Werbung für, Investitionen in und Kosten von fossiler Energie
Leak von Leitlinien gegen explodierende Energiekosten. Europäische Bürgerinitiative fordert ein EU-weites Verbot von Werbung für fossile Energien. Client Earth drängt die EU zum Ausstieg aus dem Energiecharta-Vertrag. Nord Stream 2 kann gegen EU-Gasrichtlinie klagen.
Brüssels Werkzeugkoffer gegen steigende Preise
Wie Euractiv am Donnerstag berichtete, liegt dem Nachrichtenmagazin der Entwurf eines Maßnahmenpakets vor, mit welchem die EU-Kommission die EU-Mitgliedstaaten im Kampf gegen die derzeit schnell steigenden Kosten für Gas und Strom unterstützen wolle.
So sieht der Vorschlag unter anderem Einkommensbeihilfen für Notfälle vor, solange diese zeitlich begrenzt und „gezielt“ für arme Haushalte seien. Ebenso seien Steuererleichterungen und staatliche Finanzhilfen für Haushalte und Unternehmen angedacht. Auf Drängen Spaniens und Frankreichs hatte die Kommission bereits erklärt, eine Überarbeitung der Strommarktregeln zu prüfen, um den Strompreis vom Gaspreis abzukoppeln.
Überdies werde Brüssel eine seit langem geplante Reform der EU-Gasmarktregeln, die im Dezember ansteht, nutzen, um Fragen der Speicherung und der Versorgungssicherheit zu prüfen, hatte EU-Energiekommissarin Kadri Simson am Mittwoch im EU-Parlament angekündigt.
Voraussichtlich in der kommenden Woche werde die Kommission die „Toolbox“ gegen die hohen Energiepreise veröffentlichen. Die Staats- und Regierungschef*innen der EU werden dieses Maßnahmenbündel während ihres Gipfeltreffens am 21. und 22. Oktober diskutieren.
Euractiv: LEAK: The EU’s ‘toolbox’ against soaring energy prices
EU soll Werbung und Sponsoring für fossile Brennstoffe verbieten
Am Montag hat das Unterschriftensammeln für eine neue Europäische Bürgerinitiative (EBI) begonnen. Ziel der Initiator*innen ist es, ein Verbot für Werbung und Sponsoring für fossile Energien auf EU-Ebene durchzusetzen. Sie vertreten die Auffassung, dass Unternehmen, die fossile Brennstoffe herstellen, Automobilhersteller, Fluggesellschaften und Schifffahrtsunternehmen Werbung und Sponsoring als Deckmantel benutzen, um von ihren klimaschädlichen Geschäftspraktiken abzulenken.
Eine von Greenpeace Niederlande veröffentlichte Analyse stützt offenbar die Forderung: Durchschnittlich 63 Prozent der Werbeanzeigen von Unternehmen, die auf fossile Brennstoffe setzen, führten die Verbraucher*innen in die Irre, indem sie zum Beispiel die unternehmerischen Aktivitäten nicht korrekt darstellen oder falsche Lösungen wie fossiles Gas als klimafreundliche Alternative bewerben würden. Über 3.000 Werbeanzeigen von Shell, Total Energies, Preem, Eni, Repsol und Fortum, die diese Unternehmen von Dezember 2019 bis April 2021 auf Twitter, Facebook, Instagram und Youtube geschaltet hatten, wurden dafür ausgewertet.
Die EBI wird von mehr als 20 zivilgesellschaftlichen Organisationen getragen. Darunter sind Greenpeace, Europe Beyond Coal, Client Earth, Friends of the Earth Europe, Global Witness und Food & Water Action Europe. Die Organisator*innen haben ein Jahr Zeit, um mindestens eine Million Unterstützer*innen zu finden. Es muss überdies jeweils eine Mindestanzahl an Unterschriften in mindestens sieben EU-Mitgliedstaaten erreicht werden.
EBI: Ban Fossil Fuel Advertising and Sponsorships
EU-Kommission: Informationen zur EBI Ban Fossil Fuel Ads
EU-Kommission: Leitfaden zur Europäischen Bürgerinitiative
Greenpeace Netherlands: Words vs. Actions – the truth behind fossil fuel advertising
EU soll aus Energiecharta-Vertrag austreten
Nachdem der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) im September geurteilt hatte, dass das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren unter dem Energiecharta-Vertrag (ECT) nicht mit EU-Recht vereinbar sei (Klima und Energie kompakt vom 09.09.2021), hat die Umweltrechtsorganisation Client Earth die EU-Kommission aufgefordert, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten aus dem ECT aussteigen müssen. Andernfalls würden sie ihre Klimaziele verfehlen.
In einem am Montag veröffentlichten Brief an die Kommission erklären die Anwält*innen von Client Earth, warum die EU aus diesem internationalen Investitionsabkommen austreten müsse. Es untergrabe die Bemühungen für Klimaschutz. Der Brief wird von Climate Action Network Europe, Friends of the Earth Europe, International Institute for Sustainable Development, PowerShift, SOMO, Transnational Institute und Veblen Institute unterstützt.
Client Earth: Abandon Energy Charter Treaty or miss climate goals, lawyers warn Commission
Nord Stream 2 AG kann gegen Gasrichtlinie vorgehen
In seinen am Mittwoch veröffentlichten Schlussanträgen erklärt Generalanwalt Michael Bobek vom Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH), dass die Nord Stream 2 AG die Richtlinie, mit der der Anwendungsbereich der Erdgasrichtlinie auf Fernleitungen zwischen der EU und Drittländern ausgeweitet wurde (EU-News vom 13.02.2019), vor den Unionsgerichten anfechten könne. Durch den Erlass dieser Richtlinie habe sich die Rechtsstellung der Nord Stream 2 AG geändert, die darüber hinaus als einziges Unternehmen tatsächlich von diesem Rechtsakt betroffen sei. Damit widerspricht Bobek der Auffassung des Gerichts der EU (EuG), welches die Klage des Gasunternehmens gegen die Änderungsrichtlinie im Mai 2020 abgewiesen hatte (EuG vom 20.05.2020). Bobek schlägt daher vor, das Verfahren an das Gericht zurückzuverweisen.
EuGH-Pressemitteilung über die Schlussanträge von Generalanwalt Michael Bobek
Redakteurin: Ann Wehmeyer