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Warum der Gebäudesektor endlich aufwachen muss
News | 12.05.2025
# sozial-ökologische Transformation #Klima und Energie

Warum der Gebäudesektor endlich aufwachen muss

Gebäude Sanierung
© Foto: Thomas auf Pixabay
Neubauten müssen von vornherein energieeffizient entworfen werden

Die Wärmewende ist ein entscheidender Baustein, um die Klimaziele in Deutschland zu erreichen. Eine sichere und bezahlbare Wärmeversorgung ist für Mieter*innen und Wohneigentümer*innen essenziell. Dafür braucht es unter anderem eine sozialverträgliche energetische Modernisierung des Gebäudebestands sowie energieeffiziente Neubauten. 

Derzeit ist der Gebäudesektor aber noch eine Baustelle in der deutschen Klimapolitik. Jahr für Jahr verfehlt er seine Emissionsziele. Angesichts der Klimaziele Deutschlands ist diese Bilanz alarmierend. Rund ein Drittel des gesamten Energieverbrauchs ist auf ihn zurückzuführen. Drei Viertel des Energieverbrauchs privater Haushalte fließen in Heizen und Warmwasser. Trotzdem droht ausgerechnet jetzt ein Rückschritt: Die neue Bundesregierung plant laut Koalitionsvertrag das „Heizungsgesetz“ abzuschaffen. Das wäre ein klimapolitisches Desaster – mit weitreichenden Folgen für Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft.

Das Gebäudeenergiegesetz wurde durch die Ampel-Regierung im Jahr 2023 überarbeitet, die Novelle trat im Januar 2024 in Kraft. Diese Novelle wird häufig als „Heizungsgesetz“ beschrieben, da vor allem die Bestimmungen hinsichtlich neuer Heizungsanlagen angepasst wurden. Das Ziel dieser Gesetzesnovelle war es, schrittweise fossile Heizsysteme durch klimafreundliche Alternativen zu ersetzen. Damit trägt das Gesetz entscheidend dazu bei, die Wärmewende voranzutreiben. Sollte diese Regelung nun zurückgenommen werden, wäre das nicht nur ein herber Rückschlag für den Klimaschutz, sondern auch ein fatales Signal an Industrie, Kommunen und Verbraucher*innen. 

Dass eine Heizungsanlage teilweise weit mehr als 20 Jahre in Betrieb bleibt, macht deutlich, wie wichtig es ist, bereits heute den Umstieg auf erneuerbare Wärme einzuleiten. Wer jetzt noch fossile Heizungen einbaut, schafft Fakten, die der Klimapolitik von morgen zuwiderlaufen: Jede neu eingebaute fossile Heizung heizt die Klimakrise weiter an. Das aktuelle Gebäudeenergiegesetz schafft die nötige Planungssicherheit, die Investitionen erst möglich macht. Die Abschaffung der neuen Anforderungen an Heizungsanlagen würde die ohnehin fragile Wärmewende weiter verzögern und dringend benötigtes Vertrauen zerstören.

Energetische Sanierungen vorantreiben

Um die Klimaziele im Gebäudesektor zu erreichen, um die Wärmewende voranzutreiben, muss neben der Förderung klimafreundlicher Heizungen und klaren Vorgaben für energieeffiziente Neubauten auch die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden in den Mittelpunkt politischer Debatten rücken. Fast 60 Prozent der Gebäude in Deutschland wurden vor 1979 erbaut und sind daher in ihrer Energieeffizienz meist unzureichend. Eine tiefgreifende Sanierung dieser Bestandsgebäude ist unerlässlich, um sowohl die Klimaziele zu erreichen als auch den Energieverbrauch langfristig zu senken. Doch während die Notwendigkeit zu sanieren klar ist, droht die neue Bundesregierung mit klimaapolitischen Rückschritten. So will die neue Koalition auch die EU-Gebäuderichtlinie möglichst lasch umsetzen und klimaschädliche Neubauten erneut fördern – ohne sicherzustellen, dass daraus bezahlbarer Wohnraum entsteht. Gebäude werden heute für Jahrzehnte gebaut oder saniert – sie müssen also schon jetzt den Anforderungen der Zukunft genügen. Alles andere wäre ökonomisch wie ökologisch unverantwortlich. Konsequenter Klimaschutz im Gebäudebereich bietet enorme Chancen für die Industrie, die sich auf klimafreundliche Heizlösungen spezialisiert, für das Handwerk, das durch Sanierungen Arbeitsplätze schafft und für die Haushalte, die durch energieeffizientere Gebäude langfristig Heizkosten sparen. 

Portrait Birthe März
Gebäude werden heute für Jahrzehnte gebaut oder saniert – sie müssen also schon jetzt den Anforderungen der Zukunft genügen.
Birthe März, DNR
Referentin für Klima- und Energiepolitik

Der Gebäudesektor braucht sozial gerechte Lösungen

Insbesondere die energetische Modernisierung des Gebäudebestands muss nicht nur ökologisch, sondern auch sozial tragfähig gestaltet werden. Das bedeutet: gezielte Förderungen, die insbesondere Haushalte mit geringem Einkommen erreichen und klare Regeln zur fairen Kostenverteilung zwischen Mieter*innen, Vermieter*innen und Staat. Denn viele Menschen, insbesondere in energetisch schlechten Gebäuden, zahlen bereits heute einen überproportional hohen Anteil ihres Einkommens für Heizkosten – ohne Einfluss auf die Heiztechnik oder die Dämmung ihrer Wohnungen nehmen zu können. Wird der Gebäudesektor nicht konsequent modernisiert, drohen für diese Menschen noch höhere Belastungen. Moderne Förderprogramme sollten sicherstellen, dass die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden nicht zu einem Anstieg der Warmmieten führt. Das Prinzip der warmmietenneutralen Modernisierung, also die Garantie, dass sich die Miete durch eine energetische Sanierung nicht erhöht, muss fester Bestandteil aller Sanierungsprojekte werden. Auf diese Weise wird gewährleistet, dass auch einkommensschwache Haushalte von der Wärmewende profitieren können.

Der Gebäudesektor ist der schlafende Riese der Energiewende, der so schnell wie möglich durch Verlässlichkeit, soziale Gerechtigkeit – insbesondere auch im Hinblick auf das Europäische Emissionshandelssystem II (ETS II) und damit verbundene steigende Heizkosten – und klare politische Führung geweckt werden muss. Wir brauchen ein zukunftsfähiges Gebäudeenergiegesetz, massive Investitionen in Energieeffizienz und erneuerbare Energien, faire Förderung und einen gesetzlichen Rahmen, der aus dem Sorgenkind Gebäudesektor einen Hoffnungsträger der Klimapolitik macht.

Die Autorin

Birthe März ist beim DNR Referentin für Klima- und Energiepolitik, insbesondere erneuerbare Energien und Gebäude. 

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