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Endlich Grundschleppnetzverbot in geschützter Tiefsee
EU-News | 16.09.2022
#Wasser und Meere

Endlich Grundschleppnetzverbot in geschützter Tiefsee

Unterwasserblick auf Korallen und Fische
© Adobe Stocke / para827
Unterwasserblick auf Korallen und Fische

Die EU-Kommission will Ökosysteme in der Tiefsee europäischer Gewässer besser schützen. Am Donnerstag hat sie verbindliche Maßnahmen angekündigt, den Zugang zu 87 empfindlichen Gebieten für alle Grundfanggeräte in den EU-Gewässern des Nordostatlantiks zu sperren. Umweltverbände begrüßten den Vorstoß. Spanischer Reederverband will klagen.

Am 15. September hat Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius die Umsetzung der Tiefseeverordnung angekündigt. Das heißt, in Zukunft sind 87 Gebieten mit empfindlichen und daher schutzbedürftigen Ökosystemen in der Tiefsee in EU-Gewässern besser geschützt. Das gesamte Sperrgebiet umfasst 16.419 Quadratkilometern in Tiefen unterhalb von 400 Metern. Das Verbot betrifft Schiffe mit bodenberührenden Fanggeräten, also Grundschleppnetzen, Dredgen, Stellnetzen, Grundlangleinen, Reusen und Fallen. Der angenommene Durchführungsrechtsakt tritt 20 Tage nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft und gilt sofort für alle Schiffe aus EU-Mitgliedstaaten und Drittländern, die in EU-Gewässern eingesetzt werden.

Seit 2016 gilt laut Tiefseeverordnung (EU) 2016/2336 ein Verbot der Grundschleppnetzfischerei unterhalb von 800 Metern. Außerdem verlangte die Verordnung, dass die Grundfischerei in Kaltwasserkorallenriffen, Tiefseeschwammansammlungen, Meeresbuchten und anderen Tiefseelebensräumen bis eigentlich 2018 eingestellt wird.

Nun werden endlich wenigstens die 17 Prozent der Bereiche zwischen 400 und 800 Metern für zerstörerische Fischereipraktiken gesperrt, die als Vulnerable Marine Ecosystems dem Schutz von gefährdeten Lebensräumen mit hoher Biodiversität dienen. Dies soll bei der Wiederherstellung empfindlicher Meeresökosysteme wie Kaltwasserkorallenriffen, Seebergen und Tiefseeverwerfungen helfen.

Erfreute Reaktionen von Umweltverbänden

„Der Schutz dieser Ökosysteme ist ein wichtiger Schritt, um den Verlust der biologischen Vielfalt in unseren Ozeanen umzukehren und wird gleichzeitig einen Beitrag zur Abschwächung des Klimawandels zu leisten“, sagte Andrea Ripol, Referentin für Meerespolitik von Seas At Risk.

Auch Sharkproject, Pro Wildlife, die Deutsche Stiftung Meeresschutz und die Deutsche Meeresstiftung begrüßten diesen Schritt der Kommission ausdrücklich, kritisierten aber, das die Umsetzung dieser Maßnahme vier Jahre länger als ursprünglich geplant gedauert habe.

„Es war überfällig, dass die EU endlich den langfristigen Schutz dieser wichtigen und hochempfindlichen Ökosysteme umsetzt und nicht länger den kurzfristigen ökonomischen Interessen seitens einiger Fischereien unterordnet“, betonte Dr. Sandra Altherr von Pro Wildlife.

Ulrich Karlowski von der Deutschen Stiftung für Meeresschutz sieht die Annahme des Vorschlages der Experten des International Council for the Exploration of the Sea (ICES) mit der größten Anzahl an Schutzgebieten als „die einzig richtige Entscheidung, wenn wir es mit dem Schutz dieser höchst gefährdeten, aber einzigartigen Lebensräume in der Tiefsee wirklich ernst meinen. Denn die bodenberührende Fischerei zerstört für den Biodiversitätserhalt in den Ozeanen entscheidende Lebensräume“.

Spanischer Reederverband Cepesca will klagen

Laut Umweltinformationsdienst Euractiv plant der im spanischen Fischereiverband (Cepesca) zusammengeschlossene Fischereisektor gegen die Entscheidung vor Gericht zu ziehen. Cepesca bezeichnete die Maßnahme als „technischen und rechtlichen Pfusch” und hofft auf die Unterstützung der spanischen Regierung. Das spanische Fischereiministerium wolle laut Verband zusammen mit der Staatsanwaltschaft der Ministerien für Landwirtschaft, Fischerei und Ernährung sowie für auswärtige Angelegenheiten eine eingehende Untersuchung durchführen. [jg]

EU-Kommission: Daily News 15 / 09 / 2022 und  Fischeries: End to bottom fishing on protected deep-sea ecosystems in EU waters

Seas At Risk: European Commission takes bold steps to protect vulnerable marine ecosystems

Pro Wildlife et al.: EU stoppt zerstörerische Tiefsee-Fischerei

Euractiv: Spanien kämpft gegen 87 neue Fischschutzzonen im Atlantik

Cepesca: El sector pesquero reitera que irá a los tribunales tras la decisión de Bruselas de cerrar pesquerías de fondo

Bundesregierung ernennt Meeresschutzbeauftragten

Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gibt es einen Meeresschutzbeauftragten. Am 14. September wurde der Biologe und Politikwissenschaftler Sebastian Unger ernannt (tagesschau-video). Er soll innerhalb des Umweltministeriums national und international wirken und einer interministeriellen Arbeitsgruppe vorsitzen, da der Meeresschutz laut Bundesregierung „ein wichtiges Querschnittsthema” ist. Plastikmüll, Munition in Ost- und Nordsee, nachhaltige Nutzung, Schutzgebiete, ein rechtsverbindlicher UN-Rahmen für die Hohe See... Zudem wird die Europäische Kommission 2023 eine Überprüfung der Meeresstrategierahmenrichtlinie vornehmen und  erforderlichenfalls Änderungen vorschlagen. Es dürfte viel zu tun geben für Sebastian Unger.

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