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Eine Verfassung für den Verkehr: Warum wir das Bundesmobilitätsgesetz brauchen
News | 07.04.2021
#Mobilität

Eine Verfassung für den Verkehr: Warum wir das Bundesmobilitätsgesetz brauchen

Gerade im Verkehr passiert für den Klimaschutz zu wenig, die Treibhausgasemissionen liegen heute – abgesehen von dem durch die Corona-Pandemie verursachten Sondereffekt – auf dem gleichen Niveau wie 1990. Bis 2030 sollen sie aber, durch das Klimaschutzgesetz verbindlich verordnet, um 42 Prozent sinken. Da die EU im Dezember vergangenen Jahres beschlossen hat, ihr Klimaziel für 2030 nochmal nachzuschärfen, werden auch die Anforderungen an die nationalen Ziele steigen – und damit wird auch der Verkehr seine Emissionen schneller senken müssen. 2050 soll Deutschland sogar „weitgehend treibhausgasneutral“ sein.

Zu viele Verkehrstote, zu viele Parkplätze
Doch auch über den Klimaaspekt hinaus ist unsere Verkehrspolitik problembehaftet: Zu viele Menschen werden auf deutschen Straßen schwer oder sogar tödlich verletzt, Barrierefreiheit scheint vielerorts ein Fremdwort zu sein und besonders in unseren Städten ist der knappe und daher wertvolle öffentliche Raum mit parkenden Autos zugestellt. Mit dem bestehenden rechtlichen Regelwerk wird es uns nicht gelingen, diese vielfältigen Probleme des Verkehrs zu lösen. Die Grundzüge dieses Regelwerks stammen überwiegend aus den 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts und wurden mit der Absicht geschaffen, die Massenmotorisierung herbeizuführen. Bis heute hat im Straßenverkehrsrecht ein flüssiger und leichter Autoverkehr noch immer höchste Priorität. Dabei hat sich längst gezeigt, dass diese Form der Mobilität an ihre Grenzen stößt.

Deutschland braucht also Impulse für eine umfassende Verkehrswende – und zwar jetzt. Deshalb gehört jetzt auf die politische Tagesordnung, die juristischen Grundlagen für eine integrierte, sozial- und umweltverträgliche Verkehrspolitik zu schaffen und dieser damit eine „Verfassung“ zu geben: ein Bundesmobilitätsgesetz. Ein solches Gesetz setzt genau dort an, wo die bisherige Verkehrspolitik festgefahren ist und die meisten ihrer Probleme wurzeln. Denn bislang ist es so: Diverse Gesetze und Planungswerke laufen nebeneinanderher. Dem Verkehrsrecht fehlen sowohl eine weitsichtige, verkehrsträgerübergreifende Planung als auch eine Koordination der verschiedenen staatlichen Ebenen.

 

„Deutschland braucht … Impulse für eine umfassende Verkehrswende – und zwar jetzt. Deshalb gehört jetzt auf die politische Tagesordnung, die juristischen Grundlagen für eine integrierte, sozial- und umweltverträgliche Verkehrspolitik zu schaffen und dieser damit eine Verfassung zu geben: ein Bundesmobilitätsgesetz.“
Kerstin Haarmann

Auch die Aufstellung von Bundesverkehrswegeplänen beseitigt die Defizite nicht. Denn hier werden Planungen auf Basis alter und teilweise längst überholter Kriterien angestellt: Straßen werden gebaut und geplant, als gäbe es kein Morgen, keinen Klimawandel, als bräuchte es keine Verkehrswende für den Klimaschutz. Auf diese Weise bleibt die Verkehrspolitik in obsoleten Entscheidungen gefangen. Wir müssen von einer überholten Logik wegkommen: Nur weil wir viele Autos auf den Straßen sehen, müssen wir nicht noch mehr Straßen für noch mehr Autos bauen.

Straßenraum für alle
Vielmehr sollte der Ausgang unserer Planungen die Vision dessen sein, wo wir hinwollen: Klimaschutz, Gesundheit, bezahlbare und barrierefreie Mobilität für alle sowie die Vision Zero, null Verkehrstote. Genau das sind die Richtlinien für ein Bundesmobilitätsgesetz, das damit auch den Rahmen setzen soll für alle nachfolgenden Gesetze, Planungen und Verordnungen im Verkehrsbereich. Das Gesetz soll jedoch keine konkreten Maßnahmen festschreiben. Diese sind weiterhin Ergebnis einer integrierten Planung auf allen Ebenen. Vielmehr setzt das Gesetz die Maßgabe, dass die Maßnahmen und Planungen zum Erreichen der übergeordneten Ziele beitragen.

Aktuell entwickelt der VCD gemeinsam mit Expert*innen aus seinem Wissenschaftlichen Beirat sowie Praktiker*innen die Grundzüge des Gesetzes und lässt die rechtlichen Möglichkeiten für ein solches Bundesgesetz prüfen. Gleichzeitig führt der Verkehrsclub Gespräche mit Parteien und Politiker*innen, um das Bewusstsein für die Notwendigkeit eines Bundesmobilitätsgesetzes zu schärfen. Ziel ist es, dass die nächste Bundesregierung ein solches Gesetz auf den Weg bringt. Auch die Bürger*innen will der VCD von der Notwendigkeit der Neuregelung der rechtlichen Basis der Mobilität überzeugen.

Diese Herausforderung zu stemmen, steht nun auf der politischen Tagesordnung. Denn wir müssen jetzt die Voraussetzungen dafür schaffen, dass wir die für das Jahr 2050 vereinbarten Klimaschutzziele erreichen können. Darüber hinaus brauchen wir das Bundesmobilitätsgesetz, damit wir endlich sicher, sauber und gut unterwegs sein können, ohne die Umwelt und unsere Gesundheit zu belasten. 

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Die Autorin

Die Juristin Kerstin Haarmann ist seit 2018 Bundesvorsitzende des Verkehrsclub Deutschland (VCD) und seit März Mitglied im Präsidium des DNR.

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