EUDR ertrinkt in Deregulierungswelle: Verschiebung um ein Jahr beschlossen

EU-Kommission, Parlament und Rat haben im Trilogverfahren beschlossen, den Geltungsbeginn der Anti-Entwaldungsverordnung EUDR um ein weiteres Jahr zu verschieben. Zusätzlich sollen bis April 2026 nochmals Kosten geprüft werden mit der Option auf weitere „Vereinfachung“. Umweltverbände kritisierten die Verschiebung scharf.
Eigentlich war das Gesetz zur Vermeidung von Waldzerstörung, Abholzung und Umweltverstößen schon seit 2023 in trockenen Tüchern, aber am 4. Dezember haben Rat und Parlament eine neue, vorläufige politische Einigung über „die gezielte Überarbeitung der EU-Verordnung über Produkte aus entwaldungsfreien Quellen (EUDR)“ erzielt. Es gab inhaltliche Anpassungen, vor allem aber eine erneute Verschiebung um ein weiteres Jahr. Die EUDR soll nun erst am 30.12.2026 in Kraft treten. Informationspflichten für Klein- und Kleinstbetriebe werden reduziert und der Verwaltungsaufwand in der Lieferkette für Unternehmen mit einem geringen Anteil regulierter Produkte verringert. Bis zum 30.04.2026 soll die EU-Kommission außerdem die durch die EUDR entstehenden Verwaltungskosten prüfen. Dies sehen Wirtschaftsverbände als Option für noch weitergehende „Vereinfachungen“.
Vergeblich hatten BUND, Deutsche Umwelthilfe, Greenpeace, NABU, ROBIN WOOD und WWF Deutschland vor der ebenfalls kürzlich erfolgten Abstimmung im EU-Parlament gefordert, die Abschwächungsvorschläge zu verhindern. Die Trilogentscheidung hat mit der Demontage der EUDR wichtige EU-Umweltziele mit weltweiten Auswirkungen geopfert.
Der gefundene Kompromiss muss nur noch formal abgesegnet werden. Bundesumweltminister Carsten Schneider nannte ihn eine „pragmatische Lösung, die die Substanz beim Waldschutz erhält, aber deutlich weniger Bürokratie mit sich bringt“. Europa wolle mit seinem Konsum nicht zur weltweiten Zerstörung von Wäldern beitragen. Das sei der Kern der Verordnung und der bleibe erhalten. „Jetzt können wir gemeinsam an einer wirksamen Umsetzung ab 2027 arbeiten, die wenig Bürokratie mit sich bringt, aber viel Waldschutz“, so Schneider.
Hart erkämpfte Ziele „binnen Stunden über den Haufen geworfen“
Umweltverbände sind skeptisch, ob das gelingt. Das WWF Europabüro kritisierte, dass der politische Kompromiss zur Verwässerung der EUDR „einen weiteren Schritt in Brüssels rücksichtslosem Drift in Richtung Umweltderegulierung“ markiert. „Jahrelange, hart erkämpfte Verhandlungen wurden innerhalb weniger Stunden über den Haufen geworfen, und in wessen Interesse? Anstatt zu ihrem eigenen Vorschlag und dem Willen der Bürger zu stehen, gibt die Kommission nach und unterstützt eine Einigung, die den Weg dafür ebnet, dass die EUDR Stück für Stück ausgehöhlt wird“, sagte Anke Schulmeister-Oldenhove, Waldexpertin im WWF European Policy Office. Es sei „eine Frechheit“ immer noch zu behaupten, dass damit Entwaldung bekämpft würde, stattdessen würden wichtige Schutzmaßnahmen verzögert. Die Vereinbarung sei mit unglaublich hohen und irreversiblen Umweltkosten verbunden: Eine einjährige Verzögerung dürfte zu Emissionen von 16,8 Millionen Tonnen CO2 führen. Statt einen verbindlichen Rechtsrahmen zu schaffen, habe das Hin und Her zu tiefen Unsicherheiten in den Lieferketten geführt, was durch die Überprüfung 2026 noch verschärft werde.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisierte den Trilog-Kompromiss zur EUDR ebenfalls scharf. Das EU-Parlament müsse die Verschiebung bei der formalen Abstimmung in den Sitzungen Mitte Dezember ablehnen. DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner mahnte, die einjährige Verzögerung führe zu weiteren Rechtsunsicherheiten für Unternehmen und bedeute ein weiteres Jahr vermeidbaren Waldverlust für unseren Konsum in Europa. „Durch die Vereinbarung, Klein- und Kleinstbetriebe weitgehend auszuschließen, bleibt die Lieferkette undurchsichtig – Behörden können Verstöße kaum erkennen. Unternehmen, die in Transparenz investiert haben, werden gegenüber Nachzüglern benachteiligt. Ausnahmen wie für die Druckindustrie öffnen zusätzliche Schlupflöcher“, so Müller-Kraenner. Das untergrabe das Ziel entwaldungsfreier Wertschöpfungsketten und beschädige das Vertrauen von Partnerländern in die Glaubwürdigkeit der EU. „Besonders fatal ist, dass die Verordnung bis April 2026 noch einmal aufgeschnürt werden soll, bevor sie überhaupt gilt. Das lädt zu weiteren Abschwächungen ein.“ Die DUH forderte die Bundesregierung auf, „diesem Rollback im EU-Rat entschieden entgegen[zu]treten“. [jg]
EU-Rat: EU deforestation law: Council and Parliament reach a deal on targeted revision - Consilium
WWF: European Commission greenlights further irresponsible measures on deforestation


