Wolf: NABU Niedersachsen reicht Beschwerde bei EU-Kommission ein

Am 5. Januar hat der NABU Niedersachen eine EU-Beschwerde gegen die Wolfsverordnung des Landes Niedersachsen vom 20. November 2020 bei der Europäischen Kommission eingereicht. Der Verband rügt darin Verstöße gegen den Artenschutz und die Ausnahmeregeln der Fauna-Flora-Habitat-(FFH)-Richtlinie. Das niedersächsische Umweltministerium wirft dem niedersächsischen NABU-Vorsitzenden Polarisierung vor.
NABU: Niedersachsen weicht vom EU-Recht ab
Mit der niedersächsischen Wolfsverordnung weiche das Land nach Auffassung des NABU "weit von Beispielen anderer Bundesländer sowie vom EU-Recht" ab. Der NABU-Landesvorsitzende Holger Buschmann kommentierte: "Mit der nun vorliegenden Wolfsverordnung stellt sich das Land Niedersachsen nicht den Herausforderungen, die mit einer Koexistenz einhergehen, sondern weicht den Schutz des Wolfes massiv auf. In der Verordnung werden bundesweite Empfehlungen eines zumutbaren Herdenschutzes weiter nach unten korrigiert. Das wird den Weidetierhaltern nicht helfen, da Wolfsabschüsse keine Nutztierrisse verhindern." Aus anderen Regionen sei bekannt, dass Abschüsse die Rudelstruktur zerstörten und dann sogar erhöhte Nutztierrisse zur Folge haben könnten. Die NABU-Kritik bezieht sich unter anderem auf die Prognose zukünftiger wirtschaftlicher Schäden beziehungsweise die vorausgesetzte Wehrhaftigkeit von Rindern und Pferden oder Sonderregelungen für den zumutbaren Herdenschutz bei Deichen. Andere Bundesländer hätten sinnvolle und praktikable Vorschläge zum wolfsabweisenden Herdenschutz bereits umgesetzt. Man sehe sich zu diesem Schritt - der Einreichung einer EU-Beschwerde - gezwungen, "da alle wohlgemeinten Appelle in Richtung Politik, sich auf fachlicher Grundlage mit dem Thema Wolf zu beschäftigen, sang- und klanglos verklungen sind", so Buschmann.
Niedersächsisches Umweltministerium: Verordnung ist rechtskonform, Verband polarisiert und ist nicht konstruktiv
Das niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz reagierte prompt und veröffentlichte die erste Pressemitteilung des Jahres 2021 mit der Überschrift "Niedersachsens NABU-Vorsitzender will beim Wolfsthema weiter polarisieren". Der Verband habe im Rahmen der Verbändeanhörung Gelegenheit gehabt, die Wolfsverordnung mit konstruktiven Vorschlägen zu bereichern, diese seien jedoch weitgehend ausgeblieben. "Nachdem der NABU Niedersachsen mehrfach vor Gericht mit seinen Vorwürfen gegen die Wolfspolitik des Landes gescheitert ist, wird nun der Versuch unternommen, per Beschwerde bei der EU-Kommission die eigenen Vorstellungen von Artenschutz durchzusetzen", heißt es darin. Die niedersächsische Wolfsverordnung halte sich "in allen Punkten an das Bundesnaturschutzgesetz und damit auch an die FFH-Richtlinie", so der Umweltminister Olaf Lies. Dazu gehörten neben der strengen Überwachung des günstigen Erhaltungszustands auch die Prüfung zumutbarer Alternativen zum Abschuss. Es gehe dabei keineswegs um die Etablierung wolfsfreier Zonen, sondern lediglich um die Entnahme derjenigen Wölfe, die in der Kulturlandschaft Niedersachsens die größte Gefahr für die Akzeptanz und damit die langfristige Überlebensfähigkeit der Art darstellen. Das Land leiste bereits erhebliche finanzielle Anstrengungen, um die Herausforderungen bei der Koexistenz von Mensch und Wolf zu stemmen, nämlich die Förderung von Herdenschutzmaßnahmen über fünf Millionen Euro. Es gebe mittlerweile 35 Rudel im Land.
NABU: Stellungnahme liegt vor, wurde aber nicht berücksichtigt
Der NABU Niedersachsen wiederum vermisst in dieser Darstellung Sachargumente und fasst den Vorwurf, keine konstruktiven Vorschläge gemacht zu haben, als Unterstellung auf. Eine umfangreiche Stellungnahme habe vorgelegen, sei aber nicht eingeflossen. Darüber hinaus bekenne sich der NABU "zur Entnahme von Problemwölfen". Allerdings müsse klar definiert sein, ab wann das auffällige Verhalten eines Wolfes problematisch sei, wie es beispielsweise die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes (DBBW) und das Bundesamt für Naturschutz machten. "Ein Wolf ist aus Sicht des NABU erst dann ein Problemtier, wenn er die empfohlenen und nachweislich wirkenden wolfsabweisenden Herdenschutzmaßnahmen nachweislich überwindet und nicht, wenn er an Deichen oder bei Rindern ungeschützte Tiere erbeutet."
Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hatte im vergangenen Jahr geurteilt, dass streng geschützte Tiere diesen Schutz auch außerhalb von natürlichen Verbreitungsgebieten genössen (EU-News 11.06.2020). In Deutschland gilt seit März 2020 eine Änderung im Bundesnaturschutzgesetz, die den Umgang mit dem Wolf neu definiert (Aktuelles, 16.03.2020). [jg]
Frankreichs Umgang mit dem Wolf
Das Online-Nachrichtenmagazin EurActiv berichtet in einem Artikel über das "schwierige und kostspielige" Zusammenleben mit dem Wolf in Frankreich. Canis lupus ist dort seit 1992 wieder zu Hause - mit ähnlichen Konflikten zwischen Raubtier und Nutztierhaltung wie hierzulande. Fast 30 Millionen Euro pro Jahr kosteten die Maßnahmen schätzungsweise. Der Staat übernimmt laut Euractiv-Recherchen 80 Prozent der Schäden, sofern vorher Schutzmaßnahmen ergriffen worden sind. Die EU beteiligte sich 2019 über den für den ländlichen Raum gedachten ELER-Fonds zur Hälfte mit 13,8 Millionen Euro. Weiterlesen