratbe-lastungen nicht. Der aktuelle Vorschlag der Bundesregierung bedeutet, dass das Düngen von dün-geintensiven Sonderkulturen und Mais mit Flächen, die weniger gedüngt werden, schöngerechnet wird. Für bestimmte Sonderkulturen wie zum Beispiel Mais darf es deshalb keine Durchschnittsbe-trachtung geben.“

Bei einer schlagebezogenen Berechnung muss zusätzlich sichergestellt werden, dass extensiv ge-nutzte Flächen nicht intensiviert und zur Entsorgung von Gülle genutzt werden, da dies die Bio-diversität beschränken und den Artenverlust weiter beschleunigen würde.
Damit die von der EU-Kommission geforderte flächen- bzw. schlagbezogene Reduzierung der Stick-stoffeinträge von 20 Prozent eingehalten wird, und diese nicht am „grünen Tisch“ verrechnet wer-den können, ist die Einführung einer Nachweispflicht für die Betriebsinhaber dringend erforderlich. Die Verbände fordern deshalb eine Umkehr der Beweislast, so dass nicht die Behörden die Einhal-tung der neuen Regelungen nachweisen müssen. Mit dieser Beweislastumkehr könne wirklich et-was für den Wasserschutz getan werden. Mit den vorhandenen Betriebsdaten könnten landwirt-schaftliche Betriebe den Nachweis leicht erbringen.
Einen herben Rückschritt für den Gewässerschutz würde darüber hinaus auch die nun geforderte Lockerung des noch im Januar großartig angekündigten Verbotes der Herbstdüngung dar. Dieses Verbot sollte insbesondere für Winterraps und Zwischenfrüchte bestehen bleiben.
Darüber hinaus sind sich alle Expert*innen darin einig, dass die Einhaltung und Kontrolle der Dünge-regeln nur dann möglich und transparent ist, wenn eine Bilanzierung der Nährstoffeingänge und Ausgänge in einem Betrieb flächenscharf erkennbar werden. Deshalb muss die so genannte Stoff-strombilanzverordnung den neuen Gegebenheiten angepasst werden und eine vollständige Be-standsaufnahme ermöglichen. Dies ist zurzeit nicht gegeben. Betriebe mit einem hohen Düngebe-darf sollten künftig keine Ausnahmeregelungen in Anspruch nehmen, es ist immer nachzuweisen, dass die Düngung auch reduziert wurde, z.B. durch eine Umstellung auf ökologische Landwirtschaft und/oder Fruchtwechsel.

„Im Widerspruch zur EU-Nitratrichtlinie steht auch, dass die Bundesregierung Wiesen und Weiden in den roten Gebieten von den Verschärfungen ausklammern will. Diese Flächen drohen damit zur Gülle-Entsorgungsstelle zu verkommen – und zu einer Graswüste ohne Insekten. Dabei ist arten-reiches Grünland in Deutschland schon jetzt stark gefährdet. Eine Beschwerde in Brüssel hierzu läuft bereits. Wenn sich die Lage des Grünlands nun noch weiter verschlechtert, riskiert die Bun-desregierung nicht nur eine erneute Klage zum Düngerecht, sondern auch ein Verfahren zum Na-turschutz“, so NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Außerdem sind die seit Jahrzehnten ge-forderten und nun auch vom Europäischen Gerichtshof gerügten Abstandsregelungen bei stark geneigten Hangflächen an Gewässern mit zwei Metern viel zu gering angesetzt. Alle Gewässerex-pert*innen sind sich einig, dass ein Gewässerrandstreifen von mindestens zehn Metern gesetzlich verpflichtend gemacht werden muss, um die insbesondere nach Starkregenfällen deutschlandweit zu beobachtenden direkten Einschwemmungen in unsere Bäche und Flüsse zu verhindern. Geht nicht? Doch! Nach dem erfolgreichen Volksbegehren „Rettet die Bienen“ sollen nun in Bayern im neuen Naturschutzgesetz u.a. solche Abstandsregelungen verbindlich eingeführt werden.

Insgesamt sehen die Verbände die Vorschläge der Bundesregierung als ein Versagen an und for-dern die EU-Kommission auf, dies im Sinne von Boden-, Gewässer-, Natur- und Trinkwasserschutz so nicht hinzunehmen, damit endlich die Forderungen aus der EU- Nitratrichtlinie erfüllt werden.

Kontakt:
Christine Tölle-Nolting, NABU e.V., Christine.Toelle-Nolting@NABU.de, 030/284984-1641
Jan Ulland, BDEW, presse@bdew.de, 030/3001199-1160,
Sigrid Wolff, BUND, sigrid.wolff@bund.net, 030/27586-425
Lavinia Roveran, DNR, lavinia.roveran@dnr.de, 030/6781775-901

Lavinia Roveran

Koordinatorin für Naturschutz und Agrarpolitik

030 6781775-901

lavinia.roveran@dnr.de

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