Traurige Halbzeitbilanz des Pestizid-Aktionsplans der Bundesregierung

Als „Papiertiger“ bezeichnet eine Allianz aus Umwelt-, Imker- und  Verbraucherverbänden den Entwurf des „Nationalen Aktionsplans zum  Nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln“ (NAP) der  Bundesregierung. Das Pestizidreduktionsprogramm wird heute und am  morgigen Donnerstag in Potsdam auf Einladung des  Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL) mit Vertretern der  agrochemischen Industrie, des Bauernverbandes, von Bundesbehörden,  Bundesländern, Anbauverbänden und mit anderen Akteuren beraten. 
Deutscher  Naturschutzring (DNR), Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland  (BUND), Greenpeace, Naturschutzbund Deutschland (NABU), das Pestizid  Aktions-Netzwerk (PAN Germany) und der Deutsche Berufs- und  Erwerbsimkerbund (DBIB) kritisieren, dass trotz hehrer Ankündigen zur  Pestizidreduktion der Inlandsabsatz von Pestiziden im Zeitraum von 2001  bis 2014 um etwa ein Drittel stieg. Die Verbände-Allianz war daher 2011  aus dem Beteiligungsprozess des Bundeslandwirtschaftsministeriums  ausgestiegen. Trotz der massiven Belastung von Gewässern, des  alarmierenden Rückgangs der Artenvielfalt sowie der Zerstörung und  Kontaminierung von Lebensräumen und Lebensmitteln durch Herbizide,  Fungizide und Insektizide enthalte der Pestizid-Plan der Bundesregierung  keine wirksamen Maßnahmen, um Menschen, Natur und Umwelt zu schützen,  bemängeln die Verbände. CDU/CSU und SPD hatten in ihrem  Koalitionsvertrag das Ziel formuliert, Pflanzenschutzmittel so  einzusetzen, dass Risiken für Mensch, Tier und Naturhaushalt minimiert  werden. 
„Wir alle tragen die Folgekosten einer zunehmenden  Chemisierung der Landwirtschaft. Besonders schwer trifft es die  Wasserversorger, die pestizidbelastete Rohwässer reinigen müssen,  Menschen, die über Pestizid-Abdrift und Rückstände einer ständigen  Pestizid-Belastung ausgesetzt sind, sowie akut oder chronisch erkrankte  Landwirte. Auch die biologische Vielfalt in den Agrarlandschaften  verarmt beständig durch den flächendeckenden Pestizideinsatz“, sagte  DNR-Generalsekretär Florian Schöne. 
„Der Nationale Aktionsplan  zum Nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ist ein  hervorragendes Beispiel für erfolgloses Politikmanagement. Viel Geld  wird ausgegeben und enorme Zeit verschwendet, erreicht wird aber viel zu  wenig. Die Menge von Pestiziden in der Agrarlandschaft ist nicht mehr  akzeptabel. Menschen, Artenvielfalt und Gewässerqualität nehmen  ernsthaft Schaden“, sagte der BUND-Pestizidexperte Tomas Brückmann. 
„Der Aktionsplan soll die negativen Auswirkungen einer zunehmend  Pestizid-intensiven Landwirtschaft reduzieren. Doch anstatt Mensch,  Natur und Umwelt zu entlasten, versilbert sich die agrochemische  Industrie mit Pestiziden wie Glyphosat die Bilanzen. Es ist aber nicht  in ihrem Interesse, Bienen besser zu schützen, feste ungespritzte  Randstreifen an Gewässern zum Schutz vor Kontamination durchzusetzen und  die ökologisch bewirtschaftete Fläche auszuweiten, denn dies würde ihre  Gewinne reduzieren", sagte Christiane Huxdorff,  Greenpeace-Landwirtschaftsexpertin. 
„Weder der Umfang der  Naturschutzflächen noch die derzeitige Ökolandbaufläche reichen aus, um  das Artensterben im Agrarraum annähernd zu bremsen. Solange der  konventionelle Landbau noch den überwiegenden Teil der Flächen prägt und  sogar Schutzflächen beeinflusst, muss er ökologische  Mindestanforderungen erfüllen und darauf kann nicht mehr endlos gewartet  werden. Gleichzeitig muss endlich der ökologische Landbau so gefördert  werden, dass das im NAP verankerte Flächenziel von 20 Prozent ökologisch  bewirtschafteter Fläche zeitnah erreicht wird. Anstatt den Aktionsplan  nur zu verwalten, muss die Politik ihn endlich mutig vorantreiben, sonst  stirbt auf den Feldern die Vielfalt endgültig“, kritisierte Susan  Haffmans von PAN Germany.
„In der deutschen Agrarlandschaft ist  ein beispielloses Artensterben zu beobachten. Der Einsatz von Pestiziden  in der industriellen Landwirtschaft und die damit verbundenen neuen  Anbaumethoden lassen die Vögel des Offenlandes verschwinden. Rebhuhn und  Kiebitz brüten in Deutschland kaum noch. Selbst ein Allerweltsvogel wie  die Feldlerche ist vielerorts nicht mehr zu beobachten. Zwei Drittel  aller Vögel der Agrarlandschaft stehen auf der Liste der  bestandsbedrohten Tierarten“, sagte Lars Lachmann,  NABU-Vogelschutzexperte. 
Weitere Informationen:
www.bund.net/themen_und_projekte/chemie/pestizide/50_jahre_stummer_fruehling/ 
www.pan-germany.org/deu/projekte/biodiversitaet.html



