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Europawahl: Bringen wir die EU-Sterne zum Strahlen
News | 07.05.2024
#Biodiversität und Naturschutz #EU-Umweltpolitik #Europawahl

Europawahl: Bringen wir die EU-Sterne zum Strahlen

AI generierte blaue Flagge mit funkelnden Sternen
© AdobeStock / noah9000

Was wäre, wenn progressive Kräfte am 9. Juni die Mehrheit im Europäischen Parlament erlangen? Wie sähe es dann für die Demokratie, die biologische Vielfalt, Natura 2000 oder den Umweltschutz in der EU aus? Ein solches Szenario beschreibt unser Autor in seiner utopischen Zukunftserzählung und nimmt dabei die anstehenden Initiativen in den Blick.

Ein utopisches Szenario von Raphael Weyland

Gerade befinde ich mich auf dem Weg von einer Veranstaltung in Süddeutschland zurück in meine Wahlheimat Brüssel. Mit Blick auf den Schwarzwald lasse ich meine Gedanken in die Zeit nach der Europawahl schweifen. Auch dank unserer Aufklärungsarbeit blieb der prognostizierte Rechtsruck aus. Die Wahlbeteiligung war weiter angestiegen. Unsere Webseiten mit den Informationen zum Abstimmverhalten und dem Klimawahlcheck waren vor der Europawahl mehrfach unter hoher Nachfrage zusammengebrochen. Gerade die Erstwähler*innen ab 16 wählten mehrheitlich Parteien, die sich für Natur, Umwelt und Klima stark machen wollen. Was erwartet uns in dieser Zukunft?

Klar, die Wetterextreme sind weiterhin spürbar. Aber gleichzeitig lässt eine Welle von Maßnahmen Europa bildlich ergrünen. Dies ist vor allem auf verschiedene EU-Gesetze zurückzuführen.

Das EU Nature Restoration Law, bereits vom alten Parlament gebilligt, war beim Umweltrat im Juni final bestätigt worden. Dieses Gesetz ist einer der Katalysatoren für resiliente Ökosysteme und damit den Schutz unseres Wohlstands. Koordiniert durch den Bund werden nun im ganzen Land unverträgliche Planungen überprüft, Gelder bereitgestellt, und beschleunigt neue Renaturierungsprojekte geschnürt. Städte und Gemeinden widmen Parkplätze um in Stadtnatur, bestehende Verbauungen von Flüssen werden – natürlich dauert dies eine Weile – zurückgebaut. Der Torfabbau wurde eingestellt, die Wiedervernässung von früher trockengelegten Mooren eingeleitet.

Raphael Weyland
Städte und Gemeinden widmen Parkplätze um in Stadtnatur, bestehende Verbauungen von Flüssen werden zurückgebaut. Der Torfabbau wurde eingestellt, die Wiedervernässung von trockengelegten Mooren eingeleitet.
Raphael Weyland, NABU
Leiter des NABU-Büros Brüssel

Gleichzeitig spinnt sich ein mit dem bloßen Auge erkennbares Netz grüner Infrastruktur quer übers Land und die Landesgrenzen hinweg zu den europäischen Nachbarn. Klar, die Grundlage für Natura 2000 war mit den EU-Naturschutzrichtlinien seit Langem gelegt. Der Wunsch der Europäischen Volkspartei, diese Richtlinien erneut überprüfen zu lassen, wurde aber gleich zu Beginn der Legislatur mehrheitlich zurückgewiesen. Stattdessen werden diese Gebiete mit den darin vorkommenden Arten und Habitaten nun effektiv erhalten – auch dank der Beschwerden von Verbänden wie dem NABU und daraufhin eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission.

Hilfreich für das grüne Netz ist auch der neue EU-Naturschutz- und Wiederherstellungsfonds, der im EU-Langfristhaushalt für die Zeit nach 2027 geschaffen wurde. Dieser baut auf die Erfahrungen mit dem nationalen Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz auf.

Natura 2000

Die Natura-2000-Flagge weht allerorten

Der Großteil der Naturschutzgebiete ist dabei für Bürger*innen weiter erlebbar; lediglich die Übernutzung, die dem Gebietszweck widerspricht, wurde dort beendet. Um die Schutzgebietsziele des globalen Montreal-Abkommens und der EU zu erfüllen, ergänzten verschiedene Länder das Gebietsnetz um neue „Filetstücke“ für die Natur sowie geplante Nationalparke und schlossen damit bestehende Lücken im Netz. Die Bedeutung und Verortung der Gebiete, ja der europäische Gedanke dahinter, wird den Bürger*innen nun durch große Natura-2000-Flaggen nahegebracht, die rund um die Gebiete herum wehen.

Der Schutz der Ressource Wasser wird vorangetrieben. Grundvoraussetzung war, keine Energie auf eine Revision der Wasserrahmenrichtlinie zu verschwenden. Stattdessen fiel endlich der Startschuss für eine Umsetzungsoffensive. Zudem will das Parlament die neue Legislatur nutzen, um das Verursacherprinzip durch gesetzliche Vorgaben umzusetzen. Schließlich sollen auch gewerbliche Nutzer*innen ihre Kosten tragen. Quantitative Ziele sorgen für eine faire Wasserverteilung auch in der Landwirtschaft, um die Bevorzugung industrieller Großbauern etwa durch „Megabassins“ zu verhindern, mit denen sie das Grundwasser anzapfen wollen.

Ja, in dieser Legislatur erfolgt kein umfangreiches Gesetzesfeuerwerk an neuen Umwelt- und Klimagesetzen wie in den vergangenen fünf Jahren. Gleichwohl stimmte die neue EU-Kommission, unterstützt vom Europäischen Parlament, auch nicht einer Deregulierung von Umweltstandards im Namen angeblicher Wettbewerbsfähigkeit zu. Stattdessen fokussierte sie sich unter anderem auf das Thema Rechtsstaatlichkeit und schaffte hierfür die Position einer Vizepräsident*in. Bürgerbeteiligung und Transparenz wurden gestärkt, die einzelnen Schreiben der Vertragsverletzungsverfahren werden nun veröffentlicht.

Die in der letzten Legislatur liegengebliebene Novellierung der REACH-Chemikalien-Verordnung steht wieder auf der Tagesordnung. Mit den bereits verabschiedeten Zielen für 2030, 2040 und 2050 ist im Bereich Klimaschutz ebenfalls die Grundlage gelegt, effektive Maßnahmen in einzelnen Sektoren folgen zu lassen. Wie es mit der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU weitergegangen ist, ist indes leider nicht bekannt. Dies scheint aber auch nicht mehr so wichtig, weil Naturschutzfinanzierung auf eigene Füße gestellt wurde, und Ordnungsrecht eine ausreichende Grundlage setzt für den Schutz von Natur und Klima.

Zu guter Letzt: Mein ICE ist natürlich nicht verspätet. Aber wenn er dies zukünftig sein sollte: Die Verkehrspolitik ist europäisiert, sodass ich in Köln mit meinem Ticket problemlos auf den Eurostar hätte ausweichen können. Insgesamt ist die Taktung verbessert, Durchbuchungen sind problemlos möglich.

Lasst uns gemeinsam an dieser Idee arbeiten, und die goldenen Sterne auf ihrem azurblauen Grund zum Strahlen bringen!

Der Autor

Dr. Raphael Weyland ist Jurist und leitet das NABU-Büro in Brüssel. Neben seiner politischen Arbeit in Brüssel schreibt er auf dem NABU-Blog Naturschätze retten und ist auf Social-Media-Kanälen aktiv.

Am 15. Mai gibt Weyland in der NABU-Sofa-Akademie „Europawahl: Schicksalswahl für den Natur- und Umweltschutz?“ Einblicke in die enorme Bedeutung der EU-Politik für den Natur- und Umweltschutz.
 

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