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Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzorganisationen
News | 12.05.2025
#Biodiversität und Naturschutz

Naturschutz braucht Rückenwind

Blick auf ein Moor
© Foto: AdobeStock/chesterF
Intakte Landschaften benötigen eine ausreichende Finanzierung und den politischen Willen dafür

Die neue Bundesregierung hat sich „Verantwortung für Deutschland“ auf die Fahnen geschrieben. Was das für den Schutz der biologischen Vielfalt – die eine unserer Lebensgrundlagen ist – bedeutet und was der Naturschutzbund (NABU) von der Regierung erwartet, beleuchtet Johann Rathke vom NABU.

Mit der neuen Großen Koalition beginnt eine Legislaturperiode, in der die Weichen für den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen neu gestellt werden müssen. Die ökologische Realität ist eindeutig: Das Artensterben geht ungebremst weiter, der Zustand vieler Ökosysteme ist kritisch, und auch die Klimakrise trifft unsere Landschaften, Böden und Gewässer zunehmend spürbar. Was es jetzt braucht, ist eine Politik, die den Naturschutz nicht länger an den Rand drängt, sondern ins Zentrum ihrer Zukunftsagenda rückt.

CDU/CSU und SPD haben sich in ihrem Koalitionsvertrag auf zahlreiche Vorhaben verständigt, die aus Sicht des NABU richtungsweisend sein könnten – wenn sie ernst gemeint, finanziell unterlegt und konsequent umgesetzt werden. Doch genau hier liegt die Herausforderung.

Gute Vorhaben – aber werden sie auch umgesetzt?

Im Koalitionsvertrag stehen zum Beispiel: die Verstetigung des Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz (ANK), eine Fortführung der Moorschutzstrategie, ein neuer Sonderrahmenplan „Naturschutz und Klimaanpassung“. Das ist richtig und wichtig – doch entscheidend ist, ob diesen Vorhaben auch Taten folgen. Bislang fehlen klare Finanzierungszusagen. Gerade in Zeiten knapper Haushalte drohen Strategien zu leeren Versprechen zu werden. Der NABU fordert daher ein verbindliches Finanzierungsziel für naturbasierte Klimaschutzmaßnahmen – und klare politische Prioritäten für wirksamen Naturschutz.

Der angekündigte Sonderrahmenplan kann die Finanzierung von Naturschutz und Klimaanpassung auf eine solide Grundlage stellen – wenn Mittel gezielt und dauerhaft fließen. Extremwetter, Trockenheit und Erosion zeigen: Investitionen in resiliente Ökosysteme sind eine Frage der Vorsorge. Jetzt ist die Zeit zu handeln – nicht zu zögern.

Johann Rathke
Extremwetter, Trockenheit und Erosion zeigen: Investitionen in resiliente Ökosysteme sind eine Frage der Vorsorge. Jetzt ist die Zeit zu handeln – nicht zu zögern.
Johann Rathke, NABU
Teamleiter Biodiversitätspolitik

Schutz braucht Fläche – und klare Regeln

Besondere Aufmerksamkeit verdient die geplante Neuregelung ökologischer Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. Zwar soll ein neues Gesetz deren Umsetzung erleichtern, gleichzeitig droht aber eine Einschränkung bei Vorhaben des Umwelt-, Hochwasser- oder Klimaschutzes. Das wäre ein Fehler. Auch grüne Infrastrukturen können massive Eingriffe in Natur und Landschaft verursachen – und müssen entsprechend kompensiert werden.

Die Probleme bei der Kompensation von Eingriffen in die Natur – und die damit oft verbundenen Verzögerungen bei Planungs- und Genehmigungsverfahren – haben vor allem drei Ursachen: Es fehlt an einer funktionierenden digitalen Infrastruktur. Es gibt zu wenig Personal, um die Vorgänge zügig zu bearbeiten. Vor allem aber mangelt es an geeigneten Flächen, auf denen Kompensationsmaßnahmen umgesetzt werden können. Bundesgesetzliche Regelungen können hier helfen, entscheidend ist aber vor allem: Die vorhandenen Instrumente in den Ländern – etwa Flächenagenturen oder Ökokonten – müssen besser ausgestattet und effizienter genutzt werden.

EU-Renaturierungsziele nicht aufweichen

Zur geplanten EU-Wiederherstellungsverordnung sendet die Bundesregierung widersprüchliche Signale. Zwar will sie das Gesetz auf EU-Ebene unterstützen, gleichzeitig aber für „Erleichterungen“ eintreten. Der NABU warnt: Solche Relativierungen zum Start der Umsetzung gefährden Glaubwürdigkeit und Tempo. Die Wiederherstellung degradierter Ökosysteme ist zentral für Klimaresilienz, Artenvielfalt und Daseinsvorsorge – sie braucht jetzt Rückenwind, keine Abstriche.

Trotz alarmierender Trends bleibt der Verlust biologischer Vielfalt ein Randthema. Dabei zeigen Umfragen: Die Menschen in Deutschland schätzen Natur – und erwarten politischen Schutz. Symbolpolitik reicht nicht. Es braucht eine ressortübergreifende Führung, getragen vom Bundesumweltministerium und unterstützt vom Kanzleramt. Biodiversität muss als integraler Bestandteil einer sozial-ökologischen Transformation verstanden werden – auf Augenhöhe mit Energie, Mobilität und Ernährung. Naturschutz ist kein „Nice to have“, sondern Basis für Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Lebensqualität.

Damit Naturschutz in dieser Legislatur nicht wieder auf die lange Bank geschoben wird, braucht es vor allem:

  • Einen Nationalen Wiederherstellungsplan für geschädigte Ökosysteme – mit klarem Fahrplan für die Umsetzung der EU-Wiederherstellungsverordnung.
  • Eine Initiative für Grüne Infrastruktur, um Schutzgebiete besser zu vernetzen und Biotopverbünde zu stärken.
  • Klare Prioritäten und Mittel für Naturschutz und Klimaanpassung – langfristig, verlässlich und wirkungsorientiert.

Deutschland hat die Chance, mit gutem Beispiel voranzugehen – für eine integrative Umweltpolitik, die ökologische Realität ernst nimmt und Vorsorge in konkrete Politik übersetzt. Der NABU wird die Umsetzung kritisch, aber konstruktiv begleiten – und darauf drängen, dass Versprechen auch eingehalten werden. Denn beim Schutz unserer Lebensgrundlagen zählt nicht das, was gesagt wird, sondern das, was wirklich geschieht.

Der Autor

Johann Rathke ist Teamleiter Biodiversitätspolitik beim NABU-Bundesverband. Sein politischer Arbeitsschwerpunkt liegt auf dem Schutz und der Förderung der biologischen Vielfalt in Deutschland. 

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