EU-Wasserresilienz: „Es fließt weder Wasser noch Geld“

Am 4. Juni hat die EU-Kommission ihre lang erwartete Strategie für Wasserresilienz vorgelegt. Das zivilgesellschaftliche Bündnis Living Rivers Europe nennt sie „unzureichend“. Naturbasierte Lösungen bräuchten Vorrang, das Verursacherprinzip müsse angewandt, Verschmutzer zur Verantwortung gezogen und die bestehenden EU-Wassergesetze endlich durchgesetzt werden.
Dürren und Hochwasser, Chemikalien im Trinkwasser und Wasserknappheit – das kostbare Nass ist von vielen Seiten bedroht. Die Europäische Kommission hat nun eine Strategie zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit von Wasser vorgelegt. Diese soll den Wasserkreislauf wiederherstellen und schützen, sauberes und erschwingliches Wasser für alle sichern und zu einer widerstandsfähigen Wasserwirtschaft in Europa beitragen. Gerichtet ist die EU-Wasserresilienzstrategie an Mitgliedstaaten, Regionen und Gemeinden, aber auch an Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen. Sie konzentriert sich sowohl auf die Umsetzung bestehender Vorgaben, schlägt aber auch 30 neue Maßnahmen vor.
Was steckt drin?
Laut EU-Kommission verfolgt die Strategie drei Hauptziele:
- Den Wasserkreislauf von der Quelle bis zum Meer wiederherstellen und schützen (Umsetzung Wasserrahmenrichtlinie, Umsetzung Richtlinie über die Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken, Wasserverschmutzung besser vermeiden und Schadstoffe im Trinkwasser, einschließlich PFAS, besser bekämpfen).
- Aufbau einer „wasser-intelligenten“ Wirtschaft (effizientere Wassernutzung, nachhaltigere Wasserbewirtschaftung) – hierzu gibt es eine Empfehlung zur Wassereffizienz mit dem Ziel, die Wassereffizienz in der EU bis 2030 um mindestens 10 Prozent zu verbessern; die Mitgliedstaaten sollen eigenen Ziele festlegen, auch um Lecks in Wasserleitungen (derzeit zwischen 8-57 Prozent Verlustquote) zu vermeiden; Modernisierung der Wasserinfrastruktur durch öffentliche und private Finanzierung sowie digitale Lösungen.
- Sauberes und erschwingliches Wasser und Sanitärversorgung für alle (Wassersparen für Unternehmen und Verbraucher*innen)
Um die Ziele der Strategie zu erreichen, schlägt die Kommission Leitaktionen in fünf Bereichen vor. Dazu gehören „Governance und Umsetzung“ (schnellere Umsetzung bestehender Vorschriften durch stukturierten Dialog mit Mitgliedstaaten, Regionen, Wasserbehörden und weitere) sowie „Investitionen“. Beispielsweise will die EU-Kommission kohäsionspolitische Mittel aufstocken, einen Fahrplan für „Naturgutschriften“ (nature credits) und ein neues Wasserprogramm der Europäischen Investitionsbank vorlegen sowie mehr als 15 Milliarden Euro an geplanten Finanzmitteln im Zeitraum 2025-2027 bereitstellen. Außerdem will die Brüsseler Behörde sich auf „Beschleunigung von Digitalisierung und KI (EU-weiter Aktionsplan)“, die „Förderung von Forschung und Innovation“ und auf „Sicherheit und Vorsorge“ konzentrieren.
Ab Dezember 2025 wird die Kommission alle zwei Jahre ein Water Resilience Forum für „einen umfassenden Dialog mit den EU-Akteuren“ einberufen und 2027 eine Halbzeitbewertung der Fortschritte bei der Umsetzung der in dieser Strategie enthaltenen Maßnahmen vornehmen.
Nicht fließend, nicht finanziert: EU-Wasserresilienzstrategie bleibt hinter den Erwartungen zurück
Das zivilgesellschaftliche Bündnis Living Rivers Europe, zu dem auch das Europäische Umweltbüro (EEB) gehört, kritisierte, dass es trotz anderslautender Versprechen keine verbindlichen Verpflichtungen, keine zweckgebundene Finanzierung und nur sehr begrenzten Governance-Instrumente zur Unterstützung der Umsetzung gebe. Dabei erlebe Europa derzeit eine schwere Wasserkrise.
Zwar gibt es aus Bündnis-Sicht eine Reihe positiver Elemente, darunter die nachdrückliche Aufforderung, die bestehenden EU-Wassergesetze umzusetzen, um die Wasserresilienz zu erreichen. Die Kommission habe auch mehrfach auf naturbasierte Lösungen verwiesen, was eine Verbesserung gegenüber der Position des Europäischen Parlaments darstelle, das graue Infrastrukturen und nachweislich unzureichende technische Lösungen bevorzugte. Allerdings blieb die EU-Kommission rechtlich verbindliche Ziele oder spezielle Finanzmittel schuldig, um beispielsweise die erwähnte „Schwamm-Fazilität“ oder „grün-blaue Korridore“ auch zu verwirklichen. „Die Europäische Kommission muss die vorgeschlagene Schwammfazilität zu einer Leitinitiative im Rahmen des nächsten mehrjährigen Finanzrahmens erheben und der Wiederherstellung der natürlichen Wasserrückhaltung Vorrang einräumen“, forderte Living Rivers Europe. Die Kommission müsse auch sicherstellen, dass Infrastrukturprojekte wie Stauseen und Entsalzungsanlagen nur als letzter Ausweg und immer unter strengen Umweltauflagen in Betracht gezogen werden.
PFAS: Keine Prävention an der Quelle vorgesehen
Um die Wasserverschmutzung zu bekämpfen, erkenne die Kommission PFAS und Nährstoffverschmutzung als Hauptbedrohungen an und schlage eine integrierte Überwachung, die Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Verringerung des Nährstoffabflusses und eine öffentlich-private Partnerschaft zur Erkennung und Sanierung von PFAS vor, so das Bündnis. Letzteres bleibe jedoch davon abhängig, dass „die richtigen Partner gefunden werden“, da die Strategie keine Maßnahmen zur Prävention an der Quelle vorschlägt und keine strenge Rechenschaftspflicht für Verursacher durchsetzt.
„PFAS verunreinigen unser Trinkwasser und unsere Ökosysteme in ganz Europa, und die Bürger zahlen den Preis dafür. Wenn die Europäische Kommission die EU wirklich widerstandsfähig gegen PFAS machen will, sollten die Maßnahmen zur Bekämpfung von PFAS auf die vorgelagerte Prävention abzielen - zum Beispiel durch die Einschränkung der Verwendung von PFAS-haltigen Pestiziden und Düngerbeschichtungen, die zu diffuser Verschmutzung durch landwirtschaftliche Abflüsse führen - und nicht nur auf die Behandlung am Ende der Rohrleitung“, forderte Living Rivers Europe. An oberster Stelle müsse das Verursacherprinzip stehen, damit die verschmutzenden Industrien die Kosten für Überwachung, Behandlung und Sanierung tragen - und nicht die Wasserdienstleister oder die Bürgerschaft.
Zu viel Freiwilligkeit bei Wassereffizienz
Ein weiterer Kritikpunkt: Die Strategie schlägt nur freiwillige Ziele zur Verbesserung der Wassereffizienz um 10 Prozent bis 2030 vor, enthält jedoch keine Ausgangswerte, keinen sektoralen Fahrplan und keinen Durchsetzungsmechanismus zur Erreichung dieser Ziele. Es würden keine verbindlichen Grenzwerte festgelegt oder ökologische Durchflussmengen vorgeschrieben. Ohne einen konkreten Schwellenwert drohten die umfassenderen Klimaanpassungsziele der EU zu scheitern: Ein „ehrgeiziges Ziel“ allein wird Europa nicht vor zunehmenden Dürren, Überschwemmungen oder dem Zusammenbruch von Ökosystemen schützen, mahnte das Bündnis. [jg]
EU-Kommission: Wasserversorgung für alle sichern: Kommission legt EU-Strategie zur Wasserresilienz vor
EEB: Not flowing, not funded: EU Water Resilience Strategy falls short