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Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzorganisationen
EU-News | 17.03.2022
#Wasser und Meere

Ostseeraumordnung in der Kritik

Offenes Meer
© AdobeStock/taviphoto
Offenes Meer

Der WWF hat die Raumordnungspläne der baltischen Staaten analysiert und Mängel gefunden. Schweinswale sollen besser geschützt werden. UN-Vertrag für Meeresschutz auf Hoher See bald einen Schritt weiter? Mehr Internationales und der „End of Fish“-Day in Deutschland.

WWF: Raumordnungspläne für die Ostsee weisen „erhebliche Lücken“ auf

Der WWF hat Anfang März die Strategien der baltischen EU-Mitgliedstaaten zur maritimen Raumplanung (MSP) für eine nachhaltige Bewirtschaftung der Meeresgebiete und -ressourcen bewertet. Ergebnis: Die Ostseeanrainer seien im Vergleich mit anderen Regionen zwar führend in der EU bei der nachhaltigen Bewirtschaftung des Meeresraums, gefährdeten aber weiterhin die Natur. Es fehle den Plänen „an grenzüberschreitender Harmonisierung“, sie enthielten „erhebliche Lücken“ und außerdem seien die Maßnahmen zur Wiederherstellung und zum Schutz der Ökosysteme „unzureichend“, kritisierte das WWF-Programmteam für die Ostsee-Ökoregion.

Die ausgewiesenen Meeresschutzgebiete entsprächen insgesamt nicht dem Ziel der EU-Biodiversitätsstrategie, mindestens 30 Prozent der Meeres- und Küstengebiete zu schützen, wovon 10 Prozent streng geschützt sein sollten. Darüber hinaus sehe kein einziger Plan Flächen für die Wiederherstellung der Natur in der Ostsee vor und nur zwei Länder hätten sich teilweise mit den zeitlichen und räumlichen Unsicherheiten in Zeiten des Klimawandels befasst, so der WWF.

Dort, wo in den nationalen Plänen Flächen für erneuerbare Offshore-Energien vorgesehen seien, habe die Mehrheit der Länder die Auswirkungen der Offshore-Infrastruktur für erneuerbare Energien auf Ökosysteme und wildlebende Tiere nicht berücksichtigt.

Valerie de Liedekerke, Interimsdirektorin und Programmmanagerin des WWF-Programms für die baltische Ökoregion, sagte: „Unser Bericht zeigt, dass es noch ein weiter Weg ist, bis ökosystembasierte Ansätze vollständig in das Meeresmanagement der Region integriert sind.“ Die Mitgliedstaaten müssten sektorübergreifend arbeiten und sich an EU-Politiken wie der Gemeinsamen Fischereipolitik und der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie ausrichten, die eine nachhaltige und sichere Zukunft für alle anstreben, so der WWF. Die maritimen Raumordnungspläne müssten der Natur genügend Raum zur Erholung und zum Gedeihen lassen und die Entwicklung erneuerbarer Energien auf See dürfe nicht in Meeresschutzgebieten stattfinden. Zudem müsse auch die Zivilgesellschaft angemessen beteiligt werden, forderte die Organisation.

Die Bewertung des WWF kommt kurz vor dem 31. März, dem Stichtag der EU-Kommission für die Umsetzungsbewertung der Richtlinie zur Schaffung eines Rahmens für die maritime Raumplanung (2014/89/EU). Bis spätestens 2030 sollen alle europäischen Meere in einem „guten Umweltzustand“ sein.

EU-weit/Ostsee: Seit 26. Februar sind neue Maßnahmen zum Schweinswalschutz in Kraft

Am 26. Februar 2022 sind mit einer neuen EU-Verordnung Maßnahmen zum Schutz der stark bedrohten Schweinswale in der Ostsee vor dem Beifang durch die Fischerei in Kraft getreten. Die noch rund 500 existierenden Schweinswale in der Ostsee sollen beispielsweise dadurch geschützt werden, dass nun elf Meeresgebiete, insbesondere die Natura-2000-Gebiete, für die Fischerei mit Stellnetzen gesperrt sind. Beziehungsweise müssen die verwendeten Fanggeräte mit akustischen Vergrämern ausgestattet werden, um diese Meeressäuger zu warnen. Die EU-Kommission hatte dies mit den acht Ostseeanrainerstaaten Dänemark, Estland, Finnland, Deutschland, Lettland, Litauen, Polen und Schweden verhandelt.

Internationales: BBNJ-Abkommen in Verhandlung, Vorschau auf UN-Ozeankonferenz 2022

Noch bis zum 18. März läuft die vierte Sitzung der Regierungskonferenz zum Meeresbiodiversitätsschutz jenseits nationaler Zuständigkeiten (Marine Biodiversity of Areas Beyond National Jurisdiction, BBNJ). Es geht dabei um einen Vertrag über die Hohe See („Durchführungsvertrag über die biologische Vielfalt jenseits der nationalen Gerichtsbarkeit“) unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen. Die EU-Kommission hatte sich im Februar einem BBNJ-Bündnis angeschlossen (EU-News 17.02.2022), wobei Meeresschutzorganisationen wie Seas At Risk darauf hinweisen, dass ohne ein Tiefseebergbaumoratorium einheitliche Anforderungen für Umweltverträglichkeitsprüfungen auch nicht viel nützen dürften. Über die „begehrten Knollen“ der Tiefsee siehe auch Kolumne von Manfred Niekisch in der Frankfurter Rundschau.

Eine UN-Ozeankonferenz zum Nachhaltigen Entwicklungsziel 14 (SDG 14) soll vom 27.06. bis 1.07. in Lissabon stattfinden. Inzwischen gibt es einen „nullten Entwurf“ der Abschlusserklärung (Zero Draft). Bei der Veranstaltung geht es um „wissenschaftlich fundierte und innovative Maßnahmen zur Umsetzung des Ziels 14: Bestandsaufnahme, Partnerschaften und Lösungen“. Die Deutsche Gesellschaft der Vereinten Nationen (DGVN) und das Pressenetzwerk für Jugendthemen (PNJ) laden vier Nachwuchsjournalistinnen und -journalisten zu einem Jugend-Medien-Workshop zur UN-Ozeankonferenz in Lissabon vom 27. Juni - 1. Juli 2022 ein. Bewerbungsschluss ist der 27. März 2022 (Unterlagen).

Deutschland: „End of Fish Day“ dieses Jahr schon am 11. März

Die Organisation Slow Food hat darauf hingewiesen, dass dieses Jahr schon am 11. März, und damit so früh wie nie zuvor, der sogenannte „End of Fish Day“ war. An diesem Tag seien die im gesamten Jahresverlauf unter deutscher Flagge gefangenen und hierzulande gezüchteten Fische und Meeresfrüchte rechnerisch verbraucht. Dies haben Berechnungen von Brot für die Welt, Fair Oceans und Slow Food Deutschland ergeben. Der von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung bestimmte Selbstversorgungsgrad mit Fisch und Fischerzeugnissen liege in diesem Jahr bei nur noch 19 Prozent. Im vergangenen Jahr sei der „End of Fish Day“ noch auf den 17. März gefallen. [jg]

 

WWF: Baltic countries lead EU for sustainable sea space management, but still put nature at risk

EU-Kommission: Baltic Sea conservation: EU acts to protect harbour porpoises

Berichterstattung: 4th Session of the Intergovernmental Conference (IGC) on the BBNJ

Slow Food: Nur noch jeder fünfte Fisch aus deutschem Fang – „End of Fish Day“ 2022 so früh wie noch nie

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