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Den Regen nicht in der Gegend stehen lassen
News | 20.07.2025
#Biodiversität und Naturschutz #Klima und Energie

Den Regen nicht in der Gegend stehen lassen

Dachbegrünung in der Stadt
© AdobeStock/thongsook
Eine grüne Oase auf einem Dach hilft Wasser zu speichern und die Stadt zu kühlen

Städte müssen sich gegen die Folgen des Klimawandels wappnen. Das Prinzip der Schwammstadt ist ein wirksames Mittel gegen die Herausforderungen wie Starkregen, Hitze und Trockenheit. Dabei wird Regenwasser nicht einfach über die Kanalisation in Kläranlagen abgeleitet, sondern versickert vor Ort oder verdunstet und wird zwischengespeichert

Von Marion Busch, Freie Journalistin

Stellen Sie sich eine Straße vor, die nicht komplett asphaltiert, sondern gepflastert ist, und durch die Fugen und den Grünstreifen zwischen Bürgersteig und Straße kann Wasser versickern. Regnet es viel, wird die Straße nicht überschwemmt, regnet es kaum, können zum Beispiel Bäume das gespeicherte Wasser über ihre Wurzeln anzapfen. Wie ein Schwamm nimmt der unversiegelte Boden Wasser auf und die Pflanzen wringen ihn wieder aus. 

Dadurch lassen sich Überflutungen bei Starkregen vermeiden beziehungsweise verringern. Es laufen keine Keller voll, das Stadtklima wird verbessert und die Gesundheit von Stadtbäumen gefördert. Robuste Bäume spenden Schatten, verbessern die Luftqualität und kühlen insgesamt das urbane Klima. Das kommt dem gesamten Stadtökosystem zugute, was aufgrund der Erderhitzung und der Biodiversitätskrise immer wichtiger wird. 

Denn bei Starkregen schafft es die Kanalisation häufig nicht, das gesamte Regenwasser aufzunehmen und abzuleiten. Das Wasser läuft dann unkontrolliert an der Oberfläche ab, und es können lokale Überflutungen entstehen. Gleichzeitig erleben wir immer häufiger lange Hitze- und Dürrephasen, nach denen wiederum Wasser fehlt – zum Beispiel zur Bewässerung von städtischem Grün. Anhaltende Trockenheit bedeutet Stress für Bäume und Pflanzen. Zudem gefährden Hitzetage die Gesundheit von Menschen.

Portrait Marion Busch
Wie ein Schwamm nimmt der unversiegelte Boden Wasser auf und die Pflanzen wringen ihn wieder aus. Das verbessert das Stadtklima und ist gut für die Gesundheit von Menschen.
Marion Busch
Freie Journalistin

Das Zukunftsmodell Schwammstadt trägt zur Vorsorge gegen Risiken wie Hitze oder Überflutungen bei. Mit zahlreichen Maßnahmen wie Dach- und Fassadenbegrünung, Entsiegelung von Flächen sowie der Speicherung, Versickerung, Verdunstung und Nutzung von Regenwasser lassen sich die Kanalisation entlasten und der Gewässerschutz erhöhen. Auch die Trinkwasserversorgung bleibt dadurch stabil. 

Gute Vorbilder: Schwammstädte in Deutschland - eine Auswahl 

Das ecoQuartier Pfaffenhofen gilt als Deutschlands erstes Schwammstadtquartier. 2017 entsiegelte die Stadt Pfaffenhofen an der Ilm einen drei Hektar großen Bauhof. In dem heutigen Wohngebiet wird Regenwasser über Straßenrinnen in Zisternen oder Versickerungsmulden geleitet. Es gibt großzügige Grünflächen. Wege und Parkplätze sind wasserdurchlässig. Ein Seitenarm der Ilm wurde renaturiert. Die Stadt erforscht Baumrigolen – also Vorrichtungen, die Niederschlagswasser in Baumgruben leiten – und erließ eine Pflicht zur Dachbegrünung.

In München soll laut Stadtratsbeschluss das Konzept der Schwammstadt umgesetzt werden – vor allem die grünen Maßnahmen der Schwammstadt, also Grünflächen, Baumpflanzungen, große Pflanzgruben für Straßenbäume und Dachbegrünung. In Neubauquartieren soll geprüft werden, ob weitere Schwammstadtmaßnahmen umsetzbar sind.

Berlin ist schon einen Schritt weiter. Hier muss per Gesetz in Neubaugebieten der Großteil des Wassers vor Ort versickern, gespeichert werden oder verdunsten. Es darf nur so viel Wasser in die Kanalisation gelangen wie vor der Bebauung. Im Klartext: Bei Neubauprojekten müssen Architekt*innen das Schwammstadtkonzept anwenden. Um das politische Ziel zu unterstützen und umzusetzen, wurde 2018 die Berliner Regenwasseragentur gegründet – als gemeinsame Initiative des Landes Berlin und der Berliner Wasserbetriebe. Sie bietet gebündeltes Wissen und einen Werkzeugkasten für den Umbau zur Schwammstadt an, informiert und berät über die Regenwasserbewirtschaftung. 

Im Wohngebiet Rummelsburger Bucht in Berlin beispielsweise sorgen tiefergelegte, wannenförmige Grünflächen – sogenannte Versickerungsmulden – dafür, dass das Regenwasser bei Starkregen zurückgehalten und in einem tiefer gelegten Speicherraum unterhalb der Grünflächen zwischengespeichert wird. Die Abgabe an den Boden geschieht dann zeitverzögert, ebenso die Anreicherung des Grundwassers. Überschwemmungen gibt es in diesem Stadtteil nicht mehr. Zusätzlich sind hier fast alle Dächer begrünt. Über den Tiefgaragen ist die Bepflanzung 80 Zentimeter dick und kann zusätzlich das Regenwasser speichern. An heißen Tagen wirkt das gespeicherte Wasser durch den Verdunstungseffekt wie eine natürliche Klimaanlage, mit messbarem Erfolg: Die Temperatur innerhalb der Wohnanlage liegt deutlich unter den Temperaturen der umliegenden Stadt.

Leuchtende Beispiele: Kopenhagen und Wien 

Eine Vorreiterin für viele andere Städte ist Kopenhagen. Nach mehreren Starkregenereignissen ergriff die dänische Hauptstadt 2012 Maßnahmen zur Reduzierung von Überflutungsrisiken. Speziell angelegte Straßen leiten das Wasser oberirdisch ab oder halten es eine Zeit lang zurück. Plätze dienen als temporäre Rückhaltebecken und neu begrünte und entsiegelte Straßen und Plätze sorgen für mehr Versickerungsflächen.

In Wien entsteht auf einem ehemaligen Flughafengelände die Seestadt Aspern. Das Neubaugebiet umfasst 240 Hektar – mehr als 336 Fußballfelder. In einigen Straßenzügen stehen neu gepflanzte Straßenbäume in niedrigen Gruben, sogenannten Baumrigolen, in die Regenwasser über Straßenrinnen zu den Wurzeln geleitet wird. Die Rigolen sind sehr groß und reichen bis unter die Oberfläche von Straßen, Gehwegen und Parkplätzen.

Der Mix macht’s 

Erst durch die Kombination verschiedener grüner Maßnahmen wie Dach- und Fassadenbegrünung, versickerungsfähiges Pflaster und Entwässerungsmulden gelingt der klimagerechte Umbau von Städten. Wesentlicher Bestandteil des Konzepts ist dabei die Flächenentsiegelung, denn nur diese ermöglicht eine Wasseraufnahme. Das so gespeicherte Wasser kann in Trockenperioden zusätzlich für Kühlung sorgen und der Entstehung von Hitzeinseln vorbeugen. Die Schwammstadt bietet also zahlreiche Vorteile: Sie verbessert Stadtklima und Stadtökologie, trägt zur Hitze- und Überflutungsvorsorge bei und sorgt für mehr grüne und blaue Oasen in unserem Alltag.

Die Autorin 

Marion Busch ist freie Journalistin mit Schwerpunkt auf gesellschafts- und umweltpolitischen Themen.

Quellen

Regenwasseragentur Berlin

Verein Green City

Initiative „Grün in die Stadt“

Umweltbundesamt

Fachzeitschrift „Neue Landschaft“

 

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