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EU-Parlament positioniert sich zum CO2-Grenzausgleichsmechanismus
EU-News | 11.03.2021
#Klima und Energie

EU-Parlament positioniert sich zum CO2-Grenzausgleichsmechanismus

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c. Ralf Vetterle | Pixabay

Nach dem Willen des EU-Parlaments soll die CO2-intensive europäische Industrie neben dem CO2-Grenzausgleich für Importprodukte auch weiterhin von kostenlosen CO2-Zertifikaten profitieren. Was die Industrielobby freut, verärgert Klimaschützer*innen.

Auf ihrer Plenarsitzung am Mittwoch stimmten die EU-Parlamentarier*innen für eine Entschließung, die einen CO2-Grenzausgleichsmechanismus (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) fordert, der mit den Bestimmungen der Welthandelsorganisation WTO in Einklang steht.

Auf bestimmte Importprodukte soll die EU ab dem Jahr 2023 eine CO2-Abgabe erheben dürfen, wenn die Drittstaaten, die diese Produkte in die EU einführen wollen, keine ehrgeizige Klimaschutzpolitik betreiben. Eine solche Abgabe würde nach Ansicht der EU-Abgeordneten weltweit gleiche Wettbewerbsbedingungen sowie Anreize für die europäische Wirtschaft und für die Handelspartner der EU schaffen, vor allem CO2-intensive Wirtschaftsbereiche auf Linie mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens zu bringen.

Zudem betonten die Abgeordneten, dass der Mechanismus ausschließlich den Klimaschutzzielen dienen solle. Die daraus generierten neuen Einnahmen sollten verwendet werden, um den European Green Deal umzusetzen.

Die neue alte Angst vor Carbon Leakage

Besonders heikel schien bei der Abstimmung zu sein, das Verhältnis des CBAM zum europäischen Emissionshandelssystem (ETS) zu bestimmen. Insbesondere geht es um die Vergabe von kostenlosen Verschmutzungszertifikaten an energieintensive Industrien wie die Zement-, Stahl-, Aluminium-, Ölraffinerie-, Chemie-, Glas- und Papierindustrie. Ziel der millionenfachen kostenlosen Zertifikate innerhalb des ETS ist es, die Abwanderung dieser Industriezweige in Drittländer mit weniger strengen Klima- und Umweltauflagen zu verhindern. Im Fachjargon wird die Verlagerung von Produktionsstätten als „Carbon Leakage“ bezeichnet.

Nach dem Willen des Parlaments sollen beide Maßnahmen – eine neue CO2-Abgabe auf Importwaren und kostenlose Emissionszertifikate – parallel laufen. Während im Bericht des Umweltausschusses (EU-News vom 11.02.2021) noch vom schrittweisen Auslaufen kostenloser Zertifikate die Rede war, heißt es in der Entschließung nun schlicht: der CBAM „sollte einen doppelten Schutz für EU-Anlagen vermeiden“ und „sollte einem einfachen Prinzip folgen, wonach eine Tonne Kohlenstoff nicht doppelt geschützt werden sollte“.

Kritik von Klimaschutzorganisationen

Allerdings könnte die WTO dies anders sehen und die Doppelstruktur als Protektionismus für europäische Industriezweige einstufen. Auch das Climate Action Network (CAN) Europe sowie das Europabüro des WWF kritisierten das Festhalten an kostenlosen Verschmutzungsrechten.

Camille Maury vom WWF sagte: „Eine knappe Mehrheit der Europaabgeordneten scheint nicht begriffen zu haben, dass die Verursacher zahlen müssen, um uns aus dem Klimanotstand herauszubringen. Das heutige Ergebnis würde das Gegenteil bewirken: Die Verursacher würden dafür bezahlt, dass sie weiterhin Emissionen ausstoßen, während die Kosten auf Nicht-EU-Länder abgewälzt würden.“

Auch Doreen Fedrigo von CAN Europe bewertete die Abstimmung als Rückschlag, baut aber auf die Vorschläge der EU-Kommission zur Überarbeitung des ETS und zur Einführung des CBAM.

Nächster Schritt

Die EU-Kommission hat angekündigt, ihren Vorschlag für den CBAM als Teil des European Green Deal im zweiten Quartal 2021 vorzulegen. Die Entschließung des EU-Parlaments ist für die EU-Exekutive nicht bindend.

EU-Parlament: CO2-Abgabe auf bestimmte EU-Importe für ehrgeizigere Klimaschutzziele weltweit 

CAN Europe: Carbon border mechanism: Parliament fails to prevent double protection of EU industry 

WWF EU: MEPs give life support to polluters, while pushing costs abroad 

Redakteurin: Ann Wehmeyer

Apropos Emissionshandel: eigenes System für Verkehr und Gebäude?

Wie der Umweltinformationsdienst Ends Europe am Dienstag berichtete, erklärte Beatrice Yordi, Leiterin der Abteilung für Kohlenstoffmärkte der Generaldirektion Klima der EU-Kommission, während einer Online-Debatte, dass die Trennung der beiden Sektoren Verkehr und Gebäude vom Hauptemissionshandelssystem für Energie- und Industrieanlagen für eine Übergangszeit „verschiedene positive Aspekte“ biete.

„Wir wissen, dass die Preissignale im Verkehr und in Gebäuden ganz anders sind als in der Industrie und im Stromsektor. Wir wissen, dass die Besonderheiten der Märkte unterschiedlich sind“, wurde Yordi von Ends zitiert. Daher sei die Trennung von Gebäuden und Verkehr eine gute Option. Die Vertreterin der Kommission äußerte sich als Reaktion auf ein von der Denkfabrik Bruegel veröffentlichtes Papier über die zukünftige Ausweitung des Emissionshandels, das einen getrennten Markt für Verkehr und Gebäude bis 2030 empfiehlt.

ENDS Europe (kostenpflichtig): Commission official: Separate ETS for buildings and transport a ‘strong option’

Bruegel-Studie: A whole-economy carbon price for Europe and how to get there

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