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Radverkehr: Skandinavien setzt Maßstäbe
News | 07.04.2021
#Mobilität

Radverkehr: Skandinavien setzt Maßstäbe

Anhand von 13 Bewertungskriterien vergibt die Copenhagenize Design Company, eine städtebauliche Beratungsfirma, mit diesem Index Noten und Bewertungen an weltweite Großstädte mit mehr als 600.000 Einwohnern. Zu den Kriterien gehören unter anderem: Bike-Sharing-Programme, Fahrradkultur, Akzeptanz von Radfahrer*innen, Verkehrsberuhigung, Fahrradinfrastruktur. Der Begriff Copenhagenize steht inzwischen als Synonym für die gezielte Subvention des Radverkehrs. Die Förderung desselben trägt erheblich zum Übergang von industriell geprägten Metropolen zu lebenswerten, umweltfreundlichen Städten bei.

War bei den ersten beiden Erhebungen Amsterdam Spitzenreiter, führt seit 2015 ununterbrochen Kopenhagen die Rangliste der ausgezeichneten Städte an. Unter den Top Five war 2017 Schwedens fahrradfreundlichste Kommune: Malmö (Berlin belegte im selben Jahr Platz 10). Auch wenn die Stadt auf der östlichen Seite des Öresunds 2019 nicht mehr beim CI berücksichtigt wurde, weil sie nur gut 300.000 Einwohner*innen hat, gilt sie doch als Musterbeispiel dafür, wie es trotz stetigen Wachstums gelingen kann, den Wandel zur Eco City zu vollziehen.

Malmö war weltweit die erste Stadt, die eine Strategie anhand der UNO-Ziele für nachhaltige Entwicklung etabliert hat. Nach dem Wegfall der Werftindustrie in den 1980er-Jahren entwickelte sich die Stadt zur Universitäts- und Dienstleistungsmetropole. Für die Stadtplanung bis 2035 spielt eine umweltgerechte Verkehrsplanung dabei eine große Rolle.

Neben den Radler*innen haben in Malmö Fußgänger*innen und der öffentliche Nahverkehr Vorrang vor dem motorisierten Individualverkehr. Knapp 500 Kilometer Radwege stehen den rund 350.000 Einwohner*innen zur Verfügung. Zum Vergleich: In Berlin gibt es für fast 3,8 Millionen Menschen etwa 1.120 Kilometer Fahrradwege (Stand 2020).

 

„Malmö war weltweit die erste Stadt, die eine Strategie anhand der UNO-Ziele für nachhaltige Entwicklung entwickelt hat. Nach dem Wegfall der Werftindustrie in den 1980er-Jahren entwickelte sich die Stadt zur Universitäts- und Dienstleistungsmetropole. Für die Stadtplanung bis 2035 spielt eine umweltgerechte Verkehrsplanung dabei eine große Rolle.“
Marion Busch
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Aber nicht allein die Streckenlänge der Fahrradrouten ist ausschlaggebend für einen nachhaltigen Veloverkehr, sondern auch die entsprechende Infrastruktur, die Akzeptanz durch Einbindung der Bürger*innen und die Verkehrssicherheit.

Beispiel Infrastruktur: Es gibt am Hauptbahnhof in Malmö ein Fahrradparkhaus, entlang der Radwege finden Nutzer*innen in regelmäßigen Abständen Pumpstationen für ihre platten Reifen. Viele Malmöer*innen fahren mit dem Rad zur Arbeit, der Radverkehrsanteil liegt bei ungefähr 30 Prozent. Zum Vergleich: Bei der letzten Erhebung in Berlin 2019 lag der Anteil in der deutschen Hauptstadt bei 18 Prozent. Malmö geht noch weitere Schritte: Seit 2017 gibt es das Cykelhuset Ohboy – ein Wohnhaus und Fahrradhotel, das konsequent und ausschließlich auf die Bedürfnisse der urbanen Fahrradmobilität zugeschnitten ist. Auf sieben Etagen befinden sich 55 Wohnungen und 33 Motelzimmer für Radfans. Hier sind nachhaltige Mobilität und Energieeffizienz unter einem Dach vereint – vorbildlich für eine fahrradgerechte Urbanität.

Beispiel Bürgerbeteiligung: Weitere Zutat des Patentrezepts für eine fahrradfreundliche Kommune ist die Steigerung der Akzeptanz durch aktive Mitwirkung der Bürger*innen an der Verkehrswende. Hier verfolgt die Stadtverwaltung den partizipativen Ansatz der Dialogeinheit. Dabei werden mit maximaler Transparenz die Anlieger, Geschäftsleute, Kund*innen und Nutzer*innen in die Planung eingebunden und der tatsächliche Bedarf sowie individuelle Bedürfnisse erfasst. So wurde etwa in der Friisgata, einer Autostraße in der Innenstadt, nach einer Abstimmung mit allen Beteiligten eine sogenannte Sommerstraße – eine Art Fußgängerzone mit Radverkehr – geschaffen. Für fünf Monate wurde die Straße für den Autoverkehr gesperrt, Radfahren war erlaubt, und die Menschen konnten ungestört flanieren und sich auf der Straße aufhalten. Das schafft Akzeptanz. Und weil die Sommerstraße so ein Erfolg war, soll sie jedes Jahr wieder ins Leben gerufen werden.

Beispiel Verkehrssicherheit: An zahlreichen Kreuzungen genießen Fahrradfahrer*innen Vorfahrt, es gibt viele Schwellen und erhöhte Fahrbahnbereiche vor Fußgänger- und Fahrradüberwegen, die überdies mit dem Verkehrsschild „Fahrradüberweg“ gekennzeichnet sind, was den Radler*innen etwa neben dem Zebrastreifen die freie Überfahrt erlaubt.

Ein solches Verkehrszeichen „Fahrradüberweg“ kann auf Bundesebene in der Straßenverkehrsordnung (StVO) geregelt werden. In dieser Legislatur wird das nicht mehr geschehen. Der amtierende Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hält am Vorrang des Autoverkehrs fest. Er hat es versäumt, das Straßenverkehrsrecht fahrradfreundlich zu modernisieren. Für einen besseren Radverkehr bietet die Zeit während und nach der Coronakrise enormen Gestaltungsspielraum. Denn die Innenstädte werden nicht mehr so sein wie vor der Pandemie. Die Chance, den öffentlichen Raum umwelt- und menschengerecht neu zu verteilen, liegt künftig womöglich in anderer politischer Verantwortlichkeit.

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Die Autorin

Marion Busch ist Journalistin und Lektorin und arbeitet unter anderem für den DNR. Hauptsächlich schreibt sie über Umwelt- und Gesellschaftsthemen.

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LNV-Info März

Im April hat der Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg das LNV-Info 03/2021 „Beleuchtung außerörtlicher Radwege – gemeinsame Empfehlungen von BUND, LNV, NABU und der Fachgruppe Dark Sky“ veröffentlicht. Darin sind für alle Interessierten Tipps enthalten, um Anfragen nach Beleuchtung außerörtlicher Radwege zu beantworten.

 

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