Sozial-ökologische Transformation
Wie lassen sich ökologische und soziale Gerechtigkeit miteinander verknüpfen? Dies ist eine Schlüsselfrage für die Zukunftsfähigkeit moderner Gesellschaften. Die Fragen sozial-ökologischer Transformation müssen aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet werden. Postwachstum, Degrowth, Ökonomie 2.0, neue Konzepte des Zusammenlebens... Lesen Sie mehr.
Transformationsmodelle
Verschiedene Akteure haben sich Gedanken gemacht, wie systemischer Wandel entstehen kann. Welche Akteure sind dabei zentral? In welchen Stadien und Zyklen verläuft Wandel? Welchen Herausforderungen müssen sich Akteure stellen, die gesellschaftlichen Wandel gestalten möchten? Hier stellen wir verschiedene Modelle und Theorien vor, die erklären, wie Transformation von statten gehen kann.

Wie geschieht tiefgreifender Wandel, und wie können wir ihn begleiten? Wie finden wir angesichts aktueller Herausforderungen neue Lösungen jenseits eines ‚weiter so’, die das Wohl des Ganzen im Blick haben – sei es in großen gesellschaftlichen Fragen oder bei der Entwicklung eines neuen Projektes? Für solche Fragen bietet die Theorie U einen theoretischen Hintergrund, sowie konkrete praktische Schritte und Methoden.
Entwickelt wurde der Ansatz von Otto Scharmer und Kolleg*innen vom MIT aus zahlreichen Interviews mit Pionier*innen des Wandels (change agents) und hat Wurzeln u.a. in der Aktionsforschung zu Organisationen, östlichen Achtsamkeitstraditionen und Goethes Vision einer ganzheitlichen Wissenschaft.
Im Gegensatz zu den uns gewohnten Denkmustern von Zielsetzung und Meilensteinen, um von Situation ‚A’ zu ‚B’ zu gelangen, ist der Ausgangspunkt hier: Eine wirklich neue Situation können wir im Status Quo gar nicht denken, ohne diesen erst einmal zu verlassen. Wir müssen ‚A’ vergessen, bevor wir auf neue Ideen kommen können, die jenseits von ‚B’ liegen. ‚B’ wäre ohnehin nur der nächste Buchstabe im gleichen Alphabet.
Dazu beschreibt Otto Scharmer folgende Schritte:
1. Entdecken der (gemeinsamen) Intention (co-initiating). Fragen „Warum sind wir unterwegs?“ „Welche Aufgabe ‚ruft’ mich, ‚ruft’ uns?“ „Wer noch sollte Teil dieser Unternehmung sein?“
2. (Gemeinsames) Erkunden und Eintauchen in das zu verändernde System (co-sensing). Was ist schon alles da? Sammlung von Daten, Informationen, Perspektiven auf die Situation – dabei sind vor allem die ‚Ränder’ des Systems besonders reich an Lernmöglichkeiten!
3. Reflektieren, Loslassen und Innehalten (co-inspiring): das höchste Potenzial der Situation erspüren (Scharmer nennt dies „presencing“, eine Wortschöpfung aus präsent sein und „sensing“=erspüren)
4. Neue Ideen auftauchen und wachsen lassen (co-creating). Hier geht es darum, sehr konkret zu sein und gleichzeitig neuen Ideen den Raum zu geben, den sie brauchen. Als Prototypen werden diese Ideen getestet und weiterentwickelt. Nicht Fehlerlosigkeit, sondern schnelles Lernen steht im Mittelpunkt.
5. Was sich solchermaßen bewährt hat, wird verstetigt und an anderen Orten und Ebenen weiter verfeinert (co-evolving). Hierbei handelt es sich nicht um das klassische ‚upscaling – vielmehr werden Mikro-, Meso- und Makro-Ebenen verbunden, das Neue aus Sicht des Ganzen weiterentwickelt.
Diese Schritte bilden eine U-Form (siehe Grafik), die sowohl das Eintauchen in ein Themenfeld als auch den inneren Prozess der Beteiligten symbolisieren soll: „Der Erfolg einer Intervention gründet in der inneren Verfasstheit des Intervenierenden”, formuliert Bill O’Brien. Diese innere Verfasstheit oder „Struktur unserer Aufmerksamkeit“, wie Otto Scharmer sagt, ist zugleich blinder Fleck und stärkster Hebelpunkt für Veränderungen.
Erkennen und gut üben lässt sich diese innere Verfasstheit am Zuhören: Die Theorie U beschreibt vier Ebenen des Zuhörens bzw. der Aufmerksamkeit, die sich in unseren Gesprächen, aber auch in unseren Organisationen auf Mikro- Meso- und Makro-Ebene widerspiegeln, und die radikal verschiedene Ergebnisse dieser Gespräche bewirken. Wie kann ich mich beispielsweise auf der 4. Ebene des Zuhörens, nicht nur von meiner eigenen Perspektive lösen und mich auf andere Sichtweisen einlassen, sondern mich mit dem Potenzial der Situation verbinden, um einer neuen, im Entstehen begriffenen Zukunft Raum zu geben? Solchermaßen ‚generatives’ Zuhören bedeutet loslassen eigener Vorstellungen und Konzepte und die Überwindung der Angst vor der Leere und dem Nicht-Wissen.
Mit verschiedenen solcher Praktiken können wir mehr mit Verständnis für das Ganze handeln und vom ‘Ego-System-Bewusstsein’, aus dem die Krisensymptome unserer Zeit entstehen, zu einem 'Öko-System-Bewusstsein' gelangen. Natürlich gibt es auch detaillierte und ganz konkrete Methodenbeschreibungen, um die hier beschriebenen Prozess zu unterstützen. Vieles dazu ist auf auf der Seite www.presencing.org zu finden. Dort findet sich auch ein Theory U online Kurs (U.Lab).
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Henrike Lindemann und Benjamin Kafka sind Gründer*innen von Impuls, der Agentur für angewandte Utopien in Berlin. Impuls begleitet Gruppen aller Art in Entwicklungs- und Transformationsprozessen.

Die Drei Ebenen des Transformativen Wandels
Umweltverbände, die langfristig glaubwürdig bleiben wollen, müssen sich über die akute Problemlösung und über das politische Tagesgeschäft hinaus damit beschäftigen, wie sie einen Beitrag in Richtung eines lebensdienlichen Wirtschaftsmodells leisten können, das ohne zerstörerische Wachstumslogik funktioniert.
Dies erfordert eine systemische Herangehensweise sowie eine konsequente Auseinandersetzung damit, wie ein grundlegender Systemwandel unterstützt werden kann, der nicht auf der Ebene der Krisensymptome ansetzt, sondern das Gesamtsystem in den Blick nimmt, das die Krise hervorbringt.
Mit dieser Fragestellung setzt sich das Smart CSOs Lab auseinander, ein Netzwerk von Aktivist*innen und Wissenschaftler*innen, die die Entwicklung von wirksamen zivilgesellschaftlichen Strategien für einen systemischen Wandel zum Ziel haben.
Das Smart CSOs Lab arbeitet mit einem Drei-Ebenen-Modell (siehe Grafik) für systemischen gesellschaftlichen Wandel. In diesem Modell befinden sich die drei Ebenen Kultur, Regime und Nischen in einem dynamischen Wirkungszusammenhang. Das Modell hilft als Werkzeug des systemischen Denkens dabei, zu prüfen, wie eine zivilgesellschaftliche Strategie oder Kampagne auf den jeweiligen drei Ebenen wirkt und ob sie dabei den Wandel auf einer anderen Ebene hemmt oder bestärkt. Die drei Ebenen lassen sich folgendermaßen beschreiben:
Kultur: Es gilt zu beachten, dass Strategien und Kommunikation nicht systemstabilisierende Werte wie Wachstum, Konsumdenken und Eigennutz reproduzieren, sondern Werte wie Suffizienz, Gemeinschaftlichkeit und Solidarität stärken. Aus der kognitiv-linguistischen Forschung wissen wir, dass der gezielte Einsatz von wertebasierter Kommunikation und Sprache das gesellschaftliche Denken und die gesellschaftlichen Werte beeinflussen kann.
Regime: Alternative Institutionen eines neuen Systems entstehen erst allmählich und entwickeln sich zunächst in den Nischen. Bei der Strategieentwicklung für Kampagnen auf der institutionellen Ebene sollte der längerfristige systemische Wandel als Ziel mitberücksichtigt werden. Politische Forderungen sollten in neue sinnstiftende Narrative (siehe Kultur) eingebettet werden, um eine Stärkung nicht-zukunftsfähiger Institutionen und Denkmuster zu vermeiden.
Nischen: Die Modelle solidarischen und genügsamen Lebens, Arbeitens und Wirtschaftens werden in vielfältigen, dezentralen Initiativen experimentell erprobt. Damit aus diesen sozialen Innovationen ein neues System entstehen kann, gilt es, die Pioniere des Wandels zu entdecken und zu benennen, sie miteinander zu vernetzen, sie durch Erfahrungsaustausch und gemeinsame Lernräume zu stärken sowie sie in der breiten Öffentlichkeit als inspirierende, praktizierbare alternative Lebensweisen sichtbar zu machen.
Der Autor Micha Narberhaus hat das Smart CSOs Lab mitbegründet und arbeitet dort im Bereich strategische Entwicklung und Forschung.

Das Berkana Institute selbst ist ein lebendes Experiment für Selbstorganisation. Das Leitbild des Berkana Instituts lautet: “Was auch immer das Problem, Gemeinschaft ist die Antwort”. In den Augen der Mitglieder des Instituts sind starke und dauerhafte Verbindungen zwischen Menschen (und zwischen Menschen und ihrer Lebenswelt) die Basis und Schlüssel für das Bemühen, die globalen Ökosysteme zu schicken – indem resiliente Gemeinschaften und soziale Strukturen in den Mittelpunkt gerückt werden.
Das „Zwei-Schleifen Modell“ ist hierbei das Herzstück der Idee von gesellschaftlichem Wandel. Wie wir in dem Model sehen, beginnt Wandel dort, wo ein System seinen Höhepunkt (im Sinne der größten Ausdehnung, des Alleinstehungsmerkmales und allgemein des „Erfolges“ – wie auch immer dieser definiert wird) erreicht. Um es greifbar zu machen: Mit dem Zerfall der Sowjetunion steht dem globalen Kapitalismus kein Gegenmodell mit entgegen. Dies wurde auch so gedeutet, als sei die Marktwirtschaft das bessere System. Gleichzeit merken wir, wie eine Krise nach der anderen ausgerufen wird – Ölkrise, Finanz- und Wirtschaftskrise, Klimakrise, gepaart mit der spirituellen Krise des Individuums. Heute ist es Salonfähig zu sagen, die kaum mehr soziale Marktwirtschaft diene nicht dem Menschen. Sie befriedigt menschliche Bedürfnisse nicht.
In dem Zwei-Schleifen Modell wird auch deutlich, wie bereits zu dem Zeitpunkt der größtmöglichen Ausdehnung isolierte Alternativen langsam zu keimen beginnen und so den Weg zu etwas Neuem bereiten. Das Modell veranschaulicht, wie Systeme entstehen, zusammenbrechen und sich langsam in etwas Neues verwandeln. Das Modell ermöglicht aber auch, bestimmte Rollen und Aufgaben zu definieren, der diesen Wandelprozess unterstützt (in blau). Genauso stellen die Urheber*innen heraus, dass es keine Patenlösungen gibt, um der steigenden Armut oder der Umweltzerstörung entgegenzutreten. Nach dem Berkana Insitut wird Wandel dadurch ermöglicht, dass Menschen auf lokaler Ebene zusammenkommen, sich austauschen, voneinander lernen und gemeinsam Lösungen finden, um ihre Bedürfnisse bestmöglich zu befriedigen. Großräumiger Wandel passiert dann, wenn sich die lokalen Nischenakteure (die Pioniere des Wandels) verbinden, vernetzen, sich öffnen und gleichzeitig ihre lokale Kultur bewahren.

Gerade wenn wir versuchen, Transformation auf der “Meta-Ebene” (der Vogelperspektive) zu und analysieren und verstehen, müssen wir doch begreifen, dass wir über Menschen sowie ihre Rolle in sozialen Beziehungen, der Gesellschaft, der Wirtschaft und schließlich auch über ihre subjektive Beziehung zu „Natur“ sprechen. Dementsprechend denken wir, dass es besonders wichtig ist, den individuellen, psychologischen Wandelprozess (innerhalb des gesamtgesellschaftlichen Wandels) zu verstehen.
Die oben abgebildete Kurve wurde in den 1960er Jahren von der schweizerisch-US-amerikanische Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross entwickelt. Die Kurve soll modellhaft die verschiedenen emotionalen Stadien innerhalb des Trauerprozesses abbilden. Seither wird es auch genutzt, um persönliche Reaktionen auf signifikante Veränderungen begreifbar zu machen. Kübler-Ross kann zu der Erkenntnis, dass alle Menschen die gleichen emotionalen Phasen durchlaufen, selbst wenn sie offen für den Wandel sind:
Schock, Verleugnung, Frustration und tiefe Trauer sind die ersten mentalen Stadien dieses Prozesses. Auch wir sind emotional Ergriffen von den Zukunftsprognosen rund um den drohenden Klimakollaps und eine Welt, die aufgrund von Wasserknappheit immer neue Konflikte erlebt und ganze Volksgruppe zur Migration bewegt. Lasse ich diese Trauer zu und höre auf mein Inneres, kann ich durch Experimentieren und bewusste Entscheidungen mein Leben an den Idealen der Nachhaltigkeit und Solidarität ausrichten.
ABER hiermit wollen wir nicht die Verantwortung für nachhaltige Bemühungen aus das Individuum abwälzen. Transformation ist KEINE Lebensstilfrage. Es braucht eine grundsätzliche Veränderung der Art, wie wir wirtschaften. Eine Wirtschaft, die auf Ausbeutung von Menschen und Natur beruht, ist nicht zukunftsfähig. Doch diese gebotenen Veränderungen, müssen von mutigen Menschen angestoßen werden – von Menschen, die eine positive Idee von Zukunft haben, etwas verändern wollen und vielleicht die Stufe der tiefen Trauer zumindest einmal durchlebt haben.
Akteure und Netzwerke
Hier finden Sie einige Anlaufstellen und Verbände, die sich für sozial-ökologische Transformation, für Suffizienz, Postwachstum oder DeGrowth einsetzen.
Transformationsdebatte
Die sozial-ökologische Transformation ist ein Begriff, der von vielen unterschiedlichen Akteur*innen unterschiedlich genutzt wird. Einig sind sich fast alle progressiven Kräfte, dass es um einen tiefgreifenden Wandel der Lebens- und Wirtschaftsweise der industrialisierten Länder gehen muss. Für uns ist dabei vor allem der wirtschaftliche Wandel zentral.
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