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Breite Opposition gegen neue Gentechnik
EU-News | 06.12.2023
#Landwirtschaft und Gentechnik

Breite Opposition gegen neue Gentechnik

AbL_Nikolaus_Keine Neue Gentechnik
© AbL_Anne Barth

Kommende Woche positioniert sich der Agrarrat zum Verordnungsentwurf zu neuen gentechnischen Verfahren. Zahlreiche Organisationen lehnen das Gesetzesvorhaben ab. Kritik kommt auch aus Landwirtschaft, Einzelhandel und Wissenschaft.

Am 10. und 11. Dezember tagt der Rat fĂŒr Landwirtschaft und Fischerei in BrĂŒssel. Auf der Tagesordnung steht auch die allgemeine Ausrichtung zur vorgeschlagenen Verordnung ĂŒber neue genomische Techniken (NGT). Gegen das Gesetzesvorhaben zur Liberalisierung der neuen Gentechnik gibt es schon lĂ€nger breiten Widerstand. Eine Vielzahl von Stimmen aus Zivilgesellschaft, Landwirtschaft, Einzelhandel, Wissenschaft und der Biobranche appellieren an die EU-Gesetzgeber die geplante Deregulierung grundlegend zu ĂŒberdenken.

Ablehnung seitens Umwelt-, Verbraucher- und Landwirtschaftsorganisationen

So fordern 139 VerbĂ€nde und Organisationen aus der Zivilgesellschaft dazu auf, den Kommissionsvorschlag zur Deregulierung der neuen Gentechnikverfahren abzulehnen. In dem VerbĂ€ndepapier pochen sie auf Einhaltung des europĂ€ischen Vorsorgeprinzips, einer umfassenden RisikoprĂŒfung und die Kennzeichnungspflicht fĂŒr NGT. Damit sollen Wahlfreiheit fĂŒr Verbraucherinnen und Verbraucher und das „Recht auf gentechnikfreie Erzeugung“ gewahrt bleiben. Zudem sollten Nachweisverfahren weiter Voraussetzung eines Zulassungsverfahrens bleiben und Patente auf Lebewesen ausgeschlossen werden. Zahlreiche NGOs und AnbauverbĂ€nde unterstĂŒtzen zudem eine aktuelle Petition mit dem Titel "Kennzeichnung und Regulierung aller Gentechnik-Pflanzen erhalten!", die sich an die zustĂ€ndigen deutschen Minister*innen, Bundeskanzler Olaf Scholz und die Abgeordneten des Europaparlaments richtet und zu Redaktionsschluss knapp 47.000 mal unterzeichnet wurde. DarĂŒber hinaus starteten die BioverbĂ€nde eine Mailaktion, bei der sich die BĂŒrger*innen direkt die an EU-Parlamentarier*innen richten können.

Bereits zu letzten Sitzung der Runde der Agrarminister*innen am 20. November hatten der Bund fĂŒr Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), die Arbeitsgemeinschaft bĂ€uerliche Landwirtschaft (AbL), der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) sowie die Jugendorganisationen von AbL (jAbL) und BUND (BUNDjugend) in einem offenen Brief an den deutschen Landwirtschaftsminister Cem Özdemir appelliert, den Gesetzesvorschlag abzulehnen. Auf Treckern statt Schlitten ĂŒberbrachten AbL und jAbL zudem pĂŒnktlich zum Nikolaustag am 6. Dezember die Ablehnung von „Geschenken fĂŒr die Gentechnik-Industrie“ an das Bundeslandwirtschaftsministerium. Die Aktion kommentierte Annemarie Volling, Gentechnik-Expertin der AbL, mit den Worten: „Wer jetzt die bestehenden Gentechnik-Regelungen abschafft, ruiniert die gentechnikfreie, bĂ€uerliche Landwirtschaft!“

Auch die Initiative „Save Our Seeds“ und die Aurelia Stiftung protestierten jĂŒngst mit einer Plakataktion gegen die Neue Gentechnik. Auf einem großem Banner, das am 4. Dezember von einem Trecker durch das Berliner Regierungsviertel und vorbei an der SPD-Parteizentrale gezogen wurde, waren neben dem Bild des Bundeskanzlers Olaf Scholz die Slogans „SchĂŒtzt dieser Mann unsere Wahlfreiheit?“ und „Wort halten, Olaf“ zu lesen. Die Initiator*innen verwiesen damit auf die Website www.scholz-gentechnik.de und das Wahlversprechen von Olaf Scholz, sich fĂŒr eine strikte Regulierung der neuen Gentechniken einzusetzen.

Biobranche besorgt, Einzelhandel fĂŒr Kennzeichnung und Wahlfreiheit

Die EU-Vereinigung der ökologischen Landbaubewegungen (IFOAM-Organics Europe) forderte die Abgeordneten des EuropĂ€ischen Parlaments und die Mitgliedstaaten auf, die Entscheidung der ökologischen Betriebe zu respektieren, auf Gentechnikfreiheit zu setzen und keine NGT verwenden zu wollen. Jan Plagge, PrĂ€sident von IFOAM Europe erklĂ€rte: „Bestimmte NGTs von der Risikobewertung und RĂŒckverfolgbarkeit auszunehmen, hĂ€tte weitreichende Folgen fĂŒr die Lebensmittelproduktion in Europa, weit ĂŒber den Öko-Markt hinaus [
].“ Er betonte, dass die Biobewegung im Juni mit ĂŒberwĂ€ltigender Mehrheit dafĂŒr gestimmt habe, gentechnikfrei zu bleiben.

Auch BranchengrĂ¶ĂŸen des Lebensmitteleinzelhandels hatten sich zuletzt kritisch zum Verordnungsentwurf positioniert. In einer Stellungnahme warnen Konzerne des Einzelhandels aus Deutschland und Österreich, darunter die REWE-Group, Spar, tegut und Hofer, vor der Deregulierung und sprechen sich fĂŒr eine Kennzeichnungspflicht sowie eine FolgenabschĂ€tzung fĂŒr Patente auf Saatgut aus. So mĂŒsse die „lĂŒckenlose RĂŒckverfolgbarkeit und Kennzeichnung von NGTs in der gesamten Warenkette“ und der Fortbestand der gentechnikfreien Produktion gewĂ€hrleistet werden, heißt es in dem offenen Brief des Lebensmitteleinzelhandels an Kommission und die Mitglieder des Europaparlaments.  

Wissenschaft kritisch und kontrovers

Aber auch aus der Wissenschaft mehren sich die kritischen Stimmen zum geplanten Gesetzesvorhaben. Als „hochgradig besorgniserregend“ bezeichnete Angelika Hilbeck vom EuropĂ€isches Netzwerk der Wissenschaftler fĂŒr soziale und ökologische Verantwortung (ENSSER) den Verordnungsentwurf. Die neuen Verfahren seien weder sicher noch prĂ€zise. In einem gemeinsamen Statement warnen Wissenschaftler*innen zudem davor, NGT-Pflanzen ohne RisikoprĂŒfung zuzulassen. Der Gesetzesvorschlag ignoriere die Unterschiede zwischen Neuer Gentechnik und konventioneller ZĂŒchtung und ignoriere damit auch die Risiken von NGT. Dahingegen hatten Leopoldina und die Deutsche Forschungsgemeinschaf (DFG) ihre UnterstĂŒtzung fĂŒr die Deregulierung geĂ€ußert. DemgegenĂŒber steht jedoch wiederum die EinschĂ€tzung des Bundesamtes fĂŒr Naturschutz (BfN), das auf die Risiken von NGT verweist, auf die Einhaltung des Vorsorgeprinzips drĂ€ngt und mit einem Rechtsgutachten darauf hinweist, dass der Verordnungsentwurf gegen Unionsrecht verstoße. [bp]

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