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Doggerbank ohne Meeresschutz: BUND klagt gegen Deutschland
EU-News | 22.11.2024
#Biodiversität und Naturschutz #Wasser und Meere

Doggerbank ohne Meeresschutz: BUND klagt gegen Deutschland

Dorsche in einem Aquarium
© Adobe Stock / Travel Faery
In einem Aquarium schwimmende Dorsche, Alesund, Norwegen.

Weil die Bundesregierung in einem Schutzgebiet in der Nordsee europäisches Naturschutzrecht nicht umsetzt, beschreitet der BUND den Klageweg. Die Meeresschutzorganisation Seas At Risk kritisiert, dass EU-Staaten systematisch gegen Meeresschutzbestimmungen verstoßen. Auch in Spanien und Frankreich setzen sich Umweltverbände via Gericht für besseren Meeresschutz ein. Immerhin: Es gibt ein neues Fischereisperrgebiet in der Adria.

Wegen „anhaltender Zerstörung geschützter Lebensräume und Artenvielfalt durch die Fischerei mit Grundschleppnetzen im Meeresschutzgebiet Doggerbank“ hat der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) am 18. November Klage gegen die Bundesregierung eingereicht. Die Klage des deutschen Verbandes sei von „EU-weiter Bedeutung im Meeresnaturschutz“, denn auch Umweltverbände in Spanien und Frankreich haben ähnliche Verfahren gestartet. Die Doggerbank ist die größte überspülte Sandbank in der Nordsee. Der rund 1.700 Quadratkilometer deutsche Teil ist seit 2017 unter Schutz gestellt und Teil des Natura-2000-Netzes. Natura 2000 ist ein EU-weites Netz von Schutzgebieten für Vogelschutz (Vogelschutz-Richtlinie) und den Schutzgebieten der Fauna-Flora-Habitat (FFH) zur Erhaltung gefährdeter oder typischer Lebensräume und Arten. 

Laut dem BUND-Vorsitzenden Olaf Bandt wolle man mit der Klage „das europäische Naturschutzrecht in Deutschland grundlegend stärken“. Solange die zerstörerische Fischerei mit Grundschleppnetzen in wertvollen Meeresschutzgebieten wie der Doggerbank erlaubt ist, könne „von effektivem Meeresschutz keine Rede“ sein. Das Meeresschutzgebiet Doggerbank gelte als das ökologische Herz der Nordsee. Doch die Grundschleppnetz-Fischerei bedrohe und zerstöre die geschützte Sandbank und ihre einzigartige Artenvielfalt. Meeresschutzgebiete sind unverzichtbar, um das Artensterben in den Meeren aufzuhalten.

„Mit dem Beschluss von Montreal auf der Weltnaturkonferenz 2022 hat sich die Staatengemeinschaft darauf geeinigt, 30 Prozent der weltweiten Meeresfläche wirksam zu schützen. Deutschland kommt seinem Teil bisher nicht nach. Grundschleppnetze haben in den vergangenen Jahren die Hälfte der deutschen Schutzgebiete zerstört“, kritisierte der BUND. Länder wie Griechenland und Spanien hätten bereits angekündigt, Grundschleppnetz-Fischerei komplett aus ihren Meeresschutzgebieten zu verbannen. Es spreche nichts dagegen, dass Deutschland diesem Beispiel folge, so die Organisation.

Systematische Verstöße gegen Meeresschutz und Naturschutzrecht in vielen EU-Mitgliedstaaten 

Die Brüsseler Meeresschutzorganisation Seas At Risk (SAR) unterstützt die Klage. Sie reihe sich ein in ähnliche Fälle in Frankreich und Spanien, wo Nichtregierungsorganisationen gegen ihre Regierungen geklagt haben, weil sie trotz EU-Rechtsvorschriften und internationaler Verpflichtungen ausgewiesene Meeresschutzgebiete nicht schützen. Obwohl die EU und ihre Mitgliedstaaten sich als weltweit führend im Umweltschutz präsentierten, nutzten sie weiterhin „jedes mögliche Schlupfloch in den EU-Gesetzen, […] um zerstörerische Aktivitäten ungehindert zuzulassen“, kritisierte SAR. Eine im April veröffentlichte Studie in sieben EU-Mitgliedstaaten ergab, dass in 90 Prozent der sogenannten „geschützten“ Offshore-Gebiete der EU in den untersuchten Ländern immer noch Grundschleppnetzfischerei betrieben wird. Zwischen 2015 und 2023 waren dies allein in deutschen Natura 2000-Gebieten mehr als 730.000 Stunden Grundschleppnetzfischerei. 

SAR-Meeresschutzexpertin Tatiana Nuño kritisierte: „Das ist ein Problem, das wir systematisch in den EU-Mitgliedstaaten beobachten: In den Meeresschutzgebieten fehlen wirksame Managementpläne, um ihren Schutz zu gewährleisten.“ Der Rechtsstreit sei Teil eines europaweiten Projekts für einen echten Schutz und eine wirksame Verwaltung von EU-Meeresschutzgebieten, das von Seas At Risk und Oceana gemeinsam geleitet wird, mit rechtlicher Unterstützung von ClientEarth und der rechtlichen Vertretung in Deutschland durch Ocean Vision Legal.

Es geht auch besser

Dabei geht es auch anders. So wurde auf der 47. Jahrestagung der Allgemeinen Kommission für die Fischerei im Mittelmeer (GFCM) Anfang November zum Schutz von Meeresökosystemen und Arten wie Bambuskorallen und roten Tiefseegarnelen ein neues Fischereisperrgebiet im Mittelmeer eingerichtet. Das Gebiet in der Adria entspricht etwa der Größe Luxemburgs. Der Prozentsatz der Bestände, die im Mittelmeer und im Schwarzen Meer überfischt werden, liegt immer noch bei knapp 60 Prozent und damit doppelt so hoch wie das als nachhaltig geltende Niveau laut GFCM-Veröffentlichung The State of Mediterranean and Black Sea Fisheries 2023

Edit: Am 28. November trat ein EU-Rechtsakt in Kraft, der Sandbänke und Riffe in der Ostsee besser schützen soll, melden Bundesumwelt- und Bundeslandwirtschaftsministerium. Das Paket der EU-Kommission umfasst Fischereibewirtschaftungsmaßnahmen in fünf Natura-2000-Meeresschutzgebieten in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone: Fehmarnbelt, Kadetrinne, Westliche Rönnebank, Adlergrund und Pommersche Bucht mit Oderbank. Die Fischerei mit mobilen grundberührenden Fanggeräten wie Schlepp- oder Wadennetzen darf zumindest in großen Teilen dieser Schutzgebiete ganzjährig nicht stattfinden. Die DUH reagierte am 29.11. kritisch: Die Pläne seien „unzureichend“ und „nur ein kleiner Trost, denn Grundschleppnetzfischerei bleibt in der Mehrzahl der Schutzgebiete in der Ostsee zugelassen“. Der Verband forderte eine strenge Verträglichkeitsprüfung für Grundschleppnetzfischerei in sämtlichen Schutzgebieten und weitreichendere Beschränkungen.  [jg]

BUND klagt für mehr Meeresschutz auf der Doggerbank 

Seas At Risk: New German legal action begins over lack of marine ecosystem protection

GFCM: Countries unite to bolster efforts for sustainable fisheries and aquaculture in the Mediterranean and the Black Sea 

EU-Meerespolitik kurz & knapp
  • Biodiversität in der Tiefsee und die Folgen des Tiefseebergbaus: Von November 2024 bis Januar 2025 untersuchen Wissenschaftler*innen der EDEN-Kampagne im Pazifik die Abyssal genannte Bodenregion (Meeresboden zwischen etwa 1.000 bis 7.000 Meter Tiefe) im Gebiet von Clarion-Clipperton. Es geht um ein besseres Verständnis der mit den polymetallischen Knollen verbundenen Artenvielfalt und der Funktionsweise dieser Ökosysteme. Im Rahmen des europäischen Forschungsprojekts „MiningImpact“ soll die Gruppe auch das belgische Vertragsgebiet besuchen, wo 2021 ein Knollensammler in Betrieb genommen wurde, und die Auswirkungen des Abbaus analysieren. Weiterlesen
     
  • Strengere Regeln gegen Meeresverschmutzung durch Schiffe: Der EU-Rat hat am 18. November das Gesetzespaket zur Sicherheit im Seeverkehr angenommen. Hierzu gehört die aktualisierte Richtlinie über die Meeresverschmutzung durch Schiffe. Damit werden  internationale Standards in EU-Recht (MARPOL) übernommen, die illegale Einleitungen von Schadstoffen sanktionieren. Dies gilt zukünftig auch für das illegale Einbringen von Schadstoffen in verpackter Form, Schiffsabwasser, Schiffsmüll sowie von Einleitwasser und Rückständen aus Abgasreinigungssystemen. Zum Paket gehören außerdem die Untersuchung von Unfällen im Seeverkehr, die Erfüllung der Flaggenstaatpflichten und die Hafenstaatkontrolle. Weiterlesen 

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