Menü
Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzorganisationen
Startseite
Aktuelles & Termine
Aktuelles & EU-News
Nationale Energie- und Klimapläne: Noch lange nicht am Ziel
EU-News | 11.06.2025
#Emissionen #EU-Umweltpolitik #Klima und Energie

Nationale Energie- und Klimapläne: Noch lange nicht am Ziel

Rubrik_Klima_und_Energie_Kohlekraftwerk_c._Pixabay_pollution-2043666_1920
Kohlekraftwerk

Die EU-Kommission hat die Nationalen Energie- und Klimapläne (NECPs) der Mitgliedstaten untersucht und ist „stolz”, wenn auch nicht ganz zufrieden. Mit den aktuellen Maßnahmen wäre das Klimaziel 2030 beinahe erreicht. Ein anderes Bild zeichnen zivilgesellschaftliche Organisationen wie CAN Europe, die erhebliche Lücken und Mängel in den Plänen sehen, vor allem fehlende Ambitionen und Unklarheiten in der Finanzierung. 

Die guten Nachrichten zuerst: Laut der Untersuchung der Nationalen Energie- und Klimapläne (NECPs), welche die EU-Kommission am 28. Mai in einem Bericht veröffentlichte, werden die EU-Mitgliedstaaten ihre gesamten Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um rund 54 Prozent im Vergleich zu 1990 senken können, sofern alle bereits laufenden und noch geplanten Maßnahmen auch entsprechend umgesetzt werden. Im Optimalfall käme die EU damit ihrem selbst gesetzten Ziel nahe, 55 Prozent der Emissionen bis zum Ende der 2020er-Jahre zu reduzieren. Nach aktuellem Stand seien laut EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra bereits etwa 37 Prozent Reduktion erreicht. 

Während die Fortschritte bei den Reduktionszielen insbesondere auf zwei Sektoren mit Emissionshandel – Strom und Industrie – zurückzuführen seien, die ihren Ausstoß an klimaschädlichen Gasen seit 2005 halbieren konnten, mangelt es in anderen Bereichen jedoch erheblich an Ambition. So werden die Emissionen in den Sektoren Gebäude, Landwirtschaft, Kleinindustrie und Abfall, die unter die Lastenteilungsverordnung (ESR) fallen, voraussichtlich nur um etwa 38 Prozent sinken und nicht im gleichen Maße zur Zielerreichung beitragen. 

Nachholbedarf bei Landnutzung und Energieeffizienz - und bei der Einreichung aktualisierter Pläne

Besonders schlecht sieht es insbesondere im Landnutzungssektor (LULUCF) aus: Hier gibt es keinerlei Verbesserung, die Emissionen steigen hingegen sogar. Auch in puncto Energieeffizienz besteht noch Aufholbedarf: Zwar führen die aktualisierten Pläne zu einer kumulativen Senkung um 8,1 Prozent, das eigentliche Ziel einer Reduktion des Endenergieverbrauchs von 11,7 Prozent wird damit jedoch verfehlt. Ebenso wird der anvisierte Anteil erneuerbarer Energien von 42,5 Prozent mit den derzeitigen Maßnahmen um 1,5 Prozent knapp nicht erreicht werden. 

Die Nationalen Energie- und Klimapläne sind verbindliche Strategien, in denen jeder Mitgliedstaat darlegen muss, wie die Klima- und Energieziele der EU bis 2030 erreichen werden sollen. In diesen Plänen werden die nationalen Ziele für die Emissionsreduzierung, den Einsatz erneuerbarer Energien und Energieeffizienzmaßnahmen sowie deren Finanzierung und Steuerung festgelegt. Die NECPs wurden erstmals im Jahr 2020 erstellt. Aufgrund der Corona-Pandemie und im Kontext neuer EU-Klimaziele war allerdings eine Aktualisierung vonseiten der Mitgliedstaaten bis Ende Juni letzten Jahres notwendig. Beinahe ein Jahr nach Fristende haben jedoch noch nicht alle EU-Staaten ihre finalisierten, erneuerten Pläne eingereicht – die finalen Pläne von Belgien, Estland und Polen stehen immer noch aus, wurden in ihrer vorläufigen Fassung aber bereits in die Bewertung der Kommission einbezogen. 

Diese zeigte sich zufrieden mit den überarbeiteten Plänen und Vorhaben der Staaten – die Lücken zur Zielerreichung seien im Vergleich zu 2023 deutlich geschlossen worden. Es gebe Gründe stolz zu sein, auch wenn man noch nicht zufrieden sei, kommentierte Energiekommissar Jørgensen. Zur Erreichung der 2030er-Ziele plant die Kommission, ihre Unterstützung zu verstärken. Dafür werde unter anderem geprüft, wie ein EU-weiter Markt für Energieeffizienz und Energiesparzertifikate geschaffen werden könne. Zudem sollen die Staaten für den LULUCF-Sektor strengere Maßnahmen zur CO-Entnahme ergreifen. 

Für die Kommission stellt die Bewertung der NECPs eine gute Basis dar, um in einem nächsten Schritt ein Zwischenziel für 2040 zu formulieren. Die klare Festlegung eines Ziels würde die notwendigen Maßnahmen für eine potenzielle 90-Prozent-Reduktion bis 2040 vorhersehbarer machen, so der Gedanke dahinter. Gegenwind zum 90-Prozent-Ziel kommt von einigen Parlamentariern sowie Mitgliedstaaten wie beispielsweise Tschechien und Italien: Aus deren Sicht ist das Vorhaben zu hochgesteckt. 

Umweltorganisationen beklagen Mangel an Ambition und potenziellen Rechtsbruch

Zivilgesellschaftliche Organisationen sehen erhebliche Schwächen in den Plänen der Mitgliedstaaten und äußern Bedenken über die Wahrscheinlichkeit der tatsächlichen Umsetzung der beinhalteten Maßnahmen. Aus Sicht des Netzwerks CAN Europe (Climate Action Network) fehlten beispielsweise die von der Kommission geforderten konkreten Finanzierungspläne. Ohne eine realistische Strategie zur Finanzierung bestehe „die Gefahr, dass selbst gut konzipierte Pläne nur auf dem Papier bleiben“. Vielen NECPs mangele es an Ehrgeiz und den notwendigen politischen Maßnahmen, um die erforderlichen Emissionssenkungen zu erreichen. Dies betrifft besonders den Bereich der Energieeffizienz, wo eine erhebliche Lücke klafft. 

Nichtregierungsorganisationen aus Staaten wie Frankreich, Deutschland, Irland, Italien, Schweden, Bulgarien, Zypern und Malta haben die EU-Kommission sogar dazu aufgefordert, rechtliche Schritte gegen ihre Regierungen einzuleiten. Ihrer Argumentation zufolge zeigten die Schwächen in den Klimaplänen nicht nur politisches Versagen auf, sondern stellten auch Verstöße gegen das EU-Recht dar. Es sei schließlich Pflicht der Staaten, Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen sowie die Verantwortung der Kommission, EU-Recht durchzusetzen. 

Portrait von Judith Hermann
Es braucht gezielte, sozial gerechte Investitionen, einen klaren Finanzierungsplan und eine konsequente Umsetzung zusätzlicher Maßnahmen
Judith Hermann
DNR-Projektreferentin für EU-Klima- und Energiepolitik

Einer Analyse von CAN zufolge ist die verpflichtende zivilgesellschaftliche Beteiligung an der Erstellung der Klima- und Energiepläne durch undurchsichtige oder mangelhafte Verfahren zudem schwach ausgeprägt. Dies sei eine verpasste Chance, die Pläne durch inklusiven Dialog zu stärken. 

Aus Sicht von Judith Hermann,  beim Deutschen Naturschutzring (DNR), geht auch der deutsche Energie- und Klimaplan nicht weit genug: Insbesondere im Gebäude- und Verkehrssektor sind die dargestellten Maßnahmen nicht detailliert genug und bei Weitem nicht ausreichend, um Deutschlands notwendigen Beitrag zu den EU-Klimazielen bis 2030 einzuhalten. Auch die Initiativen im Landnutzungs- und Forstwirtschaftsbereich sind unzureichend. Die Bundesregierung muss hier dringend nachsteuern: Es braucht gezielte, sozial gerechte Investitionen, einen klaren Finanzierungsplan und eine konsequente Umsetzung zusätzlicher Maßnahmen, um die Transformation in diesen Sektoren zu ermöglichen.

Eine ausführliche Bewertung der NECPs und ihrer Mängel hat CAN Europe zudem in ihrem aktuellsten Bericht "EU Climate goals at risk" vorgenommen. Die Analyse zeigt, dass in sehr vielen Bereichen noch Luft nach oben ist: so gebe es erhebliche Lücken bei den politischen Ambitionen, den Finanzen, der öffentlichen Beteiligung, der Umsetzung der Pläne sowie Leerstellen im gerechten Übergang in der Transformation. [mi]

 

Analyse CAN Europe/Together for 1.5: EU Climate goals at risk.

CAN Europe: Pressemitteilung

Euronews: Artikel zu NECPs (englisch)

EU-Kommission: PM zu NECPs

Tagesspiegel Background [kostenpflichtig]: Viel Luft nach oben bei Nationalen Energie- und Klimaplänen 

EU-Kommission: Übersicht über alle NECPs

Das könnte Sie interessieren

Ein Bauer untersucht trockenen Boden in seiner Hand.
News | 12.06.2025
#Klima und Energie #Landwirtschaft und Gentechnik

Ernährung sichern durch klimaresistente Landwirtschaft

Im März, April und Mai fiel in Deutschland so wenig Regen wie noch nie seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Das sollte die Politik schleunigst zum Handeln bewegen. Sonst ist die Zukunft der Landwirtschaft und damit unsere Sicherheit bei der Lebensmittelversorgung in Gefahr, sagt Greenpeace-Agrarexperte Matthias Lambrecht. ...