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Einfallstor von rechts – Menschenfeindlichkeit in der Umweltbildung
News | 01.02.2024
#Politik und Gesellschaft

Einfallstor von rechts – Menschenfeindlichkeit in der Umweltbildung

Lagerfeuer
Lagerfeuer lockt viele Menschen

Lagerfeuer machen, Kräuter sammeln, mit Karte und Kompass losziehen - das lässt nicht nur das Herz gestandener Survivalexpert*innen höherschlagen. Naturerlebnisse und Tourismus draußen gehören für viele Menschen zur Freizeitgestaltung dazu. Es öffnet aber auch Türen für Manipulationen und Vereinnahmungen durch rechte Gruppierungen.

In Zeiten multipler ökologischer und sozialer Krisen nimmt die Beschäftigung mit entsprechenden Fragen dazu auch in der Bildungsarbeit einen immer höheren Stellenwert ein und wird in vielfältigen Formaten durchgeführt. Ob Natur-, Wald-, Wildnis- oder Abenteuer- und Erlebnispädagogik – die Umweltbildung in Deutschland ist in ihrer thematischen Ausrichtung und in ihren Aktivitäten breit gefächert und vereint verschiedene Ansätze. Zentrales Element sind Naturerfahrungen, die pädagogisch begleitet werden.

Das Engagement extrem rechter Akteur*innen für den Naturschutz und die Bedeutung des sogenannten Heimat- und Volksschutzes für ein nationalistisches Weltbild mit vermeintlich modernisierten Anleihen bei der Blut- und Boden-Ideologie ist gut untersucht und belegt. Es bedarf allerdings noch eines genaueren Blicks, wie sich diese ideologischen Grundlagen in Aktivitäten der Umweltbildung widerspiegeln und vermeintlich harmlose Wanderungen, Zeltlager und Survivalkurse für antidemokratische Ideologiebildung genutzt werden.

Jugendbünde, Zeltlager und Wanderungen von rechts

Für extreme Rechte erfüllen Naturerfahrungen auch die Funktion der Gemeinschaftsbildung und Ideologievermittlung. Völkische Jugendverbände organisieren beispielsweise seit Jahrzehnten Zeltlager und Fahrten für Kinder und Jugendliche. Dort vermitteln die Gruppenleiter im Stil der bündischen Jugend Outdoorskills, sie schnitzen und machen Feuer mit den Teilnehmer*innen. Das Ganze verbinden sie allerdings dann mit ideologischer Schulung mit rechtsextremen Inhalten, Singen von Liedern aus der NS-Zeit, sowie stundenlangem Strammstehen und militärischem Drill. Diese Art der Freizeitgestaltung ist für Kinder in der völkischen Szene so gut wie verpflichtend, und es entstehen bundesweite szeneinterne Vernetzungen schon im Kindesalter. Die Aktivitäten finden mehr oder weniger geheim statt, und nur durch aufmerksame Beobachter*innen sind überhaupt erst Bilder und Berichte in die Öffentlichkeit gelangt. Insofern ist die Gefahr, sein Kind zufällig in ein solches Ferienlager zu bringen, wohl eher gering, aber die dort stattfindende Ideologiebildung dennoch demokratiegefährdend.

Wanderungen durch die heimischen Wälder (...) sollen neben der Gemeinschaftsbildung auch die politischen Ideen der rechtsextremen Veranstalter vermitteln und diese nach innen wie außen präsentieren.
Robin Bell, FARN
Projektreferent*in

In den letzten Jahren sind vermehrt Wanderungen aus dem Umfeld von Neonazi-Gruppierungen, der rechtsextremen Partei Der Dritte Weg oder der sogenannten Neuen Rechten rund um die Identitäre Bewegung beobachtet worden. So gibt es Einladungen zu Wanderungen durch die heimischen Wälder, verbunden mit körperlicher Ertüchtigung plus militärischem Drill und Ideologiebildung, wenn etwa deutsche Nationaldenkmäler besucht werden. Die Wanderungen erfüllen also mehrere Funktionen: Sie sollen neben der Gemeinschaftsbildung auch die politischen Ideen der rechtsextremen Veranstalter vermitteln und diese nach innen wie außen präsentieren. Einerseits geht es um das Wertschätzen der deutschen Natur, andererseits um das Einbinden in die nationalistische und völkische Weltanschauung. Begleitet wird das Ganze durch eine strategische Einbettung in den sozialen Medien mit entsprechenden Hashtags und zunächst unverfänglich anmutenden Naturbildern.

Klischees von romantischer Natur und martialischen Kämpfern

Im Grenzbereich liegen – mit einer seit Jahren zunehmenden medialen Begeisterung – Survivalkurse und Bushcraftingangebote, also die die Erprobung, Optimierung und Nutzung von Fertigkeiten, Techniken und handwerklichen Tätigkeiten, die für das Überleben oder einen längeren Aufenthalt in der Natur nützlich sind. Diese sind nicht per se rechtsextrem einzuordnen, können aber ein Einfallstor für diskriminierende und antidemokratische Sichtweisen sein, insbesondere, wenn sie mir einer unbewussten Begeisterung für einen möglichen Katastrophenfall, in dem die Demokratie beendet wird, verbunden sind. Es gibt durchaus Angebote von extremen Rechten für solche Kurse.

Gängiger sind Versuche, über die Vermittlung ausschließlich traditioneller Geschlechterbilder beziehungsweise deren Notwendigkeit und Natürlichkeit junge Männer zu bewegen, sich auf einen vermeintlich drohenden Tag X vorzubereiten: Die Mischung aus einem martialischem Widerstandskämpfer und Natur romantisierendem Einzelgänger kann als charakteristisch für traditionalistische Männlichkeitsvorstellungen gesehen werden. Für extreme Rechte sind solche Angebote attraktiv, da in ihren Lebenswelten eine soldatische, souveräne Männlichkeit besonders anerkannt wird, die einer vermeintlich drohenden Gefahr entgegentritt. Pädagog*innen sind gut beraten, ihre eigenen Angebote im Hinblick auf die Vermittlung von Geschlechterbildern abzuklopfen. Sie sollten überprüfen, inwiefern sie eine vielfaltssensible Haltung und Praxis einnehmen, die sich nicht nur aus Stereotypen speist.

Wertende Bilder in kolonialer Tradition durchziehen bis heute die westliche Natur- und Wildnispädagogik: Das zeigt sich etwa bei Kinderspielen und Darstellungen von indigenen Menschen in Nordamerika, die nicht zuletzt durch die Beliebtheit und Verbreitung von Karl May-Büchern und Filmen sehr präsent sind. Diese Stereotypisierung von „edlen Wilden“, die im Einklang mit der Natur in der als Wildnis verstandenen Landschaft leben, ist ebenso falsch wie wirkungsmächtig. Neben den kolonialen Darstellungen werden auch teilweise mit Verkleidungen entsprechende Rituale oder spirituelle Praktiken durchgeführt, ohne den angemessenen Respekt, sogar bis hin zur Entwürdigung der Urheber*innen.

Eine Bewusstseinsschärfung sowie das kritische Hinterfragen von Ansätzen, Erzählungen und Ausgestaltungen bieten die Chance für eine erfolgreiche Prävention gegen eine rechte Vereinnahmung in einem wichtigen Bereich des Natur- und Umweltschutzes und der Bildungsarbeit. Die Gefahr besteht darin, dass gut gemeinte Ansätze durch eine fehlende Abgrenzung nach rechts sich für eben diese menschenfeindlichen Strukturen und Gedanken öffnen.

Die Autor*in

Robin Bell arbeitet bei der Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (FARN) und berät zu den Schnittstellen von Rechtsextremismus, Naturschutz und Ökologie.

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