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Ostseequoten 2022 stehen: Aufregung auf allen Seiten
EU-News | 13.10.2021
#Wasser und Meere

Ostseequoten 2022 stehen: Aufregung auf allen Seiten

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c. pixabay

Der EU-Fischereirat hat die Ostseefangquoten für das nächste Jahr beschlossen und teils stark eingeschränkt. Während Fischereibetriebe besonders in Deutschland um ihre Existenz bangen, fürchten Umweltverbände um die Existenz der Fischbestände. Deutschland stimmte gegen den Beschluss und sieht die Ostseefischerei in Gefahr. Umweltverbänden gingen die Vorschläge nicht weit genug. Im EU-Parlament gab es eine Anhörung über die Zukunft der Fischerei.

Ostseefangquoten: Das ist der Plan für nächstes Jahr

Am Dienstag haben die EU-Fischereiminister*innen in Luxemburg nach einer langen Nacht eine politische Einigung über die Quoten der zehn wichtigsten kommerziell befischten Fischbestände in der Ostsee erreicht. Besonders Hering und Dorsch sollen geschont werden, teilweise dürfen sie nur noch als Beifang angelandet, nicht aber gezielt befischt werden. Auch für die Freizeitfischerei gelten strenge Auflagen, um die überfischten Fischbestände zu schützen.

  • Aufgrund der geringen Biomasse wurde die Höchstfangmenge (Total allowable catches – TACs) für Hering in der westlichen Ostsee auf Beifänge beschränkt und um die Hälfte gekürzt; in der zentralen Ostsee wurde die Quote um 45 Prozent reduziert.
  • Da sich die Situation für die Dorschbestände nicht verbessert hat, gilt erneut eine spezifische TAC für Beifänge. Dies gilt auch für Lachs im Hauptbecken.
  • Die Quoten für die Lachsbestände im Finnischen Meerbusen wurden leicht angehoben, ebenso die TACs für Scholle (25 Prozent plus) und Sprotte (13 Prozent plus).

Der Fischereirat befasste sich außerdem mit den Fischbeständen in den gemeinsam mit Großbritannien befischten Gebieten. Hier erklärten viele Mitgliedstaaten ihre Solidarität mit Frankreich und unterstützten die französischen Forderungen nach der Einhaltung der zugesicherten Quoten und Lizenzen. Auch das nächste Abkommen mit Norwegen (Verhandlungen folgen Mitte/Ende Oktober) und die EU-Position für Thunfisch im Atlantik waren Thema. Das nächste Treffen der Internationalen Kommission für die Erhaltung der Thunfischbestände im Atlantik (ICCAT) findet vom 15. bis 22. November statt.

BMEL: „Fangquoten 2022 für die Ostsee kann Deutschland nicht mittragen“

Ungewöhnlich deutlich protestierte das deutsche Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) beziehungsweise die BMEL-Staatssekretärin Beate Kasch gegen den Beschluss des EU-Fischereirates. Die Kritik richtet sich gegen „unterschiedliche Maßstäbe an die Befischung der beiden Managementgebiete Ostsee und Kattegat/Skagerrak“, die die EU-Kommission angelegt habe. Die heimischen Fischereibetriebe an der Ostsee müssten „drastische Einschnitte hinnehmen“ und die verschonten Fische würden dann weiter im Norden abgefischt. Dies sei „kein ganzheitlicher Ansatz“, besser wäre es gewesen, die Gebiete zusammenzulegen und die Quoten für beide im Dezember zu beschließen. Die „dramatische einseitige Überfischung“ setze „die Zukunft unserer Fischerei und des Bestandes“ aufs Spiel.

Betroffene Betriebe sollen an einem runden Tisch über Fördermöglichkeiten informiert werden und gemeinsam mit Behörden und anderen Beteiligten Perspektiven entwickeln. Der Rat habe auf Vorschlag der Europäischen Kommission auch drastische Einschnitte für die Ostseefischerei beim westlichen Dorsch beschlossen. „Obwohl wir wissen, was für ein harter Schlag das für unsere Ostseefischer ist, ist es doch die einzige Chance, diese Bestände wieder aufzubauen. Denn nur so können wir den Ostseefischern ihre Existenzgrundlage perspektivisch sichern“, sagte Kasch.

Umweltverbände: Richtige Richtung, Tragödie bleibt – Zeit für ökosystembasiertes Fischereimanagement! – Quoten für Nordsee müssen nachziehen

Ein Bündnis europäischer Umweltverbände wie Oceana, Coalition Clean Baltic und Seas At Risk äußerte sich teils enttäuscht darüber, dass „die Fischereiminister*innen der Mitgliedstaaten erneut die ganze Nacht hindurch gefeilscht haben, um die Fischereigrenzen in der Ostsee für 2022 über den Vorschlag der Europäischen Kommission hinaus anzuheben, und zwar entgegen den eindeutigen wissenschaftlichen Empfehlungen“. Allerdings sahen sie auch Fortschritte, weil sich die Kluft zwischen wissenschaftlichem Rat und politischer Umsetzung immerhin verringert habe– dies reiche jedoch nicht aus, um den drohenden Zusammenbruch der Bestände zu verhindern. „Die Tragödie des kollabierenden Ökosystems der Ostsee und ihre verheerenden Auswirkungen auf die Fischereigemeinschaft“ werden weitergehen, kritisierte Rebecca Hubbard von Our Fish.

Auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisierte die Entscheidungen der EU-Fischereiminister*innen zu den Fangquoten für die Ostsee, weil sie nicht weit genug gingen. Erneut widersprächen vier von zehn Fangquoten für 2022 den wissenschaftlichen Empfehlungen. Laut Wissenschaft seien bereits vier von zehn kommerziell befischten Populationen – Lachs, westlicher Hering sowie westlicher und östlicher Dorsch – in einem so schlechten Zustand, dass sie für die Fischerei nicht mehr nutzbar seien. Die Klimakrise verschlimmere die Situation für die Fische zusätzlich. Die DUH forderte deshalb die „Einführung eines ökosystembasierten Fischereimanagements, das die Wechselbeziehung zwischen den verschiedenen Fischarten sowie die Auswirkungen der Klimakrise berücksichtigt“. Der Fischereirat habe Jahr für Jahr zu hohe Quoten beschlossen, dieser "Ostseeschock" sei absehbar gewesen.

Der BUND forderte von den EU-Fischereiminister*innen, dass sie im Dezember beim nächsten Treffen auch die Nordsee-Fangquoten entsprechend reduzieren: „Nur so können Heringsbestände langfristig geschützt werden“, so die Organisation. Der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt kommentierte: „Es reicht nicht mehr, nur noch auf die Fangquote zu schauen. Alle Fischereiaktivitäten und Fangmethoden müssen einer Umweltprüfung unterzogen werden, die auch die Auswirkungen auf das Klima einbezieht.“

Laut n-tv nennt der Fischereiverband die EU-Entscheidung eine „Katastrophe“, Verbandssprecher Claus Ubl erwartet einen Strukturwandel in der deutschen Ostseefischerei, da Dorsch und Hering „Brotfische“ seien und man sich ausrechnen könne, dass Betriebe nicht überleben könnten, wenn der gezielte Fang verboten sei (Berichterstattung).

EU-Fischereiausschuss: Anhörung zur Zukunft der Fischerei

Am Montagnachmittag hat der für Fischerei zuständige Ausschuss im EU-Parlament (PECH) eine öffentliche Anhörung zum Thema „Fischer für die Zukunft – Gewinnung einer neuen Generation von Arbeitskräften für die Fischerei und Schaffung von Arbeitsplätzen in Küstengemeinden“ durchgeführt. Einige der „führenden europäischen Experten“ auf diesem Gebiet beleuchteten die verschiedenen Aspekte der Sicherheit und Beschäftigung auf See. Die Beiträge sind im Netz veröffentlicht. [jg]

Pressemitteilung Fischereirat: Baltic Sea: Council agrees catch limits for 2022 sowie Genaue TACs nach Art und Region (engl.), Ergebnisse des Fischereirats mit weiteren Fischereithemen: Agriculture and Fisheries Council, 11-12 October 2021

Reaktionen:

 PECH: Public hearing “Fishers for the future”

Bündnis für den Dorsch

Für die Rückkehr des durch Überfischung gefährdeten Dorschs in die Ostsee hat sich ein Bündnis aus verschiedenen Nichtregierungsorganisationen gegründet. Das Return of the Cod (RoC)-Projekt will den aktuellen Wissensstand und die wissenschaftliche Forschung über den Zustand des Ostseedorsches zusammentragen, um Maßnahmen zur Bestandserholung auszuarbeiten und für deren Umsetzung zu streiten. Vertreten sind Organisationen aus acht Anrainerstaaten, für Deutschland arbeitet die Deutsche Umwelthilfe im RoC-Projekt mit. Weiterlesen

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