Grüner Ukraineaufbau, Europäischer Konvent und nachhaltige Entwicklung

Nichtregierungsorganisationen fordern einen grünen Wiederaufbau der Ukraine. Rufe nach einem Europäischen Konvent und der Einführung eines Mehrheitsprinzips bei Abstimmungen im Rat werden lauter. In New York werden derzeit die Erfolge bei den Nachhaltigen Entwicklungszielen debattiert – ein Briefing hilft der Parlamentsdelegation bei der Darstellung des Status´ Quo der EU in Sachen SDGs.
Konferenz zum Aufbau der Ukraine endet ohne kohärente Nachhaltigkeitspläne
Umweltorganisationen haben sich besorgt über das Fehlen konkreter Maßnahmen geäußert, wie der Wiederaufbau der Ukraine nach Beendigung des Krieges vonstatten gehen soll. Vom 4. bis 5. Juli hatte eine Konferenz im schweizerischen Lugano stattgefunden (Ukraine Recovery Conference 2022).
25 Nichtregierungsorganisationen aus der Ukraine und aus ganz Europa hatten zu Beginn der Konferenz ein Schreiben an die Europäische Kommission gerichtet und unter anderem konkrete Vorschläge für den Forstsektor unterbreitet. Die Kommission solle dafür sorgen, dass die Bemühungen um den Wiederaufbau der Ukraine (RebuildUkraine) und insbesondere der Solidaritätsfonds für die Ukraine (Ukraine Solidarity Trust Fund ) an strenge soziale und ökologische Bedingungen geknüpft werden. In den Kriegswirren hätten Interessenvertreter von Unternehmen versucht, die ukrainischen Umweltvorschriften zu schwächen, zum Nachteil der Gemeinden, der Umwelt und des Klimas. Unter anderem die Waldschutzorganisation FERN unterstützte das Schreiben.
Der WWF-Ukraine und das Zentrum für Umweltinitiativen „Ecoaction“ forderten die Anerkennung der entscheidenden Rolle, die Natur und saubere Technologien bei der Gewährleistung einer nachhaltigen Erholung vom Krieg spielen müssen. Zwar seien in fast allen Redebeiträgen Konzepte des „besseren Wiederaufbaus“ und der „grünen Erholung“ angesprochen worden, doch wurden kaum konkrete Pläne zur Erreichung dieser Ziele vorgestellt. Bohdan Vykhor, Geschäftsführer des WWF-Ukraine, lobte zwar das ukrainische Umweltministerium für die Planung von Investitionen in neue Schutzgebiete und Wildtierbrücken. Er äußerte aber Enttäuschung darüber „dass auf der Konferenz in dieser Woche nicht erwähnt wurde, wie wichtig es ist, negative Auswirkungen von Entwicklungsprojekten auf die Natur zu vermeiden“. Für einen erfolgreichen Wiederaufbau nach dem Krieg müssten die Regierungen eng mit der lokalen Zivilgesellschaft zusammenarbeiten. Es böte sich „die einmalige Chance, die Ukraine zu einem globalen Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit zu machen und der Welt zu zeigen, wie die Natur dazu beitragen kann, die Erholung vom Krieg zu beschleunigen und Leben und Lebensgrundlagen zu verbessern“, so Vykhor.
Europäischer Konvent soll nationales Veto verhindern helfen
Nachdem Ungarn ein globales Steuerabkommen blockiert hat, hat das EU-Parlament in einer Entschließung am Mittwoch die Prüfung des Einstimmigkeitsgebots bei Ratsentscheidung gefordert. Die Abgeordneten kritisierten, dass Länder ihr Vetorecht in Steuerfragen missbrauchten und forderten eine Wiederaufnahme der Debatte zur schrittweisen Einführung von Mehrheitsentscheidungen.
Die Frage von nationalen Vetos bei EU-Entscheidungen bewegt die europäische Zivilgesellschaft schon länger. Unter anderem bei der Konferenz zur Zukunft Europas kam auch die Forderungen nach einem „Europäischen Konvent“ wieder auf, der die Verfahrensweise bei Ratsentscheidungen auf neue Beine stellen soll. Das EU-Parlament befürwortete die Einberufung eines solchen Gremiums. Die Europa-Union forderte anlässlich dessen, dass ein Konvent unverzüglich einzuberufen sei, damit in Zukunft in relevanten Politikfeldern Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit getroffen sowie ein einheitliches europäisches Wahlrecht inklusive transnationaler Listen und das volle Initiativrecht des Europäischen Parlaments eingeführt werden.
Auch Democracy International kritisierte, dass es der EU schade, wenn einzelne Staaten „einem sinnvollen Wandel im Wege stehen“ oder „einzig ihrem eigenen Interesse zugunsten handeln oder gar versuchen, einen Quid-pro-quo zu erzielen“. Die Organisation setze sich seit ihrer Gründung vor zehn Jahren dafür ein, dass Veränderungen mithilfe eines Europäischen Konvents erreicht werden, damit „die Europäische Union weiterhin eine zuverlässige, vertrauenswürdige Institution sein kann“.
EU-Parlamentsdelegation beim UN-Treffen für nachhaltige Entwicklung
Ein 12-seitiges Briefing im Auftrag des Umweltausschusses im EU-Parlament (ENVI) unterstützt die Delegation des Europäischen Parlaments bei der 10. Tagung des Hochrangigen Politischen Forums für nachhaltige Entwicklung (HLPF) der Vereinten Nationen. Dieses läuft vom 5. bis 15. Juli in New York. Das Papier gibt einen Überblick über die wichtigsten Themen des Treffens, die Fortschritte bei der Umsetzung der Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) durch die EU und die verfügbaren Instrumente und Wege zur Beschleunigung der vollständigen Umsetzung der Agenda 2030. Die Verbindung zu den politischen Prioritäten umfasst SDG 4 (hochwertige Bildung) und SDG 5 (Gleichstellung der Geschlechter), wobei das erstere mit allen SDGs verknüpft ist. SDG 14 (Leben unter Wasser) und SDG 15 (Leben an Land) stehen in Verbindung mit dem Europäischen Green Deal, der biologischen Vielfalt, der Kreislaufwirtschaft, der öffentlichen Gesundheit, der Lebensmittelsicherheit, der Luft- und Wasserqualität sowie dem Einsatz von Chemikalien und Pestiziden. SDG 17 (Partnerschaften) umfasst die externen Dimensionen und die Auswirkungen der EU-Politik auf die globalen Partner der EU.
Die jüngsten Berichte über die Fortschritte bei den SDGs in der EU und weltweit zeigten einen anhaltenden Abwärtstrend der ökologischen und sozialen Ungleichheiten, die durch inkohärente Politiken verursacht wurden, die die Folgen nicht nachhaltiger Wirtschaftswachstumsstrategien weitgehend ignoriert haben. Es sei „zwingend erforderlich“, dass die politischen und finanziellen Rahmenbedingungen aufeinander abgestimmt werden. [jg]
FERN: Environmental And Social Conditions Of ‘Rebuildukraine’
WWF-CEE: Ukraine Recovery Conference: environmental NGOs call for a green post-war reconstruction
Ungarn blockiert globales Steuerabkommen: Parlament kritisiert nationale Vetos
EUD: Europa-Union fordert: Die Zukunftskonferenz ernst nehmen und Konvent einsetzen!
Democracy International: Europäischer Konvent: Was bedeutet das?
Briefing im Auftrag des ENVI: The UN High Level Political Forum (HLPF) on the Sustainable Development Goals, 5-15 July 2022, New York