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Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzorganisationen
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1972 - Start des ersten Natur- und Umweltnotrufs

1972 - Start des ersten Natur- und Umweltnotrufs

schwarz-weiß-Bild eines Telefonats
© DNR
Im Juni 1972 wurde im Gespräch zwischen dem damaligen Innenmister Genscher und dem Vizepräsidenten des DNR Sonnemann der Natur- und Umweltnotruf in Betrieb genommen

1972 wurde der erste Natur- und Umweltnotruf in Deutschland vorgestellt. Die Bevölkerung konnte sich bei Problemen telefonisch rund um die Uhr dank eines Anrufbeantworters direkt an den Deutschen Naturschutzring wenden. Der Dachverband half bei Lärm- und Abfallproblemen, Gewässerverschmutzung und Naturzerstörung. Den offiziellen Eröffnungsanruf tätigte unter anderem der damalige Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher.

Das Jahr 1972 hatte aus Umweltsicht große und kleinere Höhepunkte - auch politisch tat sich viel. So fand die erste UN-Konferenz zum Thema Umwelt in Stockholm statt, die den Beginn globaler Umweltpolitik markiert. In Deutschland wurden die Olympischen Spiele in München durch einen terroristischen Anschlag erschüttert. Es war Wahljahr (mit einem Sieg der sozial-liberalen Koalition mit Willy Brandt als Bundeskanzler), der Grundlagenvertrag zwischen BRD und DDR wurde geschlossen und neben diesen Großereignissen nahm Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher persönlich unter großer Medienbeobachtung den ersten Natur- und Umweltnotruf in Deutschland in Betrieb. Die Bevölkerung konnte sich telefonisch rund um die Uhr wegen Lärm- und Abfallproblemen, Gewässerverschmutzung und Naturzerstörung direkt an den DNR wenden. In der Folgezeit wurden solche Umwelttelefone in Deutschland überall gängige Praxis.  

In seiner Broschüre zum 25-jährigen Bestehen des DNR wird stolz auf das Telefon und seine Erfolge verwiesen. So heißt es darin:  

„Der Natur- und Umweltnotruf Deutschland wurde im Juni 1972 im Generalsekretariat des Deutschen Naturschutzringes in Bonn eingerichtet und mit einem direkten Gespräch zwischen dem Bundesinnenminister Genscher und DNR-Vizepräsident Dr. Sonnemann eröffnet. Mit dieser Anlage, einem automatischen Anrufbeantworter, hält der Deutsche Naturschutz ständig engsten Kontakt mit Bürgern, Behörden und Regierungsstellen. 
So ist es möglich, Umweltschäden mit Hilfe der Bevölkerung aufzudecken und erfolgreich zu bekämpfen. Auch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten erkannte in diesem Notruf eine echte Hilfe für die Bürger und für das Ministerium selbst, speziell in Naturschutzfragen, und sicherte deshalb eine laufende finanzielle Unterstützung zu, die eine Erweiterung ermöglichte. Alle bisher eingegangenen Anrufe wurden in einer Statistik den jeweiligen Sachgebieten zugeordnet.“  

Die meisten Anrufe entfielen demnach auf Lärm- und Geruchsbelästigung sowie Luftverschmutzung. Die Broschüre führt einige Beispiele der Fälle auf und berichtet, dass „fast alle der beim Natur- und Umweltnotruf vorgebrachten Fälle (…) mit positivem Ergebnis abgeschlossen werden (konnten“). 

Funktionsweise

„Der Notruf kann bei Tag und Nacht unter der Telefonnummer 02221 / 44 22 77 beansprucht werden. Die Anrufe werden durch einen automatischen Telefonbeantworter entgegengenommen und innerhalb von 24 Stunden, außer an Wochenenden, bearbeitet. 
 
Der Beschwerdeführer sollte nachfolgend aufgeführte Punkte beachten: 
1. Angabe des Namens des Beschwerdeführers und des Verursachers, wenn bekannt, mit genauer Anschrift einschließlich Postleitzahl. 
2. Kurze und klare Formulierung der Beobachtung bzw. der Beschwerde. 
3. Angabe der Stellen, die bisher schon eingeschaltet wurden und mit welchem Erfolg. Neben dem Anruf ist selbstverständlich auch eine schriftliche Übermittlung möglich. Über das Ergebnis unserer Hilfe bzw. Vermittlung sollten wir immer nach Abschluß des Vorganges durch den Beschwerdeführer unterrichtet werden. 


Unser Grund der Einrichtung und die Erhaltung der Anlage ist nach wie vor unverändert, weil 
• die Lösung der Natur- und Umweltschutz-Probleme ohne die aktive Mithilfe des einzelnen Bürgers nicht erreicht wird; 
• wir festgestellt haben, daß viele Betroffene im Umgang mit Behörden unsicher sind und sich deshalb gern an uns wenden. 
Das Interesse der Bevölkerung an unserem Natur- und Umweltnotruf nimmt ständig zu.“ 

In den nachfolgenden Jahresberichten des DNR ist immer wieder eine Auswertung der eingegangenen Anrufe zu finden. Scheinbar war der Bedarf nach einer "Hotline" sehr groß und Kommunen und Behörden vor Ort mussten extern auf Probleme hingewiesen werden.

schwarz-weiß-Bild eines Telefonats

Zwei Beispiele  

Unverträglicher Lärm  
„Besucher einer Diskothek einer Kleinstadt in Nordrhein-Westfalen verließen oft lärmend, sogar brüllend, gegen 3 bis 4 Uhr morgens das Lokal, weswegen die Anlieger sehr häufig mitten aus dem Schlaf gerissen wurden. Auch das Aufheulen der Motoren und das heftige Zuschlagen der Türen der Pkw's, die teilweise die Straße entlang neben den Häusern abgestellt wurden, sei unerträglich. 
Wir wandten uns mit der Beschwerde an die Gemeindeverwaltung. Mit dem Inhaber der Diskothek wurden daraufhin Überlegungen angestellt, wie die geschilderten Mißstände behoben oder zumindest auf ein erträgliches Maß reduziert werden können. Mit dem Inhaber wurde vereinbart, ein Merkblatt an die Besucher auszugeben mit der Bitte um Verständnis, die Nachbarn durch die Besuche der Diskothek nicht zu stören. Falls dieser Zustand sich nicht ändere, sei der Inhaber gezwungen, das Lokal zu schließen. Beschwerden über nicht erträgliche Belästigungen wurden uns seitdem nicht mehr vorgetragen.“ 

 Müll in der Landschaft 
„Auf einem Grundstück in einer Siedlung in Rheinland-Pfalz hat sich seit geraumer Zeit eine Müllhalde angesammelt von mindestens 1½ m Höhe, und es wurden schon Ratten usw. beobachtet. Vom Ordnungsamt wurde den Betroffenen mitgeteilt, daß im Garten jeder machen könne, was er wolle. Wir berichteten dem besagten Ordnungsamt den Fall und wiesen darauf hin, daß solche Deponien auch im eigenen Garten nicht gestattet werden dürften und daß diese umgehend beseitigt werden müsse. Von den Betroffenen erhielten wir ein Dankesschreiben für unser sofortiges Eingreifen und die Mitteilung, daß der Schutthaufen abgetragen wurde.“