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EU-Gasmarktreform, das kommende Fit-for-55-Paket, Erneuerbaren-Ziele und mehr
EU-News | 09.12.2021
#Klima und Energie

EU-Gasmarktreform, das kommende Fit-for-55-Paket, Erneuerbaren-Ziele und mehr

Erdgasspeicher
© AdobeStock/kalafoto
Erdgastanks

Nächste Woche Dienstag werden mehrere Gesetzesvorschläge erwartet, darunter zum EU-Gasmarkt und den Methanemissionen. Eine Studie zeigt, dass Plastikproduktion viel mehr Emissionen freisetzt als erwartet. Ein Bündnis fordert ein neues Erneuerbaren-Ziel von 45 Prozent statt der vorgeschlagenen 40. Mitgliedstaaten scheinen mit Energieeffizienzzielen überfordert zu sein. Die Energiecharta gehört laut CAN Europe abgeschafft. Heute tagt der EU-Energieministerrat, allerdings werden die vollständigen Ergebnisse erst nach Redaktionsschluss erwartet.

Gasmarktreform: Speicherungs- und Zugangsfragen

Im Rahmen der Veröffentlichungen des zweiten Teils des „Fit-for-55“-Paketes am kommenden Dienstag wird auch ein Gesetzesvorschlag zum EU-Gasmarkt erwartet. Der Informationsdienst EurActiv berichtet, dass die neuen Vorschriften laut EU-Kommission den Zugang zu Gasspeichern verbessern und Bestimmungen enthalten sollen, die den freiwilligen gemeinsamen Erwerb von Gasvorräten ermöglichen. Dies soll dabei helfen, auch ärmeren Haushalten zu einer sicheren Versorgung zu verhelfen, denn nicht nur die „Volatilität auf den Gasmärkten“, auch geopolitische Krisen beeinflussten derzeit die steigenden Gaspreise.
In einem offenen Brief an die EU-Kommission, der unter anderem von CAN Europe mitgetragen wird, wird die Behörde aufgefordert, einige entscheidende Elemente des Pakets zu überarbeiten, um sicherzustellen, dass die Reform der Gasmarktregeln der EU hilft, ihre Klima- und Energieziele zu erreichen. Diese sollte den Ausstieg aus der Nutzung fossiler Gase bis 2035 erleichtern und die Marktakzeptanz sogenannter „kohlenstoffarmer“ Gase nicht vorantreiben, während gleichzeitig eine klare Priorisierung bestimmter Endanwendungen für Wasserstoff aus erneuerbaren Energien verfolgt wird, heißt es in dem Schreiben.
Das nächste Fit-for-55-Paket enthält voraussichtlich neben den Vorschlägen für eine überarbeitete Gasmarktrichtlinie und eine überarbeitete Verordnung zur Gasinfrastruktur auch

  • einen Vorschlag zur Revision der Gebäudeenergieeffizienz-Richtlinie (EPBD) (EU-News 02.12.2021),
  • einen Vorschlag für eine Strategie zu natürlichen Kohlestoffkreisläufen (natürliche Senken und technische CO2-Abscheidung und -speicherung CCS) sowie
  • einen Vorschlag für eine Verordnung zur Reduktion von menschengemachten Methanemissionen.

Plastik, Petrochemie und Methan: Keine Ausnahmen bitte

Die Umweltrechtsorganisation Center for International Environmental Law (CIEL) forderte die Europäische Kommission derweil auf, den gesamten petrochemischen Sektor und seine Lieferketten in die nächste Woche erwartete Verordnung mit einzubeziehen. Denn laut CIEL boome der transatlantische Handel mit petrochemischen Stoffen - den aus fossilen Brennstoffen gewonnenen Bausteinen der Plastikherstellung und -verschmutzung, was die EU-Ziele der Emissionsreduzierung zu untergraben und die Kunststoffverschmutzung zu verschärfen drohe. „Inmitten einer sich zuspitzenden Klimakrise ist dies nicht die Art von wirtschaftlicher Zusammenarbeit, die die Welt braucht“, kritisierte die Organisation. Die EU dürfe nicht auf in den Vereinigten Staaten gefördertes Fracking-Gas als Rohstoffquelle für die Kunststoffindustrie umschwenken, also die Produktion von Kunststoffrohstoffen über Europas Grenzen hinaus auslagern. „Weder Regulierungsbehörden noch die Kunststoffhersteller in Europa sollten sich hinter der Anonymität von importierten Rohstoffen verstecken, während sie Fracking innerhalb ihrer eigenen Grenzen verbieten“, mahnte CIEL. Es gebe Menschen, die die Plastiksucht Europas schädigt und reale Orte, die durch die vorgelagerte Öl- und Gasförderung verschmutzt würden.

Eine Studie der ETH Zürich hat inzwischen gezeigt, dass die Klima- und Gesundheitsfolgen von Plastik wegen vermehrt genutzter Kohle für Prozesswärme, Strom und als Rohstoff in der Produktion größer als erwartet seien. Der globale Kohlenstoff-Fußabdruck von Kunststoffen habe sich seit 1995 verdoppelt und im Jahr 2015 zwei Milliarden Tonnen CO2-Äquivalent (CO2e) erreicht.

Das Klimaschutzbündnis CAN Europe hat gemeinsam mit zahlreichen anderen Umweltorganisationen ebenfalls ein Positionspapier zum kommenden Vorschlag zur Reduzierung der anthropogenen Methan-Emissionen aus dem Energie- und Petrochemiesektor veröffentlicht. Darunter die Einführung einer verpflichtenden Lecksuche und Reparaturpflicht (LDAR) entlang der gesamten Lieferkette, die Ausweitung der Messung, Berichterstattung und Überprüfung (MRV) von Methanemissionen sowie ein Verbot des routinemäßigen Entlüftens und Abfackelns (BRVF).

Mehr Erneuerbare wagen – offener Brief von breitem Bündnis

Gemeinsam mit acht weiteren Verbänden aus den Bereichen erneuerbare Energien und Städte sowie mit Unterstützung von Wissenschaftlern des Weltklimarates IPCC sowie führender Universitäten hat SolarPower Europe am Mittwoch das EU-Parlament und die Mitgliedstaaten aufgefordert, sich für ein Mindestziel von 45 Prozent erneuerbarer Energien bis 2030 einzusetzen. Es sei wichtig, den Übergang zu sauberer Energie zu beschleunigen, um eine Klimakatastrophe zu vermeiden, heißt es in einem offenen Brief .
Ein Ziel von 45 Prozent erneuerbarer Energien gegenüber den von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen 40 Prozent sei „der kosteneffizienteste Weg“, um das Ziel der EU für 2030, die Treibhausgasemissionen um 55 Prozent zu senken, zu erreichen. Zudem würde es den Kontinent auf den richtigen Weg bringen, um das 1,5-Grad-Szenario des Pariser Abkommens einzuhalten.

Energieeffizienzziele „zu ehrgeizig“?

An Teilen des ersten Fit-for-55-Paketes gibt es bereits die erste Kritik. Ein Fortschrittsbericht der slowenischen EU-Ratspräsidentschaft zur überarbeiteten Energieeffizienz-Richtlinie, der beim Treffen der Energieminister*innen am 2. Dezember vorgelegt wurde, zeigt laut Berichten des Informationsdienst EurActiv, dass einige Mitgliedstaaten mit den nachgeschärften Zielen überfordert seien. Dies wiederum errege die Besorgnis von Nichtregierungsorganisationen, die die neuen Ziele durch Verwässerungsvorstöße bedroht sähen, so das Medium. Der Vorschlag verpflichte die EU-Länder, ihren Energieverbrauch bis 2030 gemeinsam um 9 Prozent unter das Niveau von 2020 zu senken, dies scheine einigen EU-Staaten „zu ambitioniert“ zu sein.

CAN Europe liefert „acht Gründe, warum der Reformprozess des Energiecharta-Vertrags zum Scheitern verurteilt ist“

Während die Länder in Europa und der EU ihre Klimaschutzmaßnahmen mit ehrgeizigeren Strategien verstärken, gibt es einen Vertrag, der Investitionen in fossile Brennstoffe rechtlich schützt, kritisiert das Klimaschutzbündnis CAN Europe. Der Vertrag über die Energiecharta (ECT) sei ein wenig bekanntes, aber höchst umstrittenes internationales Handels- und Investitionsabkommen, das den Klimaschutz erheblich behindert und Unternehmen für fossile Brennstoffe die Möglichkeit gibt, souveräne Regierungen wegen ihrer Klimapolitik zu verklagen. Über einen Mechanismus namens Investor State Dispute Settlement (ISDS) können Unternehmen, die in Energieprodukte und -infrastrukturen wie Kohleminen, Ölfelder und Gaspipelines investieren, jeden der 55 Unterzeichnerstaaten (einschließlich der EU, Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens), die den Vertrag unterzeichnet haben, verklagen, wenn ihre Maßnahmen den Gewinnen schaden. „Dieses System ist intransparent, sehr günstig für Investoren und trägt nicht dazu bei, unseren Übergang zu einer kohlenstoffarmen Welt zu erleichtern“, so CAN Europe.
Auch die Europäische Kommission habe den Vertrag als „veraltet“ und „nicht mehr tragfähig“ bezeichnet. Parlamentarier*innen und Organisationen der Zivilgesellschaft aus ganz Europa haben die EU-Mitgliedstaaten aufgefordert, gemeinsam aus dem Vertrag auszutreten. In einem längeren Artikel hat CAN Europe acht Gründe zusammengetragen, warum der ECT abgeschafft und nicht reformiert werden sollte.

Euractiv: EU-Gasreform: Fokus auf Speicher und gemeinsame Beschaffung

CAN Europe: The hydrogen and gas decarbonisation package under publication needs to improve

CIEL The Transatlantic Petrochemical Trade is Undermining Europe’s Climate & Plastics Policies

ETH Zürich: Wachsender Kohlenstoff-Fussabdruck von Kunststoffen

CAN Europe: NGO Policy recommendations on the upcoming legislation proposal to reduce anthropogenic methane emissions from the energy and petrochemical sectors

Pressemitteilung Yes to 45% RES! Scientists, cities, and renewable energy unite behind higher EU renewables targe  und Offener Brief: „Yes to 45% RES“

EurActiv: Energy efficiency law ‘too ambitious’ for some EU member states  sowie Fortschrittsbericht

CAN Europe: 8 reasons why the Energy Charter Treaty reform process is doomed to failure

[Redaktionell bearbeitet von Juliane Grüning]

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