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Durchwachsene Lage der Energieunion in Pandemiezeiten
EU-News | 28.10.2021
#Klima und Energie

Durchwachsene Lage der Energieunion in Pandemiezeiten

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c. Pixabay

Am Dienstag veröffentlichte die EU-Kommission ihren Lagebericht zur Energieunion sowie dazugehörige Berichte zum Klimaschutz, Emissionshandel und zur Kraftstoffqualität für das Jahr 2020. Laut Umweltagentur erreicht die EU ihre 2020-Klimaziele – Deutschland in einem Bereich nicht. Außerdem gibt es eine Zusammenstellung von lesenswerten neuen Veröffentlichungen rund um die Klima- und Energiepolitik.

Höhen und Tiefen für Erneuerbare, Effizienz, Klimaschutz

Aus dem Bericht zur Lage der Energieunion für das zurückliegende Jahr geht hervor, dass erneuerbare Energien mit einem Anteil von 38 Prozent an der Stromerzeugung erstmals knapp vor den fossilen Brennstoffen mit 37 Prozent lagen. Den Kohleausstieg hätten bereits neun EU-Mitgliedstaaten vollzogen, 13 EU-Länder haben sich zu einem Ausstiegsdatum verpflichtet, vier erwägen mögliche Zeitpläne.

Weitere Ergebnisse: Der Primärenergieverbrauch ist um 1,9 Prozent und der Endenergieverbrauch um 0,6 Prozent zurückgegangen. Es müssten weitere Anstrengungen unternommen werden, um die Energieeffizienzziele zu erreichen, erklärte die Kommission.

Die Subventionen für fossile Brennstoffe gingen 2020 aufgrund des insgesamt niedrigeren Energieverbrauchs leicht zurück. Die Subventionen für erneuerbare Energien und Energieeffizienz sind im Jahr 2020 gestiegen.

Der EU-Fortschrittsbericht zum Klimaschutz zeigt, dass die EU-weiten Treibhausgasemissionen im Jahr 2020 im Vergleich zu 2019 um fast zehn Prozent gesunken sind. Dies sei ein „noch nie dagewesener Rückgang der Emissionen aufgrund der Covid-19-Pandemie“. Insgesamt seien die Emissionen im Vergleich zu 1990, dem Referenzjahr für die langfristigen Klimaziele der EU, um 31 Prozent gesunken. Allerdings seien die Daten aufgrund der weltweiten Konjunkturabschwächung „eindeutig einzigartig“, so die Kommission. Eine aussagekräftigere Analyse der langfristigen Entwicklung werde erst im kommenden Jahr möglich sein.

Laut Bericht über den Kohlenstoffmarkt zeigte sich das EU-Emissionshandelssystem robust gegenüber dem Wirtschaftsabschwung. Seit 2018 sei der Preis für CO2-Zertifikate gestiegen, was die Einnahmen von 3,2 Milliarden Euro im Jahr 2013 auf 14,4 Milliarden Euro im Jahr 2020 anwachsen ließ. Die Einnahmen gingen an die Mitgliedstaaten. 76 Prozent dieser Einnahmen seien für klima- und energiepolitische Zwecke bestimmt.

Dem Bericht über die Kraftstoffqualität zufolge sind weitere Maßnahmen erforderlich, um das in der Richtlinie über die Kraftstoffqualität festgelegte Ziel – nämlich die Treibhausgasintensität von Verkehrskraftstoffen um mindestens sechs Prozent bis 2020 gegenüber 2010 zu verringern – zu erreichen.

EU-Kommission: State of the Energy Union 2021: Renewables overtake fossil fuels as the EU's main power source 

EU-Kommission: EU Climate Action: Progress reports show 2020 emissions down 31% from 1990, 76% of ETS revenues used for green transition 

Umweltagentur: 2020-Ziele erfüllt, 2030-Klimaziele erreichbar

Die Europäische Umweltagentur (EEA) geht in ihrem jüngsten Bericht „Trends and Projections in Europe 2021“ davon aus, dass die EU ihre drei Klima- und Energieziele für 2020 erreicht hat: die Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 20 Prozent gegenüber dem Stand von 1990, ein Anteil der erneuerbaren Energien von 20 Prozent an der Stromerzeugung und die Verbesserung der Energieeffizienz um 20 Prozent.

Die Aussagen basieren auf den endgültigen Klima- und Energiedaten für das Jahr 2019 und den vorläufigen Daten für 2020.

Nach Einschätzung der EEA können die EU und ihre 27 Mitgliedstaaten die Klimaziele 2030 erreichen, wenn der Ausbau der erneuerbaren Energien und Energieeinsparmaßnahmen weiter vorangetrieben werden. Um den Überblick über die europäische Energie- und Klimapolitik mit Blick auf 2030 zu behalten, hat die EEA eine neue Website ins Leben gerufen.

EEA Report No 13/2021: Trends and Projections in Europe 2021 

EEA Website: Climate and Energy in the EU 

Bundesumweltministerium: Deutschland verfehlt Klimaziel und muss zahlen

Offenbar hat die Kommission ermittelt, dass Deutschland das Klimaziel in den Bereichen Verkehr, Landwirtschaft, Gebäude (Heizen und Kühlen) und Abfallwirtschaft für das Jahr 2020 nicht erreicht habe. Diese Bereiche unterliegen der Lastenteilungsverordnung (Effort Sharing Regulation, ESR), die verbindliche nationale Einsparziele für Treibhausgasemissionen festlegt. Deutschland habe sein Reduktionsziel von 14 Prozent, bezogen auf das Basisjahr 2005, verfehlt und müsse nun Ausgleichszahlungen leisten. Das berichtete der Deutschlandfunk am Mittwoch und beruft sich dabei auf Aussagen aus dem Bundesumweltministerium. Deutschland solle 22 Millionen Emissionszertifikate von EU-Ländern kaufen, die ihr ESR-Ziel übertroffen haben. Der genaue Preis sei anscheinend noch unklar.

Dlf: Deutschland muss wegen verpasster Klimaziele zahlen 

CBAM, Treibhausgase, fossile Lobby, Pipelines, klimaneutrale Rechenzentren, CO2-Abscheidung: lesenswerte neue Veröffentlichungen

Eine aktuelle Studie des Cambridge Institute for Sustainability Leadership (CISL) beschäftigt sich mit wahrscheinlichen Auswirkungen des geplanten CO2-Grenzausgleichsmechanismus (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM). Hierzu kombinierten die Forscher*innen eine ökonometrische Studie mit einer rechtlichen und politischen Analyse. 

Einem am Montag erschienenen Bericht der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) zufolge erreichte die Menge an Treibhausgasen in der Atmosphäre im vergangenen Jahr erneut einen Rekord. Die Konzentration von Kohlendioxid (CO2), dem wichtigsten Treibhausgas, erreichte 2020 413,2 Teile pro Million und liegt damit bei 149 Prozent des vorindustriellen Niveaus. Auch die Konzentrationen von Methan (CH4) und Distickstoffoxid (N2O) liegen laut WMO deutlich über dem vorindustriellen Niveau. Die weltweite wirtschaftliche Talfahrt durch die COVID-19-Pandemie hatte „keine erkennbaren Auswirkungen” auf die Entwicklung der Treibhausgaskonzentrationen.

WMO: Greenhouse Gas Bulletin: Another Year Another Record 

Eine neue Studie der zivilgesellschaftlichen Organisationen Corporate Europe Observatory, Friends of the Earth Europe und Food & Water Action Europe deckt 71 Fälle von Drehtür-Effekten zwischen Energiekonzernen und öffentlichem Sektor auf. Zwischen 2015 und 2021 sollen an solchen Personalwechseln nationale Regierungen und Behörden, die EU und internationale Institutionen, die sechs Energieunternehmen Shell, BP, Total, Equinor, ENI und Galp sowie fünf ihrer Lobbygruppen (Hydrogen Europe, Eurogas, FuelsEurope, IOGP, CEFIC) beteiligt gewesen sein. Die Autor*innen der Studie sehen darin Interessenkonflikte und stellen einen Zusammenhang mit unzureichenden politischen Maßnahmen beim Klimaschutz her. Die Studie ist im Rahmen der Kampagne Fossil Free Politics entstanden.

FoEE: Exposed: How big oil & gas infiltrated EU politics 

Ein neuer Bericht von Carbon Market Watch (CMW) hat die wachsende Zahl fossiler Brennstoffe untersucht, die als CO2-neutral vermarktet werden, und kommt zu dem Schluss, dass es sich dabei „um schamloses Greenwashing” handelt. Vor Beginn der Weltklimakonferenz COP26 fordert CMW die Regierungen und Industrie auf, Greenwashing-Praktiken einzustellen und sich zu einem verbindlichen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen zu verpflichten.

CMW: Net-zero pipe dreams: Why fossil fuels cannot be carbon neutral 

Die zivilgesellschaftlichen Organisationen ECOS und Coolproducts haben den aktuellen Stand der EU-Politik im Hinblick auf den ökologischen Fußabdruck von Rechenzentren analysiert, einem Sektor mit wachsenden Auswirkungen auf den Planeten. So fehle beispielsweise eine umfassende, einheitliche Methode zur Bewertung der Energieeffizienz von Rechenzentren.

ECOS und Coolproducts: Climate neutral clouds? 

Nach Auffassung von Nils Meyer-Ohlendorf vom Ecologic Institute gewinnt die EU-Debatte über den Abbau von Kohlendioxid (Carbon Dioxide Removal, CDR) zwar an Schwung, die Grundlagen eines EU-Rahmens für CDR sind jedoch nach wie vor unklar. In einem neuen Papier untersucht der Autor, warum die EU eine CDR-Strategie haben sollte und stellt die wichtigsten Elemente einer solchen Strategie heraus.

Ecologic Institute: Carbon Dioxide Removal Strategy for the EU 

Redakteurin: Ann Wehmeyer

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