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Erwartungen der deutschen NGOs zur Weltnaturkonferenz
Position | 05.12.2022
#Biodiversität und Naturschutz

Erwartungen der deutschen NGOs zur Weltnaturkonferenz

Biodiversität Boden
© Foto: Pixabay

Kernpunkte deutscher NGOs zum Globalen Rahmenwerk für Biodiversität nach 2020 (Post 2020 GBF)

Generelle und übergeordnete Erwartungen:

  • Das Abkommen muss insgesamt in der Lage sein, den Verlust der biologischen Vielfalt zu stoppen und umzukehren. Das Ambitionsniveau muss erhöht werden und darf nicht hinter jenem des Strategischen Plans 2010-2020 und seinen Aichi-Zielen zurückfallen. Dieser hatte bereits zum Ziel, den Verlust der biologischen Vielfalt aufzuhalten. Wegen unzureichender Umsetzung ist dies aber nicht erreicht worden.  Die Mission des neuen GBF sollte deshalb      «to HALT and reverse the loss of biodiversity» heissen. In den Zielen muss sich  das gesamte Themenspektrum des bisherigen strategischen Plans widerspiegeln und neue Politikfelder angesprochen werden, die von Bedeutung für die Biodiversität sind. Es muss die Absicht einer wirksameren Beschleunigung der Umsetzung unterstreichen und die aktuellen Erkenntnisse der Wissenschaft aufgreifen, und die konkreten Ziele müssen ehrgeiziger und besser messbar sein als die bisherigen.
  • Die 20 Umsetzungsziele bis 2030 sollten sich gegenseitig unterstützen und nicht im Widerspruch zueinander stehen
  • Die Vertragsstaaten sollten sich zur Einhaltung von bestimmten Prinzipien bei der Umsetzung des GBF verpflichten (insbesondere:
    • das Recht auf eine sichere, saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt,
    •  die Rechte indigener Bevölkerungen und lokaler Gemeinschaften auf Land und Ressourcen,
    • deren traditionelle nachhaltige Nutzung und traditionelles Wissen sowie das Recht auf die
    • vorherige Zustimmung und Inkenntnissetzung (Free Prior and Informed Consent (FPIC),
    • generationenübergreifende Gerechtigkeit und Gleichstellung der Geschlechter,
    • die vollständige und effektive Partizipation von indigenen Bevölkerungen und lokalen Gemeinschaften, Frauen und Mädchen und Jugendlichen;
    • Unterstützung und Schutz von Menschenrechtsverteidiger:innen und Umweltschützer:innen
    • einen rechtsbasierten Ansatz und den Schutz der Menschenrechte, Achtung der Rechte der IPLCs mit ausdrücklicher Bezugnahme auf UNDRIP und FPIC,
    • Vorsorgeprinzip,
    • Partizipation bei allen Umweltbelangen,
    • Einhaltung planetarer Grenzen und
    • aller Prinzipien der Rio-Erklärung von 1992)
  • Die erfolgreiche Bewältigung der Biodiversitätskrise bedarf größten politischen Willens und des Engagements der gesamten Regierung, mit der Beteiligung aller relevanten Ressorts und Sektoren und des Kanzleramtes. Das GBF muss auch auf nationaler Ebene höchste Priorität haben und durch die gesamte Regierung gemäss ihren Zuständigkeiten sektorübergreifend umgesetzt werden (whole-of-government approach). Die Beteiligung des Bundeskanzlers auf der CBD COP15, um höchste politische Priorität zu signalisieren und die Verhandlungen auf höchster Ebene voranzutreiben, wäre angemessen.
  • Verbindliche Umsetzungs-, Rechenschafts- und Monitoringmechanismen müssen erarbeitet und auf der COP15 als Teil des GBF verabschiedet werden. Die aktuellen Regeln sind nicht verbindlich genug. Die Nationalen Biodiversitätsstrategien und Aktionspläne und die nationalen Berichte sind weiterhin das grundlegende Mittel zur Implementierung des globalen Rahmens. Sie sollten jedoch verbindlicher, international vergleichbar, zeitlich synchronisiert, durch entsprechende Indikatoren zum Stand der Umsetzung in Bezug auf das Ziel und ein transparentes Berichtswesen aussagekräftig und bezüglich der nationalen Umsetzung überprüfbar sein. Bei mangelnden Fortschritten müssen die Staaten nachsteuern und erklären, wie sie ihre nationalen Aktionen verstärken werden, um die Ziele rechtzeitig zu erreichen (“Ratcheting-Mechanismus” oder Aktionssteigerungsmechanismus). Auf der Grundlage der aktuellen nationalen Berichte sollten partnerschaftliche Beratungen der betreffenden Vertragsstaaten untereinander und mit Experten stattfinden, um Lücken in der Umsetzung und Finanzierung zu identifizieren und zu lösen (“country-by-country peer reviews”).
  • Die Indikatoren für das Rahmenwerk müssen rasch verabschiedet werden und die Umsetzung der Ziele möglichst akkurat wiedergeben. Nicht nur die einzelnen Ziele, auch die Einhaltung der oben genannten Prinzipien, insbesondere der Menschenrechte (Sektion B bis, Ziel 1-4,21,22) einschliesslich der Rechte von indigenen Bevölkerungen und lokalen Gemeinschaften, muss ständig überprüft werden. Schutzgebiete sollten nur dann angerechnet werden, wenn diese Rechte nachweislich eingehalten werden, die Gebiete sachgerecht gemanagt werden und sie ihren Schutzzweck tatsächlich erfüllen.

Erwartungen zu einzelnen Zielen (targets)

  • Ziel 1_ Erhaltung wertvoller Ökosysteme: An erster Stelle muss die Bewahrung von Ökosystemen stehen, die noch natürlich oder naturnah sind und einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung von Ökosystemfunktionen leisten – unter anderem, aber nicht nur, durch eine biodiversitätsfördernde Raumplanung, die nicht der Hauptfokus des Ziels sein sollte.
  • Ziel 2   Bei der Wiederherstellung natürlicher und naturnaher Lebensräume an Land und Meer ist neben ausreichender Fläche (global mindestens 20% der Land- und Meeresfläche) vor allem die Qualität der Maßnahmen wichtig, damit Ökosysteme wieder in einen guten Zustand gebracht werden. Dabei können internationale Standards helfen. Auch die Vernetzung von Lebensräumen spielt bei diesem Ziel eine wichtige Rolle. Die Erhaltung bestehender Lebensräume muss jedoch Vorrang haben und zusätzlich stattfinden. Scheinlösungen, die die Zerstörung von Lebensräumen an einem Ort erlauben, indem sie an andere Stelle eine Kompensation versprechen, sollten vermieden werden und wenn überhaupt zusätzlich zum Erhalt von Lebensräumen geschehen.
  • Ziel 3 Ein flächenbezogenes globales Ziel zur Einrichtung von Schutzgebieten auf mindestens 30 % der weltweiten Land (incl. Süsswasser)- und Ozeanflächen bis 2030. Diese Flächen müssen repräsentativ sein und alle wichtigen Lebensräume und Habitate so abdecken, dass alle Arten und Lebensräume darin dauerhaft in überlebensfähigen Populationen vorkommen. Sie müssen alle Qualitätskriterien erfüllen, um angerechnet werden zu können: im Hinblick auf die Schutzziele wirksames, partizipatives (FPIC) und gerechtes Management, Vernetzung und Priorisierung der wichtigsten Ökosysteme (KBAs) sowie Einhaltung der Rechte indigener und lokaler Bevölkerungsgruppen im Einklang mit der UN-Menschenrechtskonvention (UNDRIPs).
  • Ziel 7: Umweltverschmutzungen jeglicher Art (Pestizide, Düngemittel, Licht, Lärm, Plastik…) müssen vermieden bzw. auf ein Mass reduziert werden, dass die Biodiversität nicht beeinträchtigt Der Eintrag  von Pestiziden und Nährstoffen muss daher mindestens um mind. die Hälfte gesenkt werden.
  • Ziel 8: Massnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels sind wichtig, und können neben der Beendigung der Nutzung fossiler Brennstoffe auch die Erhaltung und Wiederherstellung kohlenstoffreicher Ökosysteme beinhalten. Sie müssen unbedingt so gestaltet werden, dass sie sowohl dem Klima als auch der Biodiversität nutzen (bzw dürfen dieser nicht schaden) – dies betont der gemeinsame IPBES/IPCC Bericht 2021.
  • Ziele 9-11 Bei der Formulierung von Zielen zur nachhaltigen Nutzung der Biodiversität muss die Nachhaltigkeit im Vordergrund stehen, ihre Erreichung darf nicht anhand der Produktivität gemessen werden. Agroökologie, Biolandbau, Stärkung der Bestäuber und gemeinschaftliche Waldbewirtschaftung müssen genannt und unterstützt, Intensivierung und Gentech-Methoden ausgeschlossen werden.
  • Ziel 10: Es braucht klare Regeln für die Land- und Meeresnutzung als größte Treiber des Biodiversitätsverlustes Diese muss insgesamt nachhaltiger werden, z.B. durch die Ausweitung der ökologisch genutzten landwirtschaftlichen Fläche und agrarökologischer Systeme auf mindestens 25 %. Hier greift der aktuelle Enwturf des GBF noch deutlich zu kurz. Gleichzeitig müssen Ansätze wie „sustainable intensification“ und der Einsatz von GMOs unbedingt vermieden werden, die zu einer weiteren Industrialisierung der Landwirtschaft führen.
  • Ziele 13 und C: Für das in der Konvention verankerte dritte Ziel des Zugangs zu und des gerechten Vorteilsausgleichs bei der Nutzung genetischer Ressourcen sich ergebende Vorteile muss eine Lösung gefunden werden, die auch den Umgang mit digitalen Sequenzinformation (DSI) zur Zufriedenheit aller regelt und die den Indigenen Völkern des Südens zugutekommt.
  • Ein zentraler Punkt des neuen GBF muss die klare Bekämpfung derjenigen Faktoren im Regierungshandeln, im Wirtschaftsabläufen und beim Konsum sein, die den Biodiversitätsverlust weiter voran treiben. Nur wenn diese Treiber des Biodiversitätsverlustes angegangen werden, kann der Verlust der biologischen Vielfalt aufgehalten und ein transformativer Wandel zu einem nachhaltigen Sozial- und Wirtschaftssystem eingeleitet werden.
  • Ziel 14: Regierungen müssen Gesetze, Pläne und Beschlüsse so erlassen, dass der Biodiversität keinen Schaden zufügt wird, und die nötigen Regeln auftstellen, damit die Aktivitäten sowohl die Regierung als auch aller Sektoren im Einklang mit den Zielen des Post 2020 GBF stehen. Bergbau, insbesondere Tiefseebergbau, sollte von den genannten Sektoren ausgeschlossen werden, da dieser nicht nachhaltig durchgeführt werden kann.
  • Ziel 15: Für die Wirtschaft und Handel müssen die Regierungen klare, einheitliche und verbindliche Regeln erlassen und durchsetzen, die dafür sorgen, dass die Zerstörung der Umwelt keinen Geschäftsvorteil mit sich bringt. Unternehmen und Finanzinstitutionen müssen ihre Abhängigkeiten von und Auswirkungen auf die biologische Vielfalt entlang ihrer Liefer- und Wertschöpfungsketten durch verpflichtende Anforderungen regelmäßig überwachen, bewerten und vollständig transparent und in von unabhängiger Seite überprüfter Form offenlegen. Sie müssen dafür Sorge tragen, dass ihre Aktivitäten durch sie selbst und entlang ihrer Lieferketten im Einklang mit internationalen Umwelt- und Menschrechtsstandards stehen und dafür haftbar gemacht werden, wenn diese nicht eingehalten werden (Art, 15 d und e).
  • Der gesamte ökologische Fußabdruck von Produktion und Konsum muss mindestens halbiert werden
  • Ziel 16: Öffentlichkeit und Verbrauchern muss durch transparente Produktkennzeichnung und entsprechende Preisgestaltung eine nachhaltige Produktwahl ermöglicht und nahegelegt werden (Ziel 16).
  • Ziel 15a (neu): Das GBF muss die in der Konvention (Art. 3 und 4b) verankerte Regel wirkungsvoll aufgreifen, dass die von einem Land ausgehenden Aktivitäten nicht die Biodiversität eines anderen Landes schädigen dürfen.
  • Ziel 18: Von großer Bedeutung ist und bleibt insbesondere die systematische Identifizierung und der sofortige Abbau aller biodiversitäts schädigenden Subventionen und Anreize.
  • Ziel 19: Mangelnde Finanzierung ist die Achillesferse eines jeden globalen Plans- Eine ausreichende Finanzierung der Maßnahmen ist die Grundvoraussetzung für das Erreichen der neuen Biodiversitätsziele. Insbesondere die internationale Finanzierung in Höhe von mindestens US$ 60 Milliarden in Form von Zuschüssen zur Unterstützung  von Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen ist essentiell, um der Verantwortung der Industrienationen gemäß ihres immensen Danke ökologischen Fußabdrucks und ihren Verpflichtungen gemäss Art. 20 der Konvention in der Welt nachzukommen. Mehr Geld allein wird jedoch nicht reichen, um eine nachhaltige Zukunft zu ermöglichen. Gleichzeitig müssen Finanzen und Investitionen, die zur Zerstörung der Natur beitragen, zukünftig minimiert werden. Ein Ziel für die Angleichung öffentlicher und privater Finanzströme mit allen übrigen Zielen des Post-2020 GBF ist daher ebenso nötig wie ein höheres Ambitionsniveau für zusätzliche Finanzierung.
  • Ziel 21:Es braucht zusätzlich zu den Prinzipien und der Erwähnung in einigen Zielen, wo ihre Beachtung besonders bedeutsam ist, ein eigenes Ziel, in dem der Respekt der (Land-)Rechte und die Beteiligung von IPLCs, Frauen und Jugend, aber auch der Schutz von Umwelt- und Menschrechtsverteidigern festgelegt wird. In diesem Ziel sollten auch die Beteiligungsrechte der allgemeinen Bevölkerung an Umweltrelevanten Plänen und Projekten verankert werden.

Diese Kommentare beziehen sich auf den Verhandlungsstand des post 2020 Rahmenwerks am Ende der Sitzung der OEWG in Nairobi (CBD/WG2020/REC/4/1)

Das Papier gibt es hier

Kontakt:

Lavinia Roveran, Deutscher Naturschutzring (DNR), lavinia.roveran@dnr.de
Nicola Uhde, BUND, Nicola.Uhde@bund.net
Florian Titze, WWF Deutschland, florian.titze@wwf.de
Jannes Stoppel, greenpeace, jannes.stoppel@greenpeace.org
Friedrich Wulf, Forum Umwelt und Entwicklung, friedrich.wulf@pronatura.ch
Magdalene Trapp, NABU, Magdalene.Trapp@NABU.de
Georg Schwede, Campaign for Nature, Georg@campaignfornature.com

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