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Luftqualität: EU-Regelung auf Kosten der Bevölkerung?
EU-News | 15.02.2024
#Emissionen

Luftqualität: EU-Regelung auf Kosten der Bevölkerung?

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c. Shutterstock

Bis zum 20. Februar 2024 wollen sich Rat und Parlament auf eine neue EU-Luftqualitätsrichtlinie einigen. Umweltverbände befürchten lasche Grenzwerte, verlängerte Fristen und damit mangelnden Gesundheitsschutz durch Ratsblockade. Deutschland scheint dabei eine unrühmliche Rolle zu spielen.

EU-Kommission hatte im Oktober 2022 (EU-News 27.10.2022) einen Entwurf zur Novellierung der Luftqualitätsrichtlinie vorgelegt, der strengere Grenzwerte ab 2030 vorsah. Die überarbeitete Richtlinie deckt eine Vielzahl von luftverschmutzenden Substanzen ab, darunter Feinstaub und Partikel (PM2,5 und PM10), Stickstoffdioxid (NO2), Schwefeldioxid (SO2), Benzol, Arsen, Blei und Nickel, um nur einige zu nennen. Im Sommer 2023 zeigte sich, dass der Umweltausschuss im EU-Parlament für eine Verschärfung der Regeln war, der Rat – und besonders die Mitgliedstaaten, die bereits jetzt die Grenzwerte häufig reißen – die Neuregulierung überwiegend ablehnte (EU-News 30.06.2023). Im September 2023 hatte das Parlamentsplenum für eine weitere Verschärfung der Grenzwerte entsprechend der Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation ab 2035 gestimmt. Der Rat enttäuschte im November 2023 mit einer Position, die Luftreinhaltung „später und nicht für Arme“ (EU-News 09.11.2023) vorsah.

Trilog geht in die entscheidende Phase

Kurz nach dem Beginn der Trilogverhandlungen zur Überarbeitung der Richtlinie über die Luftqualität der drei EU-Institutionen Rat, Parlament und Kommission hatte sich am 7. Februar die europäische Umwelt- und Gesundheitsorganisation HEAL zu Wort gemeldet. Besonders die Position des Ministerrates war HEAL ein Dorn im Auge. Denn die Mitgliedstaaten wollen jahrzehntelange Ausnahmen von der Einhaltung der rechtsverbindlichen Grenzwerte für die Luftverschmutzung auf der Grundlage des BIP der Länder im Vergleich zum EU-Durchschnitt vorsehen. Was hieße, dass fast zwei Drittel der EU-Länder die Reduzierung der gesundheitsschädlichen Luftschadstoffe bis 2040 aufschieben könnten. Gesundheitliche Ungleichheiten sowie eine Abkehr vom Grundsatz der Gleichheit in der EU wären die Folge, so HEAL.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) verfolgte die Verhandlungen ebenfalls und schlug Alarm: Geplante Ausnahmeregelungen für Luftschadstoff-Grenzwerte gefährdeten die Gesundheit der Menschen in Europa. Besonders harsch fällt die Kritik an der Haltung Deutschlands aus: So habe Bundeskanzler Olaf Scholz „auf Druck der Industrie-Lobby“ die Bundesumweltministerin aufgefordert, sich zu enthalten – damit wäre der Weg für Ausnahmeregeln frei. Die Bundesregierung und die EU müsse sich für eine wirksame EU-Luftqualitätsrichtlinie mit WHO-konformen Grenzwerten einsetzen, so die Organisation. DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch kritisierte Anfang Februar: „Mit der von der Industrie geforderten und von Kanzler Scholz angeordneten Nicht-Zustimmung zu strengeren Luftreinhaltevorschriften verantwortet die Bundesregierung 330.000 zusätzliche vorzeitige Todesfälle durch Luftverschmutzung. Vor allem Menschen mit niedrigem Einkommen leben oft an den Orten mit der dreckigsten Luft und genau dort wollen die EU-Staaten jetzt noch 10 Jahre länger gesundheitsschädliche Luftverschmutzung tolerieren.“

Lebensqualität in europäischen Städten ist auch eine Frage der guten Atemluft

Der kürzlich veröffentlichte Bericht der EU-Kommission über die Lebensqualität in Europäischen Städten 2023 (Report, engl.) zeigt, dass Luftverschmutzung und Lärm erhebliche Gesundheitsprobleme verursachen. Besonders in Städten im Süden und im Osten ist die Bevölkerung besorgt über die Qualität ihrer Atemluft. Trotz Verbesserungen der Luftqualität in den letzten zehn Jahren waren aber insgesamt 97 Prozent der städtischen Bevölkerung in der EU einer Belastung mit Feinstaubwerten (PM2,5) ausgesetzt, die über dem von der Weltgesundheitsorganisation festgelegten Richtwert lagen. Allein dies könne nach Berechnungen der Europäischen Umweltagentur (EEA) schätzungsweise zu rund 275.000 vorzeitigen Todesfällen führen. Und Feinstaub ist nicht der einzige Luftschadstoff.

Es bleibt zu hoffen, dass die EU sich bei der Entscheidung am 20. Februar den von der WHO empfohlenen Grenzwerten wenigstens weiter nähert. [jg]

 

HEAL: Health groups warn of delays and inequalities in updating EU clean air standards

DUH-Pressemitteilung 14.02.2024: [DUH fordert] klares Votum [...] für wirksame Luftschadstoff-Grenzwerte in Europa und 05.02.2024: Europaweit drohen 330.000 zusätzliche Todesfälle

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