Europäischer Rat versus Ungarn?
Die EU-Staats- und Regierungschef*innen haben auf ihrem Gipfeltreffen Mitte Dezember eine Einigung zur Revision des Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) verpasst. Schuld daran ist Ungarn. Der Mitgliedstaat hatte die wegen mangelnder Rechtsstaatlichkeit eingefrorenen EU-Gelder wohl als Druckmittel an die Zustimmung für milliardenschwere Finanzhilfen für die Ukraine gekoppelt. Im Januar sollen Staatsoberhäupter auf einem Sondergipfel weiter verhandeln.
Die EU-Kommission widersprach der Vorhaltung, dass die Auszahlung der Gelder an Ungarn an die Blockadedrohung bei der Unterstützung der Ukraine geknüpft gewesen sei. Die Entscheidung der EU-Kommission, gut zehn Milliarden Euro für Ungarn freizugeben, stößt dennoch auf Kritik. Die Kommission habe sich damit erpressbar gemacht, sagte die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Katarina Barley (S&D) im rbb24 Inforadio. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte laut EU-Info (dpa) nach dem EU-Gipfeltreffen: „Es darf keine Verknüpfung von Fragen geben, die nicht miteinander zusammenhängen.“ Auch die christdemokratische EVP-Fraktion im Europäischen Parlament will eine Untersuchung zu EU-Milliardenzahlungen an Ungarn. Der EVP-Vorsitzende Manfred Weber forderte, dass künftig der Europäische Gerichtshof feststellen müsse, ob in einem EU-Staat die Rechtsstaatsprinzipien eingehalten werden. Immerhin sind weiterhin rund 20 Milliarden Euro für Ungarn blockiert.
Die EU will die Ukraine in den kommenden vier Jahren mit 17 Milliarden Euro an Zuschüssen und 33 Milliarden Euro an Krediten unterstützen. Zusätzliches Geld ist zudem für die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie in der EU und die Migrationspolitik der EU vorgesehen.
Abgesehen von der fortgesetzten Unterstützung der Ukraine und der Halbzeitüberprüfung des langfristigen EU-Haushalts für 2021-2027 erörterten die EU-Führungsspitzen bei ihrem Gipfeltreffen die Lage im Nahen Osten, Sicherheit und Verteidigung, Migration, hybride Angriffe, die Bekämpfung von Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sowie die Strategische Agenda der EU für 2024-2029. Die strategische Agenda wird die Arbeitsschwerpunkte der EU der nächsten fünf Jahre festlegen.
Auch die Finanzminister*innen konnten sich am 8. Dezember nicht auf eine Reform des Fiskalrahmens einigen, der die Schuldenbremsen und Investitionsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten regelt. Laut Europe.Table vom 11. Dezember konnten sie eine Übereinstimmung von 92 Prozent erzielen. Die Zeit drängt, vor den Wahlen des EU-Parlaments im Juni noch eine Einigung zwischen Rat und Parlament zu erzielen.
Ungarn soll nach Belgien (1. Halbjahr 2024) am 1. Juli 2024 den Vorsitz über die EU-Räte übernehmen. [bv]
Europäischer Rat - Consilium (europa.eu)
Press statement by the President of the European Council Charles Michel - Consilium (europa.eu)
Barley zu Ungarn-Entscheidung: EU hat sich erpressbar gemacht | Presseportal
Christdemokraten im EU-Parlament wollen Prüfung von Ungarn-Milliarden - EU-Info.de