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Artensterben: Weltweit eine Millionen Arten bedroht
EU-News | 07.05.2019
#Biodiversität und Naturschutz

Artensterben: Weltweit eine Millionen Arten bedroht

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c. pixabay

Der Verlust von Arten, Ökosystemen und ökologischer Vielfalt ist eine weltweite und generationenübergreifende Bedrohung auch für die Menschheit. Bis zu eine Millionen Arten sind vom Aussterben bedroht. Bereits jetzt sind viele Lebensräume zerstört oder stark gefährdet. Das lässt sich im alarmierenden Zustandsbericht zur globalen Biodiversität nachlesen, den der Weltbiodiversitätsrat IPBES (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services) am Montag in Paris veröffentlicht hat. 150 internationale ExpertInnen aus 50 Ländern - beraten von 250 weiteren WissenschaftlerInnen - haben drei Jahre lang daran gearbeitet, etwa 15.000 Studien und andere Quellen sind einbezogen worden.

75 Prozent der Landoberfläche und 66 Prozent der Meeresfläche sind demnach bereits jetzt stark verändert. Über 85 Prozent der Feuchtgebiete seien verloren gegangen. Zwischen 2010 und 2015 seien 32 Millionen Hektar Primärwälder, seit den 1870er-Jahren etwa die Hälfte der Korallen verschwunden. Zurzeit schreite das Aussterben der Arten 10- bis 100 Mal schneller voran als in den vergangenen 10 Millionen Jahren.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze kommentierte: "Die Menschen sind dabei, ihre eigenen Lebensgrundlagen zu zerstören. Die Herausforderungen beim Artensterben sind ähnlich groß wie beim Klimawandel. Darum hoffe ich, dass der Bericht eine vergleichbare politische Dynamik auslöst. Er zeigt aber auch Auswege aus der Krise: Der wichtigste Hebel hierfür ist eine grundlegende Reform der Agrarpolitik, vor allem der EU-Agrarförderung. Daneben brauchen wir mehr und effektivere Schutzgebiete."

Der Deutsche Naturschutzring (DNR) kritisierte, dass die Menschheit Ressourcen in einer Schnelligkeit verbraucht, die weit über die Fähigkeit des Planeten zur Selbsterneuerung hinausgehe. Das Artensterben sei längst nicht mehr nur ein ökologisches Problem. Zunehmend würden ganze Ökosysteme instabil und damit die Grundlage für Nahrung, sauberes Wasser und frische Luft. Kai Niebert, Präsident des Umweltdachverbandes nannte den Umgang mit der Natur "die soziale Frage des 21. Jahrhunderts". Schon heute koste der Verlust von Weideland, Bäumen und Feuchtgebieten rund zehn Prozent des Weltwirtschaftsprodukts. Ein Umsteuern sei durchaus machbar. Der DNR fordert deshalb mit seinen Mitgliedsorganisationen eine grundlegende Reform der EU-Agrarpolitik. Es müsse das Prinzip „öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“ gelten. Anstelle von pauschalen Flächenprämien, von denen die Agrarindustrie profitiert, müssten ökologische Mindeststandards festgelegt und echte Umweltleistungen finanziert werden.

BirdLife Europe mahnt, dass die bevorstehenden EU-Wahlen die erste Gelegenheit seien, um auf die Bremse zu treten und den unvermeidlichen Crash zu vermeiden, der sich jetzt ganz klar vor uns abzeichnet.

Der NABU forderte, dass die Staats- und Regierungschefs der Rettung der Artenvielfalt endlich Priorität einräumen. "Die Forscher liefern erdrückende Belege dafür, dass die Zerstörung der Ökosysteme unsere Wirtschaft und unser Wohlergehen mindestens genauso bedroht wie die menschengemachte Überhitzung des Klimas. Angela Merkel lässt dabei ein machtloses Umweltministerium Lösungsvorschläge entwerfen, die anschließend von den Klöckners, Scheuers und Altmaiers der Regierung erfolgreich neutralisiert werden. Es ist einfach skandalös auf welch taube Ohren die Wissenschaft bei der Bundesregierung mit ihren Warnungen vor dem Kollaps der Natur stößt", sagte NABU-Präsident Olaf Tschimpke.

Die Deutsche Umwelthilfe forderte die Bundesregierung auf, endlich einen "überfälligen nationalen Aktionsplan für biologische Vielfalt" vorzulegen.

Die Zoologische Gesellschaft Frankfurt nannte den IPBES-Bericht einen "Weckruf für die Menschheit" und mahnte: "Deutschland kommt bei der jetzt laufenden Entwicklung des nächsten Zehnjahresprogramms der Vereinten Nationen zum Schutz der biologischen Vielfalt eine Schlüsselrolle zu, gerade auch durch die EU-Ratspräsidentschaft im nächsten Jahr. Es ist spät, was die Rettung der Erde angeht, aber noch nicht zu spät." Auch der BUND verwies auf die kommende deutsche EU-Ratpäsidentschaft: "Wir fordern die Bundesregierung auf, sich innerhalb der EU und weltweit mit Nachdruck für ein ambitioniertes globales Regelwerk für den Erhalt der biologischen Vielfalt einsetzt, das auf den bisherigen Zielen zum Schutz der Biodiversität aufbaut und über diese hinausgeht", sagt Weiger. Um guten Willen zu demonstrieren, müsse Deutschland die finanzielle Unterstützung zum weltweiten Schutz und zur Wiederherstellung von Ökosystemen ab 2020 verdreifachen und so mit gutem Beispiel vorangehen.

Eine ebenfalls am Montag veröffentlichte Eurobarometer-Umfrage zeigt, das die EuropäerInnen zunehmend besorgt über den Zustand der Umwelt und den Verlust von Biodiversität sind. 96 Prozent aller Befragten gaben an, dass es in unserer Verantwortung liege, die Natur zu schützen. Für 98 Prozent der Deutschen stellten die Verschmutzung von Luft, Böden und Wasser eine Bedrohung für die Biodiversität dar. 68 Prozent der Deutschen sähen die Artenvielfalt dadurch als "sehr" bedroht an, ein Anstieg um 11 Prozentpunkte seit 2015. 97 Prozent der in Deutschland Befragten seien der Meinung, dass Umweltschutz auch für die Bekämpfung des Klimawandels wesentlich ist.

Die G7-Umweltminister haben Anfang der Woche im französischen Metz eine unverbindliche Charta verabschiedet, in der es ebenfalls um der Verlust der Biodiversität geht. Es ist ein Schritt auf dem Weg zu neuen internationalen Biodiversitätszielen für die Zeit nach 2020. Ein OECD-Bericht zur Vorbereitung des G7-Treffens zeigt ebenfalls den hohen Handlungsbedarf.

Der IPBES ist ein zwischenstaatliches Gremium zur wissenschaftlichen Politikberatung für  biologische Vielfalt und Ökosystemleistungen. Das IPBES-Sekretariat hat seinen Sitz in Bonn. [jg]

Pressemitteilung IPBES

ENDS-Artikel (kostenpflichtig) und Summary for policymakers

Pressemitteilung BMU und Videostatement von Bundesumweltministerin Svenja Schulze: www.bmu.de/MD1146

Reaktion BirdLife

Reaktion NABU

Pressemitteilung DUH

Reaktion ZGF

Reaktion BUND

Eurobarometer Biodiversität

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