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Schwaches Mandat des Parlaments für die Strommarktreform
EU-News | 20.09.2023
#Klima und Energie

Schwaches Mandat des Parlaments für die Strommarktreform

Solaranlagen auf die Dächer!
© Foto: Pixabay/Solarimo
Solaranlagen auf saniertem Wohngebäude

Mit den Stimmen von S&D, EVP, Renew und Grünen hat das EU-Parlament am 14. September den im Industrieausschuss (ITRE) ausgehandelte Kompromissvorschlag zur Strommarktreform angenommen. Die knappe Mehrheit schwächt die Position des Parlaments in den anstehenden Trilogverhandlungen.

Der Abstimmung vorausgegangen war ein am 12. September eingereichter Einspruch von rund 180 Parlamentarier*innen mit dem Ziel einer Prüfung des Verhandlungsmandats, das bereits im Juli durch eine zweite Abstimmung im Industrieausschuss (ITRE) erteilt worden war. Zwar wurde der Einspruch abgelehnt, das Abstimmungsergebnis fiel jedoch dementsprechend knapp aus: Nur 366 der 705 Abgeordneten stimmten für den Kompromissvorschlag, der ohne weitere inhaltliche Debatte und die Möglichkeit, Änderungsanträge einzubringen, das Parlament passierte.

Der Chefverhandler des EU-Parlaments für die Strommarktreform, der Spanier Nicolás Casares von der S&D-Fraktion, bezeichnete den Versuch, das Verhandlungsmandat infrage zu stellen, als „nicht immer pro-europäisch oder pro-Dekarbonisierung“.

Der ewige Spaltpilz: Die Förderung der Atomkraft

Tatsächlich äußerte der französische Abgeordnete Christophe Grudler (Renew), der den Einspruch initiierte, gegenüber dem Nachrichtenportal „Euractiv France“ die Kritik, dass die nun verabschiedete Position des Parlaments die Finanzierungsmöglichkeiten für den Bau neuer Kernreaktoren und für die Verlängerung der Laufzeit bestehender Reaktoren einschränke. Er benennt damit einen zentralen Streitpunkt: Die Position der EU-Kommission zur Strommarktreform sieht vor, dass bestehende Atomkraftwerke durch die sogenannten Differenzverträge (CfDs) ohne besondere Bedingungen gefördert werden können. Das Mandat des EU-Parlaments hingegen möchte mit den CfDs ausschließlich neue Anlagen, Repowering sowie zusätzliche Energiekapazität bei Laufzeitverlängerung abdecken. Auch im EU-Energierat herrscht zu diesem Thema noch keine Einigung: EU-Mitgliedstaaten wie Deutschland oder Österreich befürchten einen Wettbewerbsnachteil und ein Ausbremsen des Ausbaus der Erneuerbaren, falls die Atomkraft wie von Frankreich gewünscht auch für Anlagen im Bestand förderfähig ist.

Casares, dem an einer Schwächung des Verhandlungsmandats in den Trilogverhandlungen durch Querelen innerhalb des Parlaments nicht gelegen ist, betonte deshalb nach der Abstimmung ausdrücklich die Ausgewogenheit des verabschiedeten Kompromissvorschlags: „Unser Vorschlag sieht gleiche Bedingungen und Wettbewerb zwischen den […] Technologie vor: Windenergie, Solarenergie, geothermische Energie, Wasserkraft ohne Stauseen und Kernenergie“. Der Ansatz des Parlaments wahre die „technologische Neutralität“, wenngleich für bestehende Anlagen der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zwischen öffentlichen Beihilfen und getätigten Investitionen anzuwenden sei. Doch dieser gelte für alle Technologien gleichermaßen. „Es werden keine Maßnahmen ergriffen, die dem Energiemix der einzelnen Mitgliedstaaten zuwiderlaufen: Wer die genannten Technologien, ob Kernenergie oder erneuerbare Energien, durch Differenzverträge fördern möchte, kann dies tun.“

Weitere Informationen zu den strittigen Themen finden sich in diesem Artikel.

Verhandlungsführer betont Stärkung des Verbraucherschutzes

Michael Bloss, Verhandlungsführer für die Grünen, bezeichnete das Abstimmungsergebnis als „Durchbruch“. „Diese Schlacht zwischen Erneuerbaren und Fossilen ist gewonnen, Kohle und Atom haben verloren“, schrieb er in einer Pressemitteilung. Er betonte die Stärkung des Verbraucherschutzes, die durch die Strommarktreform möglich sei. So sollen Verbraucher*innen vor Strompreisschwankungen geschützt und sichergestellt werden, dass sie das Recht auf Festpreisverträge und Verträge mit dynamischen Preisen haben. Durch das Recht auf „Energy Sharing“ und Balkonsolar sowie dem Verbot von Stromsperren würden sie zu „Pionieren der Energiewende“, so Bloss.

Chefverhandler Casares möchte die Trilogverhandlungen zur Strommarktreform nach Möglichkeit bis Ende des Jahres, also noch während der spanischen Ratspräsidentschaft, zum Erfolg führen. Doch zunächst müssen sich die Mitgliedstaaten bei der nächsten Verhandlungsrunde des EU-Energierats Mitte Oktober auf eine gemeinsame Position verständigen.  [ym]

Pressemitteilung Michael Bloss: EU-Parlament stimmt für Trilogmandat

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