Brüssel schlägt neue Vorgaben für bessere Rechtsetzung vor
Update vom 03.05.2021
In einer Stellungnahme äußern sich der WWF und der Europäische Gewerkschaftsbund (ETUC) zur Mitteilung zur besseren Rechtsetzung. Beide Organisationen kritisieren mit Blick auf die One-In-One-Out-Regel, dass die Kosten der Untätigkeit, die bei der Betrachtung der Umwelt- und Klimapolitik besonders zu berücksichtigen sind, mit keinem Wort erwähnt werden. Der ETUC und der WWF haben die Notwendigkeit des „One-In-One-Out“-Ansatzes lange bestritten, da er aus ihrer Sicht eine quantitative Bewertung der Gesetzgebung als kurzfristige Belastung und Kosten darstelle, anstatt sich objektiv auf die Qualität der Regulierung und ihre Vorzüge auf mittlere und lange Sicht zu konzentrieren.
Positiv sei dagegen, dass sich die Kommission in der Mitteilung dazu verpflichtet, die Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) der Vereinten Nationen zu berücksichtigen, um sicherzustellen, dass alle politischen Maßnahmen zur Verwirklichung der Agenda 2030 beitragen. Es dürfe jedoch nicht zu einer „Checkbox“-Übung werden, die nur einige SDGs pro Initiative aufzeige. Vielmehr müsse es aus Sicht des Gewerkschaftsbundes und der Umweltstiftung eine ganzheitliche Perspektive eingenommen werden, die die Auswirkungen jeder Initiative auf die SDGs als Ganzes berücksichtigt.
Begrüßenswert sei auch die Ankündigung der Kommission, das „Do no significant harm“-Prinzip (DNSH) über den gesamten Gesetzgebungsprozess anzuwenden. Um das Instrumentarium für eine bessere Rechtsetzung zu aktualisieren, fordern ETUC und WWF eine solide Methodik für die Umsetzung des DNSH-Grundsatzes, die das in den Verträgen verankerte Vorsorgeprinzip ergänzt und nicht ersetzt.
Bessere Rechtsetzung: Für jede neue Vorschrift soll bald eine alte weichen?
Am heutigen Donnerstag hat die EU-Kommission ihre Mitteilung zur besseren Rechtsetzung einschließlich der One-In-One-Out-Regel vorgestellt. Deren Veröffentlichung hatte sich mehrfach verschoben. In der Mitteilung schlägt die Kommission verschiedene Maßnahmen vor:
In Zusammenarbeit mit den EU-Mitgliedstaaten, den Regionen und „maßgeblichen“ Interessenträgern sollen Hindernisse und Bürokratie abgebaut werden, die „Investitionen in die Infrastruktur des 21. Jahrhunderts und deren Aufbau verlangsamen“.
Ebenso kündigte die Kommission an, öffentliche Konsultationen durch die Einführung einer einzigen „Einholung von Erkenntnissen“ auf dem Online-Portal „Ihre Meinung zählt“ (Have your say) vereinfachen zu wollen.
Was Umweltorganisationen freuen dürfte: Die Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (SDGs) sollen umfassend berücksichtigt werden. Ziel sei es, dass jeder Gesetzgebungsvorschlag zur Agenda für nachhaltige Entwicklung 2030 beitrage, so die Kommission.
Auch verspricht sie, dass das Do-no-significant-harm-Prinzip (Vermeidung erheblicher Schäden) in allen Politikbereichen im Einklang mit dem europäischen Green Deal angewendet werden soll.
Von Umweltorganisationen in der Vergangenheit hingegen immer wieder kritisiert ist die geplante Einführung des „One-In-One-Out“-Grundsatzes. Ziel sei es hier, die Belastungen für Bürger*innen und Unternehmen so gering wie möglich zu halten. Den „Auswirkungen und den Kosten der Umsetzung der Rechtsvorschriften“ – insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen – solle „besondere Beachtung“ gewidmet werden, so die Kommission. Hinter diesem sperrigen Wortungetüm verbirgt sich ein Mechanismus zum Bürokratieabbau: für jede neue Vorschrift soll eine bestehende Regulierung im betroffenen Politikbereich gestrichen werden.
Zunächst hatte die Kommission unter ihrem damaligen Präsidenten Jean-Claude Juncker versucht, die One-In-One-Out-Regel einzuführen, war schließlich aber zurückgerudert. Bei ihrem Amtsantritt 2019 kündigte Ursula von der Leyen an, diese Regel doch einführen zu wollen.
Daraufhin hatten die zehn größten Umweltorganisationen auf EU-Ebene, die Green 10, eindringlich vor der Regel gewarnt. Sie widerspreche dem Anspruch, einen europäischen Grünen Deal auf den Weg zu bringen, der ohne neue Initiativen sehr wahrscheinlich nicht auskommen werde. Die Kommission müsse deshalb sicherstellen, dass keine der existierenden Vorschriften im Umwelt- und Klimaschutz den neuen Initiativen zum Opfer fallen (EU-News vom 23.09.2020).
Das europäische Büro der Umweltstiftung WWF erneuerte am Montag seine Kritik an einer One-In-One-Out-Regel. Sie basiere zu sehr auf quantitativen Reduktionszielen und würde die europäische Gesetzgebung als kurzfristige Belastung und als kostenintensiv bewerten, anstatt sich objektiv auf die Qualität der Regulierung und ihrer Vorzüge zu konzentrieren. Zudem hätten Analysen der Kommission und anderer Institutionen wiederholt gezeigt, dass die Umweltgesetzgebung keinen unnötigen Verwaltungsaufwand verursache.
Der WWF plädiert stattdessen dafür, die Ziele der nachhaltigen Entwicklung im gesamten politischen Prozess und in allen Politikbereichen zu verankern. Ein solcher 'Think Sustainability First'-Ansatz würde die Auswirkungen auf alle Dimensionen der nachhaltigen Entwicklung - ökologisch, sozial und wirtschaftlich - gleichermaßen berücksichtigen und die 'Do no significant harm'-Verpflichtung des Europäischen Green Deal erfüllen.
Mitteilung der EU-Kommission: Better regulation: Joining forces to make better laws
WWF EU: Better Regulation agenda must further EU environmental goals, not stifle them
Steckbrief der EU-Koordination: One-In-One-Out unter dem Deckmantel der besseren Rechtsetzung
Redakteurin: Ann Wehmeyer