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EU-Ozeanpakt: theoretisch gut, praktisch noch unverbindlich
EU-News | 06.06.2025
#Wasser und Meere

EU-Ozeanpakt: theoretisch gut, praktisch noch unverbindlich

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c. Pixabay

Die EU-Kommission hat am 5. Juni einen Europäischen Pakt für die Meere mit sechs Prioritäten von Meeresschutz über blaue Wirtschaft und Küstengemeinschaften vorgelegt. Umweltverbände begrüßen, dass es erstmals eine gemeinsame Strategie gibt, kritisieren aber erhebliche Regelungslücken und mangelnde Konkretheit.

Der EU Ocean Pact soll die Meerespolitik der EU bündeln und den Bedrohungen für die Meere, Küstengemeinden, Inseln und Regionen in äußerster Randlage Rechnung tragen. Immerhin leben 40 Prozent der europäischen Bürgerinnen und Bürger innerhalb von 50 Kilometern Abstand vom nächsten Meer. Die Strategie konzentriert sich dabei auf sechs Prioritäten:

  1. Schutz und Wiederherstellung der Gesundheit der Meere (Überarbeitung der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie und der Richtlinie zur maritimen Raumplanung);
  2. Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der nachhaltigen blauen Wirtschaft der EU (unter andere neue maritime Industriestrategie, EU-Hafenstrategie, Bewertung und eventuell Überarbeitung der Gemeinsame Fischereipolitik, 2026: langfristige Vision für Aquakultur und Fischerei);
  3. Unterstützung der Küsten- und Inselgemeinden sowie der Regionen in äußerster Randlage (Strategie für die Entwicklung und Widerstandsfähigkeit der Küstengemeinden, aktualisierte Strategie für die Regionen in äußerster Randlage, Vorschlag zur Schaffung von europäischen Reserven für blauen Kohlenstoff);
  4. Förderung von Meeresforschung, Wissen, Kompetenzen und Innovation (EU-Ozeanbeobachtungsinitiative, Strategie für Ozeanforschung und -innovation, EU-Ozeanbotschafter-Netzwerk für Jugendliche);
  5. Verbesserung der maritimen Sicherheit und Verteidigung (Zusammenarbeit der Küstenwache und der EU-Marine für Sicherheit an den Seegrenzen, koordinierte Strategie zur Beseitigung von Munitionsaltlasten, Investitionen in europäische Drohnenflotte zur Überwachung);
  6. Stärkung der EU-Meeresdiplomatie und der internationalen Meerespolitik (ab 2026 verbindliche Umsetzung von IT CATCH, der Digitalisierung der illegalen Fischerei (IUU)-Fangbescheinigungsregelung, Umsetzung des Übereinkommens über die biologische Vielfalt jenseits der nationalen Gerichtsbarkeit (BBJN), UN-Plastikabkommen, Meeresschutzgebiete im Südpolarmeer).

Die EU-Kommission will außerdem – basierend auf der überarbeiteten Richtlinie zur maritimen Raumplanung – bis 2027 ein Meeresgesetz vorlegen und damit einen einheitlichen Rahmen schaffen, der die Zielumsetzung erleichtert und den Verwaltungsaufwand verringert. Die Brüsseler Behörde plant außerdem einen hochrangigen Ozeanausschuss einrichten, in dem Vertreter verschiedener meeresbezogener Sektoren zusammenkommen, um die Umsetzung des Paktes für die Meere zu steuern. Zusätzlich werde eine neue „öffentliche, transparente und zentralisierte“ Plattform installiert („EU-Dashboard“), um die Fortschritte bei der Verwirklichung der Ziele verfolgen zu können. Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen („Meere sind Wasser, Wasser ist Leben“) will den EU Ocean Pact auch auf der vom 9. bis 13. Juni stattfindenden UN-Konferenz zu Ozeanen in Nizza öffentlich vorstellen.

Reaktionen: „zaghafte Schritte nach vorne”, „erschreckend zahnlos“, „kühnen Worten müssen Ergebnisse folgen“

BirdLife, ClientEarth, Oceana, Seas At Risk, Surfrider Foundation und WWF Europa begrüßten „zaghafte Schritte nach vorne“, bemängeln aber „kritische Lücken“. Es fehlten konkrete Schritte gegen zerstörerische Fischereipraktiken sowie ein klarer Aktionsplan für die Umsetzung bestehender Ziele und Verpflichtungen. Vor allem fehlten angemessene Finanzmittel und Zusagen der öffentlichen Hand für den Schutz und die Wiederherstellung der Meere und für die Unterstützung von Kleinfischereibetrieben. Zudem müsse es sinnvolle Maßnahmen zur Verringerung der Verschmutzung an der Quelle geben, die auch Plastik, Nährstoffe und chemische Schadstoffe umfassten. Vermisst wird auch ein Fahrplan für einen gerechten Übergang zu einer regenerativen blauen Wirtschaft. Positiv bewerten die sechs europäischen Umweltorganisationen die Zusage der Kommission, für mehr Kohärenz zu sorgen und die wirksame Umsetzung der Naturschutzrichtlinien und des Gesetzes zur Wiederherstellung der Natur zu verstärken. Auch wolle die Brüsseler Behörde sich bei den zerstörerischen Aktivitäten des Tiefseebergbaus und des Geo-Engineerings im Meer für das Vorsorgeprinzip einsetzen. Nicht zuletzt wurde die Ankündigung begrüßt, auf den Abschluss eines internationalen Abkommens zu drängen, das eine Regulierung von Subventionen vorsieht, die Anreize zur Überfischung bieten.

Angesichts des „dramatischen Zustands europäischer Meeresökosysteme“ bleibe die erste gemeinsame Strategie „erschreckend zahnlos“, kommentierte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) den EU-Ozeanpakt. Dieser enthalte keine konkreten Maßnahmen, Zeitpläne und bleibe rechtlich unverbindlich. Es fehlten notwendige Beschlüsse wie ein klares Verbot zerstörerischer Fischereimethoden, ein verbindliches Schutzgebietsmanagement sowie klare ökologische Leitplanken bei maritimer Mehrfachnutzung. Bei der Meeresnutzung gebe es zwar eine Betonung regionaler Kooperation beim Ausbau der Offshore-Windenergie. Allerdings fehlten Umweltvorgaben für die gleichzeitige Nutzung von Meeresräumen für Windkraft, Fischerei und Aquakultur. Die DUH forderte Bundesumweltminister Carsten Schneider auf, bei der UN-Ozeankonferenz für verbindliche Schutzmaßnahmen einzutreten. Auch der BUND meint, Deutschland müsse angesichts des schlechten Umweltzustands von Nord- und Ostsee bei der UN-Ozeankonferenz „mehr Verantwortung übernehmen“ sowie Grundschleppnetzfischerei – wie Griechenland und Schweden – verbieten.

Der Meeresprogrammdirektor im World Resources Institute (WRI) Tom Pickerell nannte es „ermutigend“, dass der EU Ocean Pact den Schwerpunkt auf eine integrierte Meerespolitik, eine engere Verbindung zwischen Wissenschaft und Entscheidungsfindung und eine stärkere internationale Zusammenarbeit legt. Allerdings müssten „den kühnen Worten auch Ergebnisse folgen“. Vielen Verpflichtungen mangele es an klaren Zeitplänen, Zielen und Rechenschaftspflichten. Die EU müsse nun ihre Zusagen einhalten: nationale Pläne für nachhaltige Ozeane unterstützen, neue Finanzmittel freisetzen und dafür sorgen, dass Meereslösungen Teil der Klima- und Naturschutzmaßnahmen seien, so Pickerell. Die Staats- und Regierungschefs müssten in Nizza die Gelegenheit nutzen, um die Gesundheit der Ozeane wiederherzustellen, den Vertrag über die Hohe See ratifizieren, bis 2030 30 Prozent der Ozeane schützen und die Bemühungen um eine nachhaltige Bewirtschaftung aller nationalen Gewässer unterstützen. „Mit echten Investitionen und globaler Zusammenarbeit“ könne der EU-Ozeanpakt den Ambitionen Taten folgen lassen.

Und wie sieht es in der Praxis aus? Beklagenswert!

Zeitgleich sehen sich die Staats- und Regierungschefs der EU mit einer neuen Klage wegen der weit verbreiteten zerstörerischen Fischerei in Meeresschutzgebieten (MPA) konfrontiert. Die fortgesetzte Genehmigung dieser Aktivitäten verstößt aus Sicht von Umweltorganisationen gegen EU-Naturschutzrecht. Eine von ClientEarth, Oceana, Seas at Risk und Danmarks Naturfredningsforening im Juni eingereichte Klage ist die jüngste in einer Reihe von Rechtsstreitigkeiten aus allen Teilen der EU über die Grundschleppnetzfischerei in Schutzgebieten - darunter Frankreich, Spanien, die Niederlande, Italien, Schweden und Deutschland. Jüngste Untersuchungen hätten außerdem gezeigt, dass kein EU-Land einen umfassenden Plan zur schrittweisen Abschaffung der Grundschleppnetzfischerei in den MPA hat. Derzeit würden rund 60 Prozent der MPA in der EU mit Schleppnetzen befischt, so die Organisationen. 

Immerhin: am 2. Juni feierte die 2022 gestartete EU-Mission Ocean and Waters einen wichtigen Meilenstein. Inzwischen habe die Initiative laut EU-Kommission  „die beeindruckende Zahl von über 1.000 Aktionen für den Ozean“ erreicht und mehr als 8 Milliarden Euro mobilisiert. [jg]

 

EU-Kommission:

Oceana et al.: EU Ocean Pact Response: “Tentative steps forward but critical gaps must be addressed to protect our Ocean”

DUH: Verpasste Chance vor Ozeankonferenz in Nizza: Deutsche Umwelthilfe kritisiert neuen Ocean Pact der EU-Kommission als unzureichend

WRI: STATEMENT: European Ocean Pact Sets Strong Example Ahead of UN Ocean Conference

Oceana et al. UNOC countdown: Fresh legal challenge over untackled bottom trawling in EU Marine Protected Areas

Deutsche Meeresstiftung bei der UN-Ozeankonferenz in Nizza

Ab dem 4. Juni wird ein Team des DNR-Mitgliedsverbandes Deutsche Meeresstiftung in Nizza dabei sein, um unter anderem ein Citizen Science Projekt und Projekte zur Meeresbildung in La Baleine, an der Université Côte d'Azur und an Bord der METEOR und der Malizia Explorer im Hafen vorzustellen. Konferenzbeobachtung inbegriffen.

Mehr erfahren: Newsseite der Deutschen Meeresstiftung 

DeutscheMeeresstiftung

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