Meereszustand schlecht, Eis zu wenig, Emissionen zu viel, Seevogelschutz mau

Der Bericht des europäischen Erdbeobachtungsprogramms COPERNICUS bescheinigt den Meeren einen alarmierend schlechten Zustand. Schmelzendes Eis und zu hohe Schiffsemissionen rufen Protest der Clean Arctis Alliance hervor. BirdLife fordert zentrale Datenbank und besseren Schutz von Seevögeln, um Ausbau der Offshore-Windkraft naturverträglicher zu gestalten.
Zu warm, zu sauer, zu schmutzig – COPERNICUS-Bericht fasst Zustand der Meere zusammen
Der am letzten Mittwoch veröffentlichte 5. Zustandsbericht über die Meere zeigt gravierende Veränderungen der physikalischen und biochemischen Werte sowie immer schneller schmelzende Landeismassen. Erarbeitet wurde der Bericht von etwa 150 Wissenschaftler*innen aus 30 europäischen Institutionen im Meeresumweltüberwachungsdienst des europäischen Erdüberwachungsprogramms COPERNICUS.
Nach Angaben des Weltklimarats IPCC hat der vom Menschen verursachte Klimawandel bereits zu einer globalen Erwärmung von etwa 1,1 Grad Celsius beigetragen und beispiellose Veränderungen verursacht, die sich auf den Ozean, seine Küsten und seine Zusammensetzung auswirken. Die letzten beiden Jahre zeigen einen Negativrekord bei Ausdehnung und Dicke des arktischen Meereises. Dieses gehe seit dreißig Jahren immer weiter zurück, pro Jahrzehnt um minus 12,89 Prozent. Zudem versauerten die Meere immer mehr.
In Europa sei außerdem seit Langem die Eutrophierung ein Problem für die Wasserqualität und beeinträchtige nachweislich das Funktionieren der Ökosysteme. Die Nährstoffverschmutzung durch landgestützte Aktivitäten wie Landwirtschaft und Industrie verschlechterten die Wasserqualität und erhöhten die günstigen Bedingungen für die Eutrophierung – ein Phänomen, das zu Algenblüten führe, den Sauerstoffgehalt verringere und die Ökosysteme störe.
Internationale Schifffahrtsorganisation muss mehr gegen Eisschmelze und Emissionen tun
Auch das US-amerikanischen National Snow and Ice Data Center (NSIDC) hat dramatische Werte zum Arktiseis veröffentlicht. Demnach hat das Sommereis die zwölftniedrigste Ausdehnung aller Zeiten erreicht und die Menge an mehrjährigem Eis, das mindestens eine Sommerschmelzsaison überstanden hat, sei auf einem der niedrigsten Niveaus seit 1984. Ein Grund für die Clean Arctic Alliance, im Vorfeld der Tagung des Meeresumweltausschusses (MECP) der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation IMO im November eine dringende Reduzierung der Rußemissionen aus der Schifffahrt zu fordern. Jährlich gingen rund 80.600 Quadratkilometer Meereis verloren, das entspreche der Größe von Österreich. Der Zustand des arktischen Meereises und die kaskadenartigen Auswirkungen des Klimawandels machten die derzeit von der IMO vorgeschlagenen Klimaziele und Zeitpläne völlig unzureichend. „Die Maßnahmen, die im November von der IMO verabschiedet werden sollen, müssen unbedingt verschärft werden, um sicherzustellen, dass sie zu einer schnellen und tiefgreifenden Senkung der CO2- und Rußemissionen von Schiffen führen, insbesondere von solchen, die die Arktis anlaufen“, so die Clean Arctic Alliance. Die internationale Schifffahrt stünde nicht außerhalb des Pariser Abkommens. Ein Fünftel der klimawirksamen Emissionen der Schifffahrt stammten aus Ruß und vier Fünftel aus CO2. Dabei sind die Auswirkungen der Rußemissionen von Schiffen in und nahe der Arktis aufgrund ihrer Nähe zu Schnee und Eis unverhältnismäßig größer als die anderer Quellen von Rußemissionen, stellte das Bündnis, zu dem auch die Meeresschutzorganisation Seas At Risk gehört, klar.
BirdLife-Bericht über Windkraft auf See und deren Einfluss auf die Seevogelpopulationen
Das massive Ausmaß der geplanten Offshore-Windkraftanlagen in den nördlichen Meeren Europas stellt eine Bedrohung für die Seevogelpopulationen dar. Das ergab ein Bericht von BirdLife zur Auswirklung der Offshore-Windenergie auf Seevögel in der Nord- und Ostsee. Denn Vögel wie Dreizehenmöwe oder Basstölpel wandern zwischen Brut- und Überwinterungsgebieten oder ziehen saisonal an den Küsten entlang. Wenn sich die Routen mit den Standorten Offshore-Windparks kreuzen, stellt das ein hohes Risiko für Kollisionen.
Die langfristige Dekarbonisierungsstrategie der Europäischen Union sehe vor, dass die Offshore-Windenergie bis zum Jahr 2050 rund 30 Prozent des europäischen Strombedarfs deckt: Das sei etwa das 20-fache der heute in Europa verfügbaren Offshore-Windkapazität, so BirdLife. Die Energiewende sei zwar unerlässlich, um die Klimakrise zu bewältigen. Doch das schiere Ausmaß dieser Entwicklungspläne, insbesondere in Verbindung mit anderen anthropogenen Belastungen auf See wie Öl- und Gasabbau, Schifffahrt, Fischerei, Mineralienabbau gebe Anlass zu großen Bedenken. Um negative Auswirkungen auf die Meeresfauna und -flora zu vermeiden, müsse die Entwicklung von Offshore-Windparks effizient geplant werden. „Der erste Schritt sollte darin bestehen, die Entwicklung von Seevogel-Hotspots und kritischen Lebensräumen fernzuhalten“, heißt es in dem Bericht. Vorhandene Daten müssten in einer zentralisierten und öffentlich zugänglichen Datenbank zusammengefasst werden. Zudem sei eine solide Meeresraumplanung erforderlich, die sich auf wissenschaftliche Forschung und Expertenwissen stütze. Das Problem sei grenzüberschreitend und erstrecke sich über Meeresbecken, weshalb die Zusammenarbeit und der Datenaustausch zwischen den Nationen wichtig sei. So könne der Ausbau der erneuerbaren Offshore-Windenergie besser geplant und gleichzeitig die Natur und die Meeresumwelt geschützt werden. [jg]
COPERNICUS: 5. Zustandsbericht der Meere Zusammenfassung (engl) und Full Report
Berichterstattung/Spektrum: Weltmeere in schlechter Verfassung
Berichterstattung/tagesschau: EU-Bericht zum Zustand der Meere: "Nie dagewesene Belastung für den Ozean"
Seas At Risk: Arctic Sea Ice Minimum: UN Shipping Body Must Act On Black Carbon Emissions
BirdLife-Pressemitteilung: How offshore wind development impacts seabirds in the North Sea and Baltic Sea
und Report (31 p., PDF, engl.): Impact of offshore wind development on seabirds in the North Sea and Baltic Sea: Identification of data sources and at-risk species.
Fischerei-News
PECH-Ausschuss über die Zeit nach dem Brexit, neuer Streit zwischen Frankreich und Großbritannien
In seiner Sitzung am 27. September hat der Fischereiausschuss im EU-Parlament (PECH) über den Initiativbericht zur Zukunft der Fischerei im Ärmelkanal und anderen gemeinsam befischten Gewässern nach dem Brexit diskutiert. So könnten die Ökosysteme weiter leiden, wenn die Höchstfanggrenzen aus politischen Gründen nicht eingehalten werden. Vor allem kleinere Fischereibetriebe äußern große Sorgen. Laut Berichterstattung von euronews sind beispielsweise nur 12 von 47 vom französischen Boulogne-sur-Mer angefragten Fischereilizenzen von den britischen Behörden genehmigt worden. Insgesamt erhielten wohl nur 100 von 175 Lizenzanfragen eine Genehmigung, was die französische Regierung entrüste. Frankreich halte dies für einen Verstoß gegen das Post-Brexit-Abkommen. Bereits vor einigen Monaten war der Streit soweit eskaliert, dass die Marine eingeschaltet wurde. Weiterlesen
Außerdem: Berichterstattung aus dem PECH über den PECH im Trawler September 2021.